GRUNDLAGEN EINER POLITIK ZUR ORGANISCHEN ENTWICKLUNG:
INDUSTRIALISIERUNG UND STRUKTURWANDEL
. Eine systemanalytische Studie der westafrikanischen
Entente-Lander
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den Konven ten
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der Fakultat für BetriebSwirt~~
und
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der Fakultat für Sozialwissenschaften
von
Dr. Michel Agbodan
Mannheim, September 1976

l
Inhaltsverzeichnis
Seite
Teil l
Priori tare Beschaftigungspolitik aIs
Industrialisierungsstrategie
1
1. Prolegomena
2
1.1. Problemstellung
2
1.2. Zum methodischen Ansatz
4
1.3. Geographischer Geltungsbereich der Unter-
suchung
11
2. Die Industrialisierung aIs entwicklungspolitisches
Ziel der Dritten Welt
14
2.1- Entwicklung, Industrialisierung und Fort-
schritt
14
2.2. Zur Notwendigkeit der Industrialisierung
in Entwicklungslandern
18
2.2.1. Industrialisierung und Erkenntnis-
fortschritt
19
2.2.2. Industrialisierung und Lebens-
standard
26
2.2.3. Industrialisierung und AuJ3enhandel
31
3. Angebots- und nachfrag
Entwicklungs-
, 1\\
konzept
, .~"
40
1 ~"
3.1. Produktionsgrurtgl UE}~rvp.~~,
ustrialisierung
40
:. \\-----v '- ~ ::t:
3.2. Nachfrageentwièklung u~~
strialisierung
44
.~
\\
4".
3.2. 1. Die Rolledèr ef
. ~~. en Nachfrage
, ~,),;,~/
im Inland
l ' , ms"~.'/
44
3.2.2. Nachfrage des Auslands und inlandi-
sches Produktionsprogramm
46
3.2.3. Zur Praktikabilitat inlandsbezogener
Produktionsprogramme
58

II
4. Formen der Arbeitslosigkeit und ihre Erklarungs~
modelle
66
4.1. Die Arbeitslosigkeit in der Nationalokonomie
66
4.1.1. Die klassische Hypothese
66
4.1.2. Keynes und die Weiterentwicklung der
Beschaftigungstheorie
71
4.2. Die Arbeitslosigkeit in der Dritten Welt
78
4.2.1. Subsistenzwirtschaft und Arbeits-
losigkeit
79
4.2.2. Zur Theorie der Unterbeschaftigung in
Selbstversorgungsgesellschaften
82
4.2.3. Die Quantifizierung partieller Arbeits-
losigkeit und die Abziehbarkeit von
Arbeitskraften aus Unterbeschaftigungs-
zonen
92
Teil II
Aufbau eines dynamischen Rückkopplungsmodells
für die Entente-Lander
100
1. Loopstrukturen und Gleichungssysteme des Modells
10Î
1.1. Tendenzen der Bevolkerungsvermehrung
102
1.2. Bildung und Entwicklung: der Bildungssektor
im Modell
110
1.2.1. Die erste Bildungsstufe
111
1.2.2. Die zweite Bildungsstufe
125
1.2.3. Die AbschluBphase des Bildungs-
prozesses
129
1.3. Der Traditional-Sektor
132
1.3.1. Abgrenzung und Besonderheiten des
Traditional-Sektors
132
1.3.2. Beschreibung des Traditional-Sektors
und Aufstellung der Gleichungssysteme
136
1.3.2.1. Der Kapitalbestand: Zusammen-
setz~~g, Entwicklung und Funk-
tionen
136

.,
III
1.3.2.2. Kaufkraft,
Investitionen und
potentielle Neueinstellungen
im Traditional-Sektor
142
1.3.2.3. Die Kapitalintensitat und ihre
Anpassung an den Entwicklungs-
stand
145
1.4. Der Modern-Sektor
159
1.4.1. Produktivitat, .Beschaftigung und die
Entstehung des Bruttosozialproduktes
161
1.4.2. Marktentwicklung, Kapitalimport und
Investitionsverhalten im Modern-Sektor
171
1.4.3. Investitionen, Kapitalstock und Be-
schaftigung im Modern-Sektor
184
1.5. Die Sahel zone aIs Spezialphanomen
193
1.5.1. Natürliche Bedingungen der Sahel zone
195
1.5.2. Die Sahelzone aIs Wirtschafts- und
Lebensraum
197
1.5.3. Die Umsiedlung der Wüsten- und
Sahelzonenbevolkerung
200
Teil III
Modellexperimente, Modellvaliditat und
Erkenntnisgewinnung
206
1. Logische und empirische Probleme der Modellgültig-
keit
207
2. Verhaltensdynamik des Modells
214
2.1. Basislaufe
214
2.2 •. Darstellung und Deutung der Grundszenarien
des Modells
223
2.2.1. Die Strategie verstarkter Kapital-
investitionen oder das Szenario der
natürlichen Erbschaft
223
2.2.2. Die Revolutionsstrategie
227
2.2.3. Das Szenario des organisierten
Arbeitseinsatzes
229

IV
.Teil IV
Credo
237
Teil V
Anhang
242
1. Definition der verwendeten Abkürzungen in den
Dynamogleichungen
243
1.1. Bev5lkerungssektor
,243
1.2. Bildungssektor
243
1.3. Traditional-Sektor
245
1.4. Modern-Sektor
246
1.5. Die Sahelzone
247
2. Wachstumsmodell Entente
Fundamental-Gleichungen
248
2.1. Fortran-Unterprogramm
248
2.2. Togo aIs Paradigma
249
3. Landerspezifische Gleichungen
250
4. Computer-Plots
258
5. Fragebogen zur Ermittlung statistischer Daten
in den Entente-Landern
261
6. Literaturverzeichnis
269

-
1 -
Teil l
Priori tare Beschaftigungspolitik
aIs Industrialiserungsstrategie

- 2 -
1. Prolegomena
1.1. Problemstellung
Die groBe Hoffnung der internationalen Entwicklungspolitik,
in der Dritten Welt mittels Transfer von Kapital und Tech-
nologie entscheidende Fortschritte herbeizuführen, hat sich
spatestens Ende der ersten Entwicklungsdekade -
1970 -
als
Wunschtraurn erwiesen. An die Stelle der Euphorie der sech-
ziger Jahre ist Nüchternheit oder gar Resignation getreten:
Die Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungslandern konn-
te nicht verringert, geschweige denn überbrückt werden.
Der Grund hierfür besteht nicht darin, daB zu wenig techni-
sche und Kapitalhilfe geleistet wurde. Einige der Erdël ex-
portierenden Lander verfügen heute über so viel Kapital,
daB sie sich die modernsten Fabriken errichten und führen
Iassen kënneni
statt dessen müssen sie Kapital exportieren,
da sie es im eigenen Lande noch nicht wirtschaftlich zweck-
maBig einsetzen kënneni die technisch ëkonomisch bedingte
Unterentwicklung besteht aber nach wie vor.
Offensichtlich setzt Entwicklung mehr Bedingungen voraus
aIs das Vorhandensein von Kapital, Personal und Technolo-
1
gie ). Der Fehlschlag dieser Entwicklungsstrategie bestand
- wie zu zeigen sein wird -
in der UnzweckmaBigkeit des An-
satzes. Es wurde nicht rechtzeitig erkannt, daB erst durch
die Integration der arbeitsfahigen BevoZkerung der Dritten
Welt in den EntwicklungsprozeB die gewünschten Fortschritte
erzielt werden kënnen.
Die Zeit, in der sich die Wirtschaft klassisch kapitaIi-
stisch entwickeIn, von einem Entwicklungspol langsarn urn
sich greifen konnte, scheint endgültig der Vergangenheit
1) Siehe den Besprechungsaufsatz des Verf.: Priebe, H.
(Hrsg.), Das Eigenpotential im EntwicklungsprozeB, in:
Afrika Spectrurn, Nr.
1, 1973, S.
115.

- 3 -
anzugehëren. Die sog. Massenkornrnunikation macht es heute
mëglich, den Irrglauben an ein materiell zivilisatorisches
Eldorado in der Form einer ÜberfluBgesellschaft bei allen
Bevëlkerungsgruppen der Erde zu verbreiten und zu verstar-
keni das ist eine neue Erscheinung in der Geschichte.
Eine der gravierenden Folgen dieses Phanomens ist der bis-
lang unbekannte Drang der Landbevëlkerung in die Stadte,
die internen Entwicklungspole der Dritten Welt.
Die Abwanderung nach Osteuropa, nach Amerika und Kanada,
nach Neuseeland, Australien und Afrika, die aIs AbfluBven-
t i l für die damaligen Entwicklungslander Westeuropas dien-
te, ist für die Dritte Welt heute ausgeschlossen. Teilpro-
bleme der Uberbevëlkerung und der Ballungszentren kënnen
die Entwicklungslander gegenwartig nicht nach auBen verla-
gerni sie müssen sie intern lësen.
Die Rolle, die die Entwicklungslander aIs Beschaffungs- und
Absatzmarkte für die Industrielander gespielt haben, ist in
unseren Tagen umgekehrt schwer zu inszeniereni unbedenklich
erscheint sie ohne dies nicht. Die Weltmarkte sind der
Dritten Welt nicht in dem MaBe offen, wie es ihren Bedürf-
nissen entsprache. Doch auch wenn dies der Fall ware, so
müBten die Lander erst Schritt für Schritt in den substi-
tutiven Wettbewerb hineinwachsen. Ihre Hauptprobleme las-
sen sich jedoch kaum hinausschieben, ohne daB dadurch die
momentan latente Unzufriedenheit der Bevëlkerung zu sozia-
len Eruptionen führt. Wollte die Dritte \\velt also die Ent-
wicklung primar von ihrer Integration in die Weltwirtschaft
abhangig machen und abwarten, so muB sie mit Erscheinungen
zunehmender sozialer Desintegration rechneni deutliche An-
zeichen dafür sind bereits vorhanden: gewaltsamen Macht-
wechsel hat es in der Geschichte irnrner wieder gegebeni die
Haufigkeit, mit der politische Regime in den Entwicklungs-

- 4 -
landern gewaltsam ausgewechselt werden, ist neu und deutet
auf innere Zerrissenheit hin.
Einen Ausweg hin zu einer zusammenhangenden Entwicklung
stellt das Konzept eines integrativen Strukturwandels dar:
nicht mehr eine Region ist Entwicklungspol, die Entwicklung
erfolgt global; nicht mehr eine Bevëlkerungsgruppe ist Ob-
jekt und Trager des wirtschaftlichen Wachstumsprozesses,
sondern vor allem die gesamte arbeitsfahige Bevëlkerung.
Nicht die Entwicklung solI Arbeitsplatze schaffen, sondern
umgekehrt. Das Integrationsinstrument ist der organisierte
Arbeitseinsatz. Die materiell kulturelle Konsumgesellschaft
wird dabei in Frage gestellt.
Um diese Vorstellungen zu konkretisieren, werden wir uns
eines Computermodells bedienen. Nach Forrester, dessen Si-
mulationsverfahren bei der Untersuchung angewendet werden
solI, ist ein nicht maschinell unterstützter menschlicher
Geist, der mit modernen sozialen und technischen Systemen
konfrontiert wird, nicht geeignet, dynamische Modelle, die
Veranderungen von komplexen Systemen reprasentieren,
zu
konstruieren und zu interpretieren. Forresters Ansatz ba-
siert auf einer Theori~, die wir nun skizzieren wollen.
1.2. Zum methodischen Ansatz
Gesellschaftlicher Strukturwandel ist stets ein dynamischer
ProzeB. Eine Gesellschaft kënnen wir aIs System betrachten.
Ein System ist eine Menge, ein "Komplex von Elementen ..• ,
die untereinander in Wechselwirkung stehen,,1). Diese Defi-
nition macht es mëglich, das klassische lineare Kausalsche-
ma der Ursache-Wirkungskette durch vermaschte Kausalzusam-
2
menhange ) zu ersetzen. Wir kënnen mit"Forrester behaupten,
1) Bertalanffy, L.v., Das biologische Weltbild, Bd.
1, Die
Stellung des Lebens in Natur und Wissenschaft, Bern 1949,
S. 24.
2)
Ders.: General Systems Theory - A Critical Review, in:
General Systems, Vol.
7,
1962, S.
2 •.

-
5 -
daB dynamisches Verhalten aIs Rückkopplungseffekt'zu be-
greifen ist. "Dynamic behavior is generated by feedhack.
The more complex systems are assemblies of interacting
feedhack loops,,1). Die Komplexitat2 ) eines Systems ist
also gekennzeichnet durch die Anzahl und die Verwobenheit
seiner Rückkopplungsschleifen. Gerade soziale Systeme be-
sitzen sitark vermaschte Loopstrukturen. Die Isolierung und
1
Analyse !bestimmter Einzelelemente aIs Determinanten des
dynamischen Systemverhaltens erscheint auBerst fragwürdig.
Angesichts der ineinandergreifenden Verbindungen kënnen
wir bestenfalls reagible Impulstrager tas tend herauskri-
stallisiereni das Systemverhalten aber wird stets durch
die Rückkopplungseffekte und nicht durch Einzelelemente
verursacht.
Da Gesellschaften komplexe Systeme darstellen und ihr Wan-
deI immer ein dynamischer ProzeB ist, brauchen wir zu ihrer
Untersuchung einen methodischen Ansatz, der diesem Umstand
3
Rechnung tragt. Forrester ) hat zu diesem Zweck ein Verfah-
ren entwickelt, das sich bei der Darstellung und Untersu-
4
chung komplexer Systeme aIs brauchbar erwiesen hat ). Die-
se Methode, "System Dynamics" genannt, baut auf einer Sy-
stemtheorie auf, deren Grundlagen in dem Standardwerk
"Principles of systems,,5) dargestellt sind. Wir wollen
hier nicht in Einzelheiten auf die Methodologie eingehen,
1) Forrester, J.W., Principles of Systems, 4th Printing,
Cambridge, Mass. 1969, S. 4-5.
2) Siehe die Unterscheidung zwischen einfachen, komplexen
und auBerst komplexen Systemen bei Beer, S., Kybernetik
und Management, Frankfurt 1962, S. 27 ff.
3) Forrester, J.W., Industrial Dynamics, Cambridge, Mass.
1961.
4) Siehe dazu ders., Urban Dynamics, Cambridge, Mass.
1969.
5) Ders., Principles of Systems, a.a.O., siehe auch die
deutsche Ubersetzung: Grundzüge einer Systemtheorie,
Wiesbaden 1972.
Ders., World Dynamics, Cambridge, Mass. 1971.

- 6 -
1
das ist bereits ~iederholt in anderen untersuchungen ) ge-
schehen. An dieser Stelle sollen jedoch wesentliche Ele-
mente erwahnt werden, urn u.a. Lesern, die sich nicht mit
diesem Ansatz beschaftigen, eine eingehende Auseinander-
setzung mit der Analyse zu errn5glichen; es wird sich auBer-
dem aIs zweckmaBig erweisen, an entsprechenden Stellen wei-
,
tere methodische Hinweise anzubringen, die das Verstandnis
der Untersuchung erleichtern;
System Dynamics ist ein Ansatz, der sich ausschLieBLich
mit der Theorie, den Prinzipien und Verhaltensweisen ge-
2
schLossener Systeme beschaftigt ). Wenn bei Forrester ohne
nahere Spezifikation von Systemen die Rede ist, dann sind
irnrner geschLossene Systeme gemeint. Diese Auffassung wird
im Rahmen dieser Untersuchung beibehalten.
Geschlossene Systeme kennzeichnen sich durch vier hierar-
chisch gegliederte Komponenten:
1. die Systemgrenze
(closed Boundary)
2. die Rückkopplungsschleifen
(feedback Loops)
3. die Systemzustande
(Levels)
und
4. die FluBvariablen (Rates).
Die Festlegung der Systemgrenze hangt lediglich von dem
Verhalten ab, das mit dem Modell reproduziert und verstand-
lich gemacht werden solI. Die Zielsetzung des Modells ist
also entscheidend für die Bestirnrnung der Systemgrenze. In-
nerhaLb dieser Grenze müssen sich aLLe ELemente befinden,
1)
Siehe u.a.
Zahn, E., Das Wachstum industrieller Unter-
nehmen, Wiesbaden 1970, S.
75-118;
Milling, P., Der technische Fortschritt beim Produkti-
onsprozeB, Wiesbaden 1974, S. 57-69;
Lehmann, G., Wirtschaftswachsturn im" Gleichgewicht,
Stuttgart 1975, S.
37-53;
Kurnrn, J., Wirtschaftswachsturn, Umweltschutz, Lebensqua-
litat, Stuttgart 1976, S.
18 ff.
2)
Forrester, J.W., Principles of Systems, a.a.O., S.
1-7.
Die weitere Darstellung d;~r Prinzipien dynamischer Sy-
steme basiert auf diesem Werk Forresters.

- 7 -
deren Interaktionen das zu reproduzierende Verhalten erzeu-
gen. Au~erhaZb der Systemgrenze liegen aIle Elemente, die
nicht für das zu untersuchende Systemverhalten relevant
sind.
Interaktionen zwischen ~I Innen- und AuBenelementen"
bestehen, aber sie dürfen in keiner Weise für das Unter-
suchungsobjekt relevant sein.
Diese zusammenhange sind entscheidend, um die Forderung
Forresters nach Geschlossenheit der Systemgrenze zu ver-
stehen. Eine Axiomatik muB zur Deduktion aller Folgesatze
ihres Gebietes hinreichend und notwendig sein;
ihre Basis-
satze müssen also ausreichen, um aIle mit dem Satzsystem
zusammenhangenden Deduktionen vornehmen zu kënnen; keiner
der Basissatze darf aber überflüssig, für die Deduktion
1
irrelevant sein }. Die Auffassung hinsichtlich der System-
grenze ist mit dieser Forderung der Formallogik vergleich-
bar. Die Grenze ist inbezug auf die AuBeneinflüsse "un-
passierbar", also geschlossen.
Um die feedback loops deduktiv zu ermitteln, sollen zu-
nachst die Zustands- und die FluBvariablen behandelt wer-
den; beide sind hinreichend, aber auch notwendig, um eine
Rückkopplungsschleife darzustellen.
Zustandsvariablen sind jene Systemelemente, deren numeri-
scher Wert uns zu einem bestimmten Zeitpunkt über ihren
Zustand, ihr erreichtes Niveau
(Level) Auskunft gibt. Der
Kontoauszug informiert über den Stand einès Kontos, die
Bilanz über das Vermëgensverhaltnis eines Unternehmens, die
Inventur über den Zustand eines Lagers. Levels sind also
Akkumulationen;
sie akkumulieren die ZufluB- und AbfluBva-
riablen
(Rates); sie integrieren sie. Die Neugeborenen
eines Jahres kënnen wir aIs ZufluBvariable
(Bruttozuwachs)
der Bevëlkerung eines Landes auffassen;
sie "flieBt" in die
1} Carnap, R., AbriB der Logistik, Wien 1929, S.
70 ff.

- 8 -
Zustandsvariable "Bev6Ikerung" ein. Die Sterbeziffer des-
selben Jahres stellt die AbfluBvariable dari sie "flieBt"
aus der Bev6lkerung ab.
Nach Forrester sind geschlossene Systeme Kontrollsysteme.
Die Bestimmung der FluBgr6Be
(FluBvariable), auch Aktion
genannt, ist immer eine Reaktion auf die Zielabweichung,
ermittelt aus dem Vergleich iwischen Zielvorgabe und be-
obachtetem Zielerreichungsgrad. Der gegenwartige Zieler-
reichungsgrad ist der numerische Wert der Zustandsvariable;
es handelt sich also um einen Regelungsvorgang:
Zielvorga-
be, Zielerreichungsgrad, Zielabweichung, Aktion zur Beein-
flussung des Systemzustandes. Oiese regelungstechnische
Beziehung zwischen FluB- und Zustandsvariablen wird feed-
back loop, Rückkopplungsschleife, genannt.
Aus dem gesagten geht hervor, daB Kontrollsysteme minde-
stens zwei feedback loops besitzen müssen, die die Wachs-
tums- und Schrumpfungsprozesse generieren und kontrollie-
reni geschlossene Systeme verfügen also über eine Vielzahl
von Rückkopplungsschleifen, deshalb sagt man, daB sie eine
Multiloopstruktur besitzen. Die Niçhtlinearitat der Bezie-
hungen innerhalb des Systems ergibt sich aus diesem Unstand.
Innerhalb
einer Rückkopplungsschleife kann die Veranderung
einer Variable in gleicher oder umgekehrter Richtung auf
diese Variable zurückwirken. Die Zunahme eines Verm6gens-
kontos führt bei gleichem Steuersatz zu einer Erh6hung der
Steuerabgaben; die erhohte Abgabe aber vermindert den Stand
des Verm6genskontos: die Rückwirkung ist also der Verande-
rung, die sie ausgel6st hat, konversi man spricht von einem
negativen feedback loop. Geschlossene negative Schleifen
dampfen, kontrollieren die Wachstums- und Schrumpfungspro-
zesse der positiven feedback I~OpSi diese entwickeln sich
in die gleiche Richtung und führen von einem gegebenen Sy-
stemzustand fort. Mangelhaft kontrolliertes Wachstum führt

-
9 -
zur Explosion: Bevalkerungsexplosion, soziale Explosion.
Die "gesunde" Entwicklung eines Systemzustandes hangt so-
mit von der Wirksamkeit seiner Polaritat ab.
1
Darstellungstechnisch ) reprasentieren die Rechtecke die
Zustandsvariablen, die mit "Ventil" versehenen Rechtecke
die FluBvariablen. Die Kreise stellen immer die Hilfsvari-
ablen (Auxilaries) dari aIs solche werden jene GraBen ge-
nannt, die algebraische Bestandteile der FluBvariablen
sind.
Ein Vermagenskonto bei einer Bank kann durch drei Entnahme-
arten vermindert werden: die Entnahmen des Kontobesitzers,
die Bankgebühren und die Vermegenssteuer. Damit diese ein-
zelnen Informationen deutlicher hervortreten, ist es zweck-
maBig, die drei Entnahmearten durch drei Kreise (Hilfsvari-
ablen) darzustellen und mit dem ventilartigen Symbol der Ab-
fluBvariable zu verbinden. Durch die Addition der drei Hilfs-
variablen wird der numerische Wert der Rate ermittelt. Die
Richtung des Pfeils bedeutet, wie bei A--~B, daB die GreBe
A benetigt wird, um B zu quantifiziereni A determiniert also
B. Ist der Strich durchgehend: A
. . B, so wird damit bei
symboZischer DarsteZZung zum Ausdruck gebracht, daB A in B
einflieBti A ist dann nach strenger Darstellung Forresters
1) Siehe die nachstehende symbolische Darstellung.
1
2
Zustands-
FluBvariable
variable
Z FluBvariable bei 0-----A··--........~0
Identitat zwischen Quelle
Senke
Hilfsvariable und
FluBvariable (Bild 2)

-
10 -
immer eine F1uBvariab1e, Beine Zustandsvariab1e. Werden A
und B jedoch durch ihren Namen in einem F1uBdiagramm darge-
ste11t, so hat der durchgehende Strich diese1be Bedeutung
wie die gestriche1te Linie des Pfei1s, a1so A bestimmt B.
Die wo1kenartige Symbo1ik, von der ein Pfei1 wegführt, wird
Quelle genannt;
führt der pfei1 zu dem Symbo1 hin, heiBt
das Gebilde Senke. Quelle und Senke befinden sich auBerha1b
des. Systems bzw. des 100ps. Für die Bevë1kerung eines Landes
ist der Friedhof eine Senke, die Lander, aus denen Zuwande-
rungen kommen, sind Que11en. Ein Sparkonto vermehrt sich in-
tern durch den Zins, extern
(Quelle)
durch neue Ein1agen.
Entnahmen führen zu Ausgaben, die a1s Senken bezeichnet wer-
den kënnen.
Der kurze AbriB soll zeigen, daB System-Dynamics-Mode11e
zwar Simu1ationsmode11e sind, aber auf einer Theorie ge-
sch10ssener Systeme basieren. Dieser Aspekt des Ansatzes
verdient besonders hervorgehoben zu werden. Erst wenn em-
pirisch re1evante Kenntnisse darüber vor1iegen, wie sozia1e
Systeme strukturiert sind, kënnen solche Systeme adaquat ab-
gebi1det und rechenbar gemacht werden. Dazu ist die Suche
nach Theorien fundamenta1,
aber auch ebenso die Uberprüfung
dieser Theorien. Das instrumenta1istische Simu1ationsverfah-
ren, das Forrester mit seiner Theorie zug1eich ge1iefert
hat, dient der Anwendung und damit auch der Prüfung. Wesent-
liche Aspekte dieses Verfa~rensmüssen a1s prob1ematisch an-
1
gesehen werden, so z.B. dîè Bewertungsfunktionen ). Bei al-
/'"
-
1er kritischen Ha1tung ~~tieh1t eS,sich, zwischen der Theo-
rie und ihrer Anwendungsverfahren zu unterscheiden.
.
,
1)
Siehe dazu auch: Maier, 'H. 4n~Fiû.gger, W., Invariante
Strukturen der Prognosekurven in Forresters "\\'J'or1d Dy-
namics",
in: Betriebswirtschaft1iche Forschung und Pra-
xis,
25. Jg.,
1973, S.
181 ff., besonders S.
184.

-
11 -
1.3. Geographischer Geltungsbereich der Untersuchung
Den geographischen Rahmen dieser Arbeit bilden fünf Lander
Westafrikas, die sich zu einer wirtschaftspolitisch losen
Gruppe zusammengeschlossen haben.
Seit dem 6. Marz 1957, dem Geburtstag eines unabhangigen
schwarzafrikanischen Staates ~ Ghana - gibt es in Afrika
1
südlich der Sahara verschiedene Ansatze ), politisch und
wirtschaftlich lebensfahige Raume zu schaffeni
so entstan-
den die Mali-Fëderation, die Monroviagruppe, die OACM, der
East African Common Market. Le Conseil des Pays de l'Enten-
te, wie die Gemeinschaft der zu untersuchenden Staaten be-
zeichnet wird,
zahlt seit 1959 zu diesen Ansatzeni der En-
tente gehëren die Lander Dahomey, die Elfenbeinküste, Ni-
ger, ObervoltA und Togo an.
Diese fünf Lander besitzen mit anderen westafrikanischen
Staaten eine gemeinsame Zentralbank, die Banque Centrale
des Etats de l'Afrique de l'Quest
(BCEAO)i sie ist allein
verantwortlich für die Emission der gemeinsamen Wahrung
Franc des Communautés Financières Africaines
(FCFA)2) •
Die Verwaltungssprache Franzësisch stellt für sie ebenfalls
eine Gemeinsamkeit dari
sie geht auf ihre Kolonialzeit zu-
rück.
Die fünf Lander des Conseil de l'Entente bilden somit eine
gewisse kulturelle Einheit mit gemeinsamer Geschichte, Spra-
che, Wahrungi auch ihre politischen Institutionen sind ein-
ander ahnlich. Sieht man von Ghana ab, gehëren sie auch fla-
chenmaBig zusammen. Wie die Landkarte zeigt, stellt die En-
1)
Siehe dazu: Ki-Zerbo, J., Histoire de l'Afrique, Paris
1972, S.
618 ff.
2)
Diese unverandert geblieben~ Abkürzung FCFA erhalt zum
dritten Mal eine neue Bedeutungi bei früheren politischen
Konstellationen hieB es: Kranc des Çolonies Krançaises
bzw. Franc des Communautes Francaises Africaines:
)

-
12 -
Die Entente-Lander 1 )2)
, Libyen
\\
Algerien
"
Tschad
Tschadsee
Aquator
1) MaBstab:
1 :
40.000.000 mit nochmaliger Verkleinerung
auf dem Gerat RANK XEROX 7000, Stufe 3.
2)
1 - Niger mit der Hauptstadt Niamey (schwarzer Punkt)
2 - Obervolta mit der Hauptstadt Ouagadougou
3 - Elfenbeinküste, Hauptstadt: Abidjan
4 - Togo, Hauptstadt: Lomé
5 - Benin (Dahomey), Hauptstadt: Cotonou
= - Ghana, Hauptstadt: Accra
G: Guinea, Hauptstadt: Conakry
L: Liberia, Hauptstadt: Monrovia

-
13 -
tente eine Art Querschnitt Schwarzafrikas dari
ihre knapp
2
zwei Millionen km
-
siehe Tabelle 1 -
reichen von der WÜ-
ste Sahara (Niger) bis zum tropischen Regenwald
(Elfenbein-
küste).
Tabelle 1: 1) Entente: Einzelindikatoren/1970
Dahomey
Elfenbein-
Niger
Obervolta
Togo
Entente
kUBte
FllIche/qkm
112600
322460
1189000
274000
55600
1954860
Bev61kerunq
2430603,2
5042100
3992375
5395400
2000000
18860478
Dichte
21,58
15,63
3,35
19,67
35,33
9,6
Landbev61kerunq
75 ,
80 ,
85 ,
80 ,
75 ,
79 ,
Blldunl)
30'
20 ,
15 ,
15 ,
30 ,
22 ,
BIP (Hio/DM)
501,714
11240
1002
816,804
748,5
2861,8036
lojRBIP
2,6 ,
6,0 ,
2,5 ,
2,4 ,
5,0 ,
3,7 ,
WRB
2,8 ,
2,9 ,
2,5 ,
1,8 ,
2,6 ,
2,25 ,
BSP/rr.
204,35
1959,50
239,02
106,06
370
575,78
Die Struktur der Landbevëlkerung und der Bildungsstand der
einzelnen Lander sind ebenfalls ahnlich.
Es liegt nahe, anzunehmen, daB hierdurch eine Basis gege-
ben ist, auf der sich eine wirtschaftliche und politische
Gemeinschaft aufbauen laBt. Da die Hauptstadte Cotonou,
3
Abidjan, Niamey, Ouagadougou und Lomé ) aIs Zentren der
modernen wirtschaftlichen Entwicklung fungieren, hatte
ein ZusammenschluB der engen Nationalmarkte eine investi-
tionswirksame Reduzierung der Nachfragelücke zur Folge,
1)
Zusammengestellt aus verschiedenen Quelleni u.a. Les
Conditions d'installation d'entreprises, industrielles
dans les états africains et malgaches associés, vol.
8,
hrsg. von der Commission des Communautés Européennes,
für aIle fünf Lander, Bruxelles 1972. Etudes Générales
sur les Economies Africaines, Tome 3, hrsg. vom Fonds
Monétaire International, Washington 1970, siehe auch
die angeführten FÜnf-Jahres-Plane.
Die Abkürzungen bedeuten:
BIP:
Bruttoinlandsprodukt
WRBIP:
Wachstumsrate des BIP
WRB:
Wachstumsrate der Bevëlkerung
BSP/K:
Bruttosozialprodukt'pro Kopf
2) Anteil der Bevëlkerung, die lesen und schreiben kann.
3) Franzësische Schreibweise.

-
14 -
die Hauptursache des langsamen Wachsturnsprozesses in die-
sem Raurn.
Betriebe, die bisher vlegen der Marktenge nicht
entstehen konnten, kënnen nun durch den ZusarnrnenschluB er-
richtet werdeni die Verkehrsbedingungen sind hier kein Hin-
dernisi die Hauptstadte sind auf dem Land- und Luft- bzw.
auf dem Wasserweg miteinander verbunden.
Die bestehenden Verteilungsnetze und -einrichtungen, die
die Exportgüter nach Afrika durchlaufen, kënnen zurn Teil
transferiert werden, aber dafür ist die Verlegung der ent-
sprechenden Produktionsstatten ebenfalls notwendig.
Solan-
ge keine ausreichende Nachfrage in den Entente-Landern vor-
liegt, werden die Sondervergünstigungen der Investitions-
gesetze und das niedrige Lohnniveau nicht die erhoffte Mo-
tivation bei den auslandischen Unternehmern auslësen, in
Afrika selbst zu produzieren. Eine Ausnahme stellt der Fall
dar, daB die herzustellenden Produkte in die Industrielan-
der reexportiert werdenkënnen.
Politische Rivalitaten personeller und nationaler Art ste-
hen dieser Perspektive entgegen. Um ihre entwicklungspoli-
tischen Ziele zu erreichen, sind die Entente-Lander minde-
stens vorlaufig gezwungen, den Ausbau des Inlandsmarktes
entschieden voranzutreibeni und dies ist, wie wir zeigen
werden, nur durch die Integration der arbeitsfahigen Bevël-
kerung in den EntwicklungsprozeB mëglich.
2. Die Industrialisierung aIs entwicklungspolitisches Ziel
der Dritten Welt
2.1. Entwicklung,
Industrialisierung und Fortschritt
Ziel aller Lander der Dritten Welt ist die Entwicklung,
oder anders ausgedrückt, es gibt kein Land in Afrika,
Asien und Lateinamerika,
ja ps gibt heute in der ganzen
WeI t, kein Land, das sich ni~, _ ,-_ltwickeln will. Was ist

-
15 -
nun Entwicklung? Wir kënnen Entwicklung definieren aIs die
quantitative und/oder qualitative Mehrung bzw. Herbeifüh-
rung von etwas. Wenn von Entwicklung einer Gesellschaft ge-
sprochen wird, dann ist immer das Wachsen und Fortschrei-
ten, das Hinzutreten bestimmter Tatbestande gemeint. So
1
verstanden ist Entwicklung mit Fortschritt identisch ):
sich entwickeln heiBt Fortschritte erzielen und umgekehrt.
Wir kënnen deshalb sagen, daB die Entwicklungslander fort-
schrittlich sein, d.h. bestimmte Gegebenheiten in der Drit-
ten Welt herbeiführen, bzw. quantitativ oder qualitativ
mehren wollen.
Dieser Fortschrittsgedanke -
zu unterscheiden vom Fort-
schrittsglauben -
kann eine ganze Gesellschaft erfassen
und durchdringen.
In diesem Sinne, so behaupten wir mit
Behrendt, ist Entwicklung "eine in der gesamten menschli-
chen Erfahrung neue Erscheinung, gebunden an die Ersetzung
sozialer Statik durch soziale Dynamik, die sich seit der
Renaissance im Westen vorbereitet und seit der industriel-
len Revolution durchgesetzt hat"2). Es ist vielleicht die-
se Einstellung zum Fortschritt aIs gewolltem und permanen-
tem ProzeB, die am zweckmaBigsten eine offene und moderne
Gesellschaft von einer geschlossenen und traditionellen
Gesellschaft unterscheiden kann.
1) Diese Identitat postuliert Mühlmann, wenn er schreibt:
"Der Begriff des Fortschritts ist hier . . . zu verstehen
aIs Fortschreiten eines konkreten, isoliert betrachte-
ten Entwicklungsprozesses . . . 11 Siehe dazu: Mühlmann,
W.E., Homo Creator, Abhandlungen zur Soziologie, Anthro-
pologie und Ethnologie, Wiesbaden 1962, S.
254.
Die Gleichsetzung von Entwicklung und Fortschritt braucht
nicht aufgegeben zu werden, wie Mühlmann es an anderer
Stelle tut, wenn es darum geht, die Zusammenhange zwi-
schen Fortschritt und Entwicklung zu untersucheni siehe
dazu: Mühlmann, W.E., Rassen, Ethnien, Kulturen, Moderne
Ethnologie, Neuwied 1964, S.
354.
2)
Behrendt, R.F., Entwicklung aIs sozialwissenschaftlicher
Begriff, in: Schweizer Mo~~~shefte, Nr.
11, S. 992-1001,
S. 999 f.

-
16 -
1
Seit ogburn ) wissen wir, daB eine Gesellschaft sich nicht
in allen Bereichen gleichmaBig entwickelti wahrend einige
Teilbereiche sehr fortschrittlich sind, bleiben andere weit
zurücki auf diesem Sachverhalt baute Ogburn seine Theorie
des "cultural lag" aufi die Entwicklung einer Gesellschaft
vollzieht sich also nicht total, ganzheitlich, sondern nur
schwerpunktmaBig. Uber die Art und Weise, wie sich derarti-
ges kristallisiert, gibt es nur Vermutungen.
Wir wissen jedoch, daB der Mensch biologische und soziale
Bedürfnisse hat, die er befriedigen mu~~ um physisch zu
existiereni nicht aIle Bedürfnisse des Menschen tragen die-
sen Charakter einer naturgesetzlichen Bedingtheit. Kann er
aber diejenigen, die für ihn existentiell notwendig sind,
nicht in einem bestimmten AusmaB befriedigen, geht er zu-
grunde: er hërt auf, physisch zu existieren.
Wir wollen in diesem Rahmen von existentiellen Bedürfnissen
2
sprechen. Malinowski bezeichnet sie aIs Imperative ). Eben-
so wie der Mensch hat jede Gruppe,
jede Gesellschaft derar-
tige Imperative, also existentielle Bedürfnisse, die eben-
falls in einem bestimmten AusmaB befriedigt sein müssen, da-
mit diese Entitat physisch, d.h.
real existieren kann. Die
"Vitalablaufe", wie Malinowski den Fortgang von der Bedürf-
nisauBerung
(Impuls)3)
bis zu seiner Befriedigung nennt,
"bilden Kristallisationspunkte für eine Anzahl von Kultur-
prozessen,,4) •
1) Ogburn, W.F., Social Change, with Respect to Culture
and Original Nature, New York 1923, S. 200 ff.
2)
Siehe zu diesen Ausführungen: Malinowski, B., Eine wis-
senschaftliche Theorie der Kultur, und andere Aufsatze,
Frankfurt/M.
1975, bes. S.
109-172 •.
3) Ebendort, S.
111.
4) Ebendort, S.
118.

- 17 -
Der Mensch muB Aktivitaten entfalten, um diese Ablaufe in
Gang zu bringen und zu gestalten. Dabei hangt die Tragweite
seines Erfolges vom AusmaB des Einsatzes quantitativen oder
qualitativen Wissens ab.
Deshalb kënnen wir heute mit GewiBheit behaupten, daB erst
das Wissen,
in welcher Form auch immer, dem }1enschen die
Mëglichkeit erëffnet, gezielt und effektiv zu wirken. Dies
hat sich nirgendwo so eindrucksvoll gezeigt wie bei der Ent-
wicklung des naturwissenschaftlichen technischen Fort-
schritts und seiner Anwendung vor allem auf die Gestaltung
des Wirtschaftsprozesses. Es gibt im heutigen Sinne keine
moderne Gesellschaft, in der nicht der organisatorische und
naturwissenschaftliche Fortschritt die tragende Saule ware.
Kultureller Hiatus
(Mühlmann)
in einem vitalen Bereich kor-
reliert immer in hohem MaBe mit mangelndem Wissen in diesem
Sektor.
Wer sich also für Entwicklung entschieden hat, hat sich zu-
gleich auch für den Fortschritt des Wissens in dem zu ent-
wickelnden Bereich entschieden. Diese Feststellung ist vor
allem für die Zukunft der Entwicklungslander wesentlich: es
wird nirgendwo in der Dritten Welt etwasEntscheidendes ge-
1
schehen ohne den Einsatz von Wissen ).
Wenn wir unter Industrialisierung eine spezifische Art der
2
Produktion und Distribution von Gütern verstehen ), dann
ist sie nur ein Teilbereich des Entwicklungsprozesses einer
Gesellschaft.
lm Rahmen'des systemanalytischen Ansatzes
müssen wir annehmen, wie die Skizzierung der Charakteristi-
ka geschlossener Systeme gezeigt hat, daB die verschiedenen
1)
lm nachsten Absatz -
2.2. - werden wir zu zeigen suchen,
unter welchen Bedingungen der Erwerb bzw. die Entwick-
lung von Wissen zur Dynamisierung einer Gesellschaft
mëglich ist.
2)
Diese Definition wird spater - Absatz 2.2. - prazisiert
werden.

-
18 -
Bereiche einer Gesellschaft miteinander verflochten sind
und in Wechselwirkung stehen.
Wir werden im nachsten Absatz zu zeigen haben, inwieweit
die Industrialisierung lebenswichtige Sektoren der gesell-
schaftlichen Entwicklung entscheidend mitbeeinfluBt und
aus diesem Grunde für die Entwicklungslander eine Notwen-
digkeit darstellt.
Es praucht heute nicht mehr nachgewiesen zu werden, daB In-
dustrialisierung und Fortschritt des Wissens auf das engste
miteinander verbunden sind: die industrielle Revolution be-
gann mit einem noch nie dagewesenen technischen Fortschritt:
Der Fortschritt des Wissens, von dem alle Entwicklung ab-
hangt, bleibt also das Fundament, auf dem die Industriali-
sierung aufbaut. Kënnen wir diesen SchluB umkehren und fol-
gende Frage stellen:
Ist Industrialisierung die tragende
Saule des Wissensfortschritts und damit der eigentliche
Schlüssel zur Entwicklung?
2.2. Zur Notwendigkeit der Industrialisierung in Entwick-
lungslandern
Industrialisierung haben wir zunachst definiert als eine
spezifische Art der Produktion und Verteilung von Güterni
charakteristisch hierfür, d.h. das Spezifische an dem In-
dustrialisierungsprozeB, ist das Fortschrittsdenken: die
laufende Verbesserung von Produktion und Distribution wird
zur Forderung erhoben. Aus dieser Einstellung heraus resul-
tiert die Notwendigkeit zum Einsatz von immer mehr Wissen
1
in qUantitative~ oder qualitativer Hinsicht ); der ProzeB
ist nie abgeschlossen. Dort, wo eine derartige Einstellung
fehlt, soll in diesem Rahmen nicht von Industrialisierung
die Rede sein.
1) Es sei hier nachdrücklich darauf hingewiesen, daB bewuBt
nicht von technischem Fortschritt gesprochen wird; tech-
nischer Fortschritt ist ja nur eine Form des Wissens
überhaupt.

-
19 -
Diese Definition macht es aber moglich, von einer Industri-
alisierung der Landwirtschaft, der Rohstoffgewinnung, des
Dienstleistungssektors zu sprechen: die Einsicht in die Not-
wendigkeit des Einsatzes von zunehmendem Wissen ist ent-
scheidendes Kriterium dafür. Die Frage, wie die Industria-
lisierung entstanden sein mag,
interessiert uns hier nicht;
fest steht, daB sie heute ein unabdingbares konstitutives
Element unseres Wirtschaftssystems darstellt. Die Frage,
die uns in diesem Rahmen bewegt, wurde bereits gestellt:
Ist die Industrialisierung eine Notwendigkeit für den lau-
fenden Wissensfortschritt?
2.2.1. Industrialiserung und Erkenntnisfortschritt
1
Nach v. Gottl-Ottlilienfeld ) gibt es ein vierstufiges Wech-
selverhaltnis zwischen Wirtschaft und Technik. Die erste
dieser gegenseitigen Beeinflussungen kommt darin zum Aus-
druck, daB die Technik ihre Aufgaben aus dem Wirtschafts-
2
prozeB bezieht:
"Aus der Produktionsaufgabe
) leitet das
technische Wirken die technische Aufgabe ab, die es zu 10-
3
sen hat"
). Dies bedeutet keineswegs, wie uns das zweite
Wechselv~rhaltnis zeigen wird, daB Erkenntnisfortschritt
ausschlieBlich dur ch eine Produktionsaufgabe induziert wird:
es gibt eine Fülle von zufalligen Entdeckungen, die der Pro-
duktion neue Aufgaben stellen. Nimmt man aber die Aktions-
bezogenheit der Wissensvermehrung an, so ist unverkennbar,
daB mit zunehmender Komplexitat der Produ~tionsstrukturen
und Funktionsmechanismen einer Gesellschaft der Impuls zur
Gewinnung von Wissen zunimmt. Mehr noch, wir machen uns die·'
se Auffassung der Interessenbezogenheit aller Erkenntnisse
1) Gottl-Ottlilienfeld, F. v., Wirtschaft und Technik, in
der Reihe: GrundriB der Sozialokonomik,
II. Abteilung,
II. Teil,
2. neubearbeitete Auflage, Tübingen 1923, sie-
he vor allem S.
17 ff.
2)
Gesperrt im Original, siehe FuBnote 3.
3) Gottl-Ottlilienfeld, F. v., Wirtschaft und Technik,
a.a.O., S.
16.

-
20 -
1
zu eigen ) ur rl behaupten mit Stachowiak, daB die "General-
intentionen" des Erkenntnisfortschritts sind:
"AuBere Da-
seinsbewAltigung, Beherrschung der Natur, Umbildung der
Welt zur Lebensdienlichkeit einerseits, planerische Gestal-
tung gesellschaftlicher Innovationen in der Auseinanderset-
zung mit den Umweltgegebenheiten andererseits,,2).
In diesem
Sinne gehen aIle Erkenntnisse -
auch die zufAlligen - auf
unsere Bedürfnisse zurück. Um dies zu verstehen, müssen wir
die Frage beantworten, wie der Mensch darauf kam, nach Wis-
sen zu suchen. Wir finden bei Gehlen eine plausible ErklA-
rung: nach vollzogener Handlung und ausgeführtem Verhalten
stellt der Mensch im Nachhinein, d.h.
"sekundAr"3)
fest,
daB Wissen zweckmABig ist. Diese Antwort provoziert eine
andere Frage, nAmlich wie das, was sich spAter aIs Wissen
erwiesen hat, entdeckt wurde. Wir wôllen hierbei nicht von
der Zufallshypothese, sondern von der Annahme eines angebo-
4
renen Probier- bzw. Neugierverhaltens ) beim Menschen aus-
gehen. So kënnen wir verstehen, warum der Mensch im Umgang
mit unbekannten NaturphAnomenen das Objekt beriecht, benagt,
betastet, hebt, wirft,
zerschlAgt, an einem anderen Gegen-
stand reibt, biegt, ins Wasser, ins Feuer legt und die je-
5
weilige Reaktion verfolgt und registriert ) .
1) Siehe dazu White, M.G., Toward reunion in philosophy,
Cambridge, Mass.
1956, S.
284, zitiert nach Stachowiak,
H., AIIgemeine Modelltheorie, Wien, New York 1973, S.
2)
~~~chowiak, H. AIIgemeine~~~~~ie, a.a.O., S. 53.
3)
Siehe dazu Gehlen, A., NI~~
ewuB~~lturanthropologi­
sche Kategorien, in:
zer~~~kft fü 'c~hilosophische For-
schung , Bd.
IV,
1950, S., J3i3~;
~?
4) Vgl.
Scheler, M., probleme,einer SQ~"-'logie des Wissens,
in Scheler, M., Hrsg., Versuçhe z
er Soziologie des
Wissens, München und Leip2ig -
4'e~·. 52 f.
5)
Siehe dazu: Pfeiffer, W., Àl1gëft\\'é?±ne Theorie der techni-
schen Entwicklung aIs Grundlage einer Planung und Pro-
gnose des technischen Fortschritts, Gëttingen 1971, S.
81, FuBnote 17.

-
21 -
DurchProbieren kam der Mensch also auf das, was wir Wissen
nenneni man probiert aber nur aus Interesse, d.h. erst wenn
bzw. weil nach· Mëglichkeiten der Daseinsbewaltigung gesucht
wird. Diese Aussage findet ihre Bestatigun~ in der Feststel-
lung, daB die Entlastung von einem Lebensdruck eine unab-
dingbare Voraussetzung für die Ingangsetzung des Probier-
1
verhaltens ) darstellt. Anstatt von Lebensdruck kënnen wir
auch von Bedürfnis sprechen, da die "Lebensnot"2)
aus dem
3
Spannungsverhaltnis zwischen Bedarf und Deckung resultiert ).
In'diesem Sinne ist das Bedürfnis "the mother of inven-
tion"4) i bei dieser AUSsage braucht die zufallige Entdek-
kung nicht ausgeschlossen zu werden, denn sie wird ja erst
durch Probieren, Experimentieren zum Wissen deklariert: das
Beriechen, Betasten, Reiben, Biegen, dient ja nur der Fest-
stellung:
"was ist das, was kann man darnit anfangen?"
Die zweite Wechselwirkung zwischen Technik und Wirtschaft
besteht darin, daB aus dem pragmatischen Erkenntnisreper-
toire technische Informationen für die Wirtschaft abgelei-
tet werdeni
technisches Wissen zeigt an, was, wie und in
5
welchem Umfang technisch mëglich, d.h. machbar ist ).
Diese Beziehung interessiert uns in dieiem Rahmen wenigi
anders jedoch das dritte Wechselverhaltnis, daB die Entwick-
lung der Technik nach wirtschaftspolitischen Gesichtspunk-
ten lenkt. Gottl-Ottlilienfeld spricht von wirtschaftlicher
6
Orientierung der Technik ). Mit anderen Worten: der Erkennt-
1) Lorenz, K., Psychologie und Stammesgeschichte, in:
Lorenz, K., Vom Weltbild des Verhaltensforschers,
München 1968, S.
72.
2)
Siehe dazu Gottl-Ottlilienfeld, F. v., Wirtschaft und
Technik, a.a.O.,
S.
11.
3) Gottl-Ottlilienfeld, F.
v., Wirtschaft und Technik,
ebendort.
4) Ogburn, W.F., Social Change, a.a.O., S.
379.
5)
Siehe dazu Gottl-Ottlilienfeld, F.
v., Wirtschaft und
Technik, a.a.O., S.
17
6)
Gottl-Ottlilienfeld, F. v., Ebendort, für die weitere
Argumentation siehe die Seiten 17-20.

-
22 -
nisfortschritt aIs Mehrung des technischen Wissens an sich
ist kein Kriterium für seinen Einsatz im Produktions- und
Verteilungspro'zeBi er " muB mit ëkonomischen MaBen gemessen
werden, denn wirtschaftliche Erwagungen sind dafür maBge-
bend, ob eine technologische Neuheit im Leistungserstel-
lungs~rozeB
1
eines Unternehmens verwertet wird"
). Wir kën-
nen allgemein den SchluB daraus ziehen, daB die Anwendung
des technischen Wissens einem gesellschaftlichen Siebungs-
prozeB unterworfen ist. Dieser SelektionsprozeB ist ein
Sanktionsmechanismus zur Orientierung derjenigen, die be-
rufen sind bzw. sich aufgefordert fühlen, nach Wissen zu
suchen:
"Gutes" wird gefërdert,
"UnzweckmaBiges" unterbun-
den bzw. auBer acht gelassen, mindestens zeitweilig. Somit
erweist sich die Querele zwischen denjenigen, die gesell-
schaftliche Orientierung der Forschùng fordern und denje-
nigen, die sie abzulehnen scheinen, letzten Endes aIs ein
Streit über die Trager der Auswahl und ihre Entscheidungs-
kriterien. Sanktioniert wird in dem hier gemeinten Sinne
ja immer.
Somit hangt der Erkenntnisfortschritt in einem entscheiden-
den AusmaB von den Mëglichkeiten seiner Anwendung ab. Die-
ser Sachverhalt resultiert aus dem Grundprinzip der Infor-
mationsgewinnung, also dem " me thodischen Fundamentalprinzip "2) ,
wonach eine Aussage erst dur ch die nprUfung n3 )
••• liaIs
4
Entdeckung entdeckt, aIs Erkenntnis erkannt wird"
). Wenn
aber erst durch die Prüfung ein Einfall, ein Vorfall aIs
1) Kortzfleisch, G. v.,
Zur mikroëkonomischen Problematik
des technischen Fortschritts, in: Kortzfleisch, G. v, '
Die Betriebswirtschaftslehre in der zweiten industriel-
len Evolution, Berlin 1969, S.
329.
2) Pfeiffer, W., AIIgemeine Theorie der technischen Ent-
wicklung, a.a.O., S. 44.
3)
lm Original hervorgehoben, siehe FuBnote 4.
4)
Popper, K.R., Logik der Forschung, 4. verbesserte Aufl.,
1971, S. 7.

-
23 -
Erkenntnis entneckt wird, 50 ist es eine logische Folge-
rung, daB EinLdlle, Vorfalle, Aussagen 50 ausgedrückt wer-
den müssen, daB sie einer Prüfung unterworfen werden kën-
nen, wenn weitere Erkenntnisse entdeckt werden sollen; das
ist die Grundforderung der Erkenntnislogik, für die sich
1
Popper und seine Mitstreiter ) 50 leidenschaftlich einge-
setzt haben.
Wegen ihrer Komplexitat und Mehrdimensionalitat stellt eine
Industriegesellschaft ein Vorzugsfeld für die Prüfung von
Aussagen dari
je haufiger und eingehender diese Prüfung
stattfindet, desto grëBer sind die Mëglichkeiten der Ent-
deckung von Wissen.
In diesem Sinne bietet die Industria-
lisierung einen fruchtbaren Boden für den Erkenntnisfort-
schritt; es gibt keine Industrieges~llschaft, die nicht in
dem hier gemeinten Sinne fortschrittlich ware und keine
fortschrittliche Gesellschaft, die nicht industrialisiert
ware. "So ist in doppelter Weise die Wirtschaft an die Tech-
nik gebunden: sie verdankt ihrden AufschluB über die Mëg-
lichkeiten und das Um und Auf der Produktion, aber auch der
letzteren Umsatz in die Wirklichkeit. Daneben hangt gleich-
falls in doppeltem Sinne die Technik an der Wirtschaft und
wird von ihr beeinfluBt. Sie dankt ihr -
in Gestalt der Pro-
bleme -
die Grundlage zum eigenen Aufbau, aber auch die
Richtschnur,
ihn zu vollenden ll2 ) •
1) VgI. u.a. Topitsch, E., Logik der Sozialwissenschaften,
2. Aufl., Këln, Berlin 1965.
Albert, H., Theorie und Realitat, Tübingen 1964.
Albert, H., Traktat über kritische. Vernunft, Tübingen
1968.
i
Albert, H., Pladoyer für kritischen Rationalismus,
München 1971.
Albert, H., Konstruktion und Kritik, Hamburg 1972.
2) Gottl-Ottlilienfeld, F. v., Wirtschaft und Technik,
a.a.O., S.
20; es sei an dieser Stelle vermerkt, daB
der Verf. diese Beziehungen zwischen Wirtschaft und
Technik bereits in einem früheren Werk dargestellt hat:
Gottl-Ottlilienfeld, F. v., Wirtschaft und Wissenschaft,
2. Bd., Jena 1931, S. 1410-1425.

-
24 -
Man erkennt aus die sem Resümee die vier te Wechselbeziehung
zwischen Wirtschaft und Technik: erst das technische Wis-
sen ermëglicht die Realisierung der wirtschaftlichen Ent-
scheidungen.
Wir fassen zusammen:
Erstens:
Alles Wissen wird erst àurch Probieren aIs Wis-
sen erkannt.
Zweitens:
Probierverhalten, aus dem heraus wir die Umwelt
erkunden, geschieht zur Bedürfnisbefriedigung.
Drittens:
Probierverhalten ist ein Suchverhalten.
Viertens:
Dieses Suchverhalten geschieht zur Bedürfnisbe-
friedigung,
das ist eine logische Konsequenz
aus dem zweiten und dritten Punkt gemaB dem
ersten Axiom aus den Euklidschen Elementen:
was demselben gleich ist, ist auch einander
gleich.
Fünftens:
Erfolgreiche Suchbereiche werden am starksten
ausgebaut, und zwar vor allem dann, wenn die
Sucherfolge Bedürfnisse befriedigen, die einem
besonderen "Entlastungsdruck"
(Lebensnot)
ent-
springen.
1
Aus psychologischen untersuchungen ) ist uns bekannt, daB
der Erfolg aIs Verstarker eine ungeheure Leistungsaktivi-
tat auslëst. Der Mensch hat auf keinem anderen Gebiet so
2
viel Leistungswissen ) hervorbringen und· anhaufen kënnen,
1) Siehe auch eine zusammengefaBte Darstellung der Lern-
theorie unter die sem Aspekt bei Correl, W., Padagogi-
sche Verhaltenspsychologie, München 1965.
Siehe auch: Holland, G.J. und Skinner, B.F., The Ana-
lysis of Behavior, New York 1961.
2)
Siehe dazu Scheler, M., Die Wissensformen und die Ge-
sellschaft, 2. durchgesehene Aufl., Berlin, München
1960, S.
29, auch S. 205 ff.

-
25 -
wie im Bereich der Naturwissenschaften in ihrer engen Ver-
Verbindung mit dem IndustrialisierungsprozeB. Entscheidend
fUr diese Entwicklung ist, sa glauben wir jedenfalls, daB
die Industrialisierung, die Produktion und Verteilung von
GUtern durch den Einsatz von immer mehr und immer effekti-
verem Wissen, dem fundamentalen Erkenntnisgrundsatz ent-
spricht und damit einen brauchbaren Rahmen fUr Erkenntnis-
fortschritt und gesellschaftiiche Veranderung darstellt.
Wer sich fUr Entwicklung entscheidet, so haben wir festge-
stellt, muB sich fUr Erkenntnisfortschritt entscheiden, da
Entwicklung am zweckmaBigsten dur ch Wissen gesteuert wer-
den kann. Wenn aber die Industrialisierung einen gUnstigen
Rahmen fUr die Mehrung von Wissen darstellt, so folgt dar-
aus, daB Lander, die sich entwickeln wollen, sich fUr die
Industrialisierung entscheiden kënnen. Sie mUssen jeden-
falls einen gesellschaftlichen Bereich aussuchen,
in wel-
chem die Anwendung von Entdeckungen im Sinne der PrUfung
von Wissen und damit der Erkenntnisfortschritt mëglich ist.
Dieser PrUfungsrahmen muB nicht die Wirtschaft, d.h.
im
eigentlichen Sinne die industrielle Produktion seini man
kënnte auch vom Gesundheitssektor,
ja von der Religion aus-
,
gehen.
Die Welt verdankt dem Orient die Entstehung aller sogenann-
ten Weltreligionen: keine dieser Religionen ist in Afrika,
in Amerika oder in Europa entstanden. Dieser religiëse Rah-
men diente dem Orient als eine besondere" Quelle geistiger
Einfalle. Nirgends ist die soziale Stratifikation so aus-
gepragt wie in dieser Region der Welti
ihre am weitesten
ausgebaute Form ist das Kastensystem im hinduistischen In-.
dien. Es gibt eine Reihe naturwissenschaftlicher Erkennt-
nisse, die aus religiësen Vorstellungen hervorgegangen
sind. Aber wegen der mangelnd~n RUckkopplung zwischen Phy-
sik und Metaphysik kann die Religion nicht als Experimen-
tierfeld der Erkenntnissgewinnung dienen: die Metaphysik

-
26 -
ist absolut. Wie weit sie aIs Phantasiewelt uns für neue
Erkenntnisse beflügeln kann, ist nicht eindeutig nachzu-
weisen. Die Geschichte liefert eine Reihe von Beispielen,
die bezeugen, wie oft religiase Tabus der Erkenntnisgewin-
nung im Wege standen.
Jedenfalls bleibt die Industrialisierung aIs Testfeld für
Erkenntnisfortschritt und damit für wirtschaftliche und
gesellschaftliche Veranderungen offen. Die Entwicklungs-
lander kannen diesen Weg einschlagen, bis uns neue Expe-
rimente aus anderen Lebensbereichen von ihrer Hebelwir-
kung für den Wandel überzeugen.
2.2.2.
Industrialisierung und Lebensstandard
Die Ausrichtung des Menschen auf eine rein materielle Le-
bensweise war immer eine standige Versuchung, die sich aber
nie durchsetzen konnte. Wenn wir davon ausgehen, daB
menschliche Schapfung -
Kultur -
und Naturgegebenheiten
unserer Spezies dienen, sowohl zu existieren aIs auch sich
zu entfalten, kannen wir diese dialektische Entwicklung
besser begreifen: Die Umwelt ist für uns Erhaltungs- und
Entfaltungsraum 1 ) •
Da wir rein physisch existieren müssen, ehe wir uns ent-
falten kannen, gewinnen vor allem in Zeiten des reinen
Existenzkampfes materielle Gesichtspunkte die Oberhand.
Lebensstandard bedeutet in diesem Kontext.materieller
Wohlstand. Scheint die Existenz gesichert zu sein, er-
2
fahrt das Moment der IWerterfüllung" ) eine Renaissance
wie z.
Z. in der westlichen Welt.
Es ist jedoch keineswegs so, daB Erhaltung losgelëst von
der Entfaltung erfolgt. Die industrielle Entwicklung, auch
1)
Siehe dazu: Nell-Breuning, o. v., Der Mensch in der heu-
tigen Wirtschaftsgesellschaft, München, Wien 1975, S.
10.
2) Ebendort.

-
27 -
begriffen als Tatigkeit nur zur Existenzsicherung, hat dem
Menschen eine Fülle von Mëglichkeiten geboten, bestirnrote
seiner Anlagen und Fahigkeiten zu entfalten.
Insofern indu-
ziert Lebensstandard, sei er auch noch so materiell gemeint
und ausgerichtet, Werterfüllung. Die Frage ist nur,
in wel-
chem AusmaB materieller Wohlstand die Werterfüllung, die
Entfaltung des Menschen, ermëglicht. Das jedoch i.st hier
nicht unser Problem. Wir wollen vielmehr in Erinnerung ru-
fen,
daB die Industrialisierung in dem hier postulierten
Sinne eine unumgangliche Voraussetzung für eine entschei-
dende Anhebung des materiellen Lebensstandards darstellt.
Der historische Rückblick zeigt, daB die Industrialisierung
in allen Landern eine Zunahme des Realeinkon~ens "im ganzen
und je Kopf der Bevëlkerung bzw.
je Vollperson und je Er-
werbstatige in einem Zeitraum ermëglicht hat, die in vor-
ausgehenden analogen Perioden kaum je erreicht worden sein
1
dürfte"
). Diese statistisch nachweisbare Entwicklung des
Sozialproduktes wird nicht auf eine Zunahme der menschli-
chen Arbeitszeit, sondern primar auf den vermehrten Einsatz
technischen Wissens zurückgeführt. Wahrend der Mensch selbst
zu Beginn des 19. Jahrhunderts pro Jahr 60 % der Arbeits-
stunden ohne maschinelle Unterstützung verrichten muBte,
verringert sich dieses Verhaltnis 150 Jahre spa ter auf nur
2 %2). Wie aus der nachstehenden Tabelle hervorgeht, nirnrot
Fourastié an, daB sich die gesamten jahrlichen Arbeitsstun-
den pro Beschaftigten bis zum Jahre 1999 alle zwanzig Jahre
verdoppeln werdeni der Anteil des Menschen dürfte demzufol-
ge mehr sinken, auch wenn man davon ausgeht, daB die ter-
1)
Hoffmann, W.G.,
Industrialisierung,
(1)
Typen des indu-
striellen Wachstums,
(II)
GrëBenordnungen des industri-
ellen Wachstums,
in: Handwërterbuch der Sozialwissen-
schaften, Bd.
5, Gëttingen 1956, S.
225.
2)
Errechnet nach Fourastié, J., Pourqoi nous travaillons,
Paris 1959, S.
77.

-
28 -
tiare Zivilisationsepoche mehr geistige aIs kërperliche
1
Arbeit erfordern wird ).
Tabelle 2: Die Arbeitszeitentwicklung 2 )
Jahr
Jahrl. Gesamtar-
Jahrl. Arbeitsstun-
Jahrl. Arbeitsstun-
beitsstunden pro
den pro Beschaftig-
den, die von Maschi-
Beschaftigten
ten ohne Maschinen
nen geleistet wer-
und Tierkraft
den 3)
1800
2 500
2 000 (60 %)
500 (40 %)
1959
50 000
1 000 ( 2 %)
49 000 (98 %)
1979
100 000
1999
200 000
Es steht also fest,
daB die ungeheure Produktionssteigerung
seit der industriellen Revolution nicht auf eine direkte
zunehmende Arbeitsleistung des Menschen zurückzuführen ist.
Bereits Adam Smith hat festgestellt, daB UberfluB oder Man-
gel an Gütern vorwiegend von der Produktivitat der Arbeit
4
abhangen ). Arbeitsproduktivitat ist nach Smith liaIs Ergeb-
5
nis von Sachkenntnis, Geschicklichkeit und Erfahrung ) an-
zusehen.
1) Fourastié, J., Le grand espoir du xxe siècle, Paris 1950;
auf S.
219 z.B. postuliert der Verf., daB in der Zeit der
tertiaren Zivilisation 50 % bis 70 % der erwachsenen Be-
vëlkerung ein Universitatsstudium absolvieren werden.
2)
Zusammengestellt nach Fourastié, J., Pourquoi nous tra-
vaillons, a.a.O., S.
77
3) EinschlieBlich Tierkraft.
4)
Smith, A., Entstehung und Verteilung des Sozialprodukts,
Der Wohlstand der Nation, Buch 1, in Ubersetzung von
Rech~enwald, C., München 1974, S. 3
5)
Smith, A., ebendort.

- 29 -
1
Die Arbeiten von Fourastié ), Solow 2 ), Denison 3 ), Kuznets 4 )
weisen aIle auf das gleiche Phanomen hin und kommen trotz
unterschiedlicher methodologischer Ausgangspunkte zum glei-
chen Ergebnis: die enorme Produktivitatssteigerung seit Be-
ginn des industrie lIen Zeitalters ist überwiegend dem ver-
starkten Einsatz von Sachkenntnis bzw. epochalen Innovatio-
nen
(Kuznets)
zu verdanken.
Soviel uns bekannt ist, wird diese Aussage in ihrer AIIge-
meinheit nicht bestritten und kann auch nicht in Zweifel
gezogen werden. Die Bedeutung des Wissens besteht ja darin,
unsere Effektivitat zu erhaheni durch das Wissen erfahren
wir, welcher Weg und welches Mittel am zweckmaBigsten sind,
um ein Ziel zu erreichen. Die Erkenntnis macht es uns mag-
lich, Zeit, Kraft und Weg zu sparen, um effektiver zu wir-
ken. Ob eine gewonnene Erkenntnis in die Tat umgesetzt wer-
den kann,
ist"eine praktische, d.h.
situationsunabhangige
Frage. Kann der rechte Weg nicht eingeschlagen, kannen die
zweckentsprechenden Mittel nicht eingesetzt werden, so müs-
sen wir wissen~ was getan werden muB, damit der Einsatz mëg-
lich wirdi
je mehr ein Mensch weiB, desto effektvoller kann
er wirkeni
an diesem Sachverhalt ist nicht zu rütteln. Es
steht deshalb auBer Zweifel, daB der Wohlstand einer jeden
Industriegesellschaft dem vermehrten Einsatz von Wissen zu
verdanken ist. Das unlasbare Problem besteht darin, wie man
den EinfluB des Wissens auf die Produktivitatssteigerung
isoZiert erfassen kann.
1)
Fourastié, J., besonders: Le grand espoir du xxe siècle,
a.a.O.
2)
Solow, R.W., Technical Change and the Aggregate Produc-
tion Function, in: The Review of Economies and Statis-
tics, vol.
39,
1957.
3)
Denison, E.F., The Sources of Economie Growth in the
United States and the Alternatives before US Committee
for Economie Development, Suppl. Paper, Nr.
13, New York
1962,
ders., The Causes of Economie Growth, in: Gutmann, P.M.,
Hrsg., Economie Growth, An American Problem, Englewood
Cliffs 1964.
4)
Kuznets, S., Modern Economie Growth Rate, Structure and
Spread,
3. Aufl., New Haven/London 1969.

-
30 -
Die Produktivitatssteigerung aufgrund verbesserten Betriebs-
klimas ist ohne Zweifel der Erkenntnis zu verdanken, daB
eine bestimmte Menschenbehandlung, bestimmte zwischenmensch-
liche Beziehungen leistungssteigernd wirken. Worauf ist nun
die Mehrleistung zurückzuführen, bzw. wie ist sie prozentu-
al auf Erkenntnisfortschritt, auf Arbeit und Kapital zu ver-
teilen? Wenn ein Unternehmer eine Maschine erwirbt und ein-
setzt, 50 setzt er zugleich sowohl Kapital als auch Wissen
ein; die Arbeitsleistung eines Mitarbeiters hangt u.a. auch
von seinem Wissenpotential ab. Wir stehen vor einem unlos-
baren Dilemma, das nur durch Verzicht auf einen miBverstan-
denen Perfektionismus umgangen werden kann.
Die Aussage Solows, daB 81,25 %1)
des Wachstums in den Ver-
einigten Staaten von Amerika zwischen 1909 und 1949 dem
technischen Fortschritt zu verdanken sind, ebenso wie die
2
Berechnungen von Denison ) konnen nur als Approximationen
angesehen werden, die uns eine erste Vorstellung von dem
vermitteln, was durch den Einsatz von Wissen erreicht wer-
den kann.
Wie es um den Menschen bestellt ist ohne systematischen Er-
werb und Gebrauch von Wissen,
zeigt uns die Wirklichkeit
der Entwicklungslander: eine Gesellschaft ohne "Leistungs-
wissen"
(Max Scheler) kann von der Natur nicht mehr erwar-
3
ten als ein begrenztes und vegetatives Leben ). DaB dies
anders sein kann, beweist die Industriegesellschaft: inner-
halb von zwei- bis dreihundert Jahren ist es in einem Teil
1)
Solow, R.W., Technical Change and the Aggregate Produc-
tion Function, a.a.O., S.
316.
2)
Denison, E.F., Measuring the Contribution of Educating
(and the Residual)
to Economie Growth,
in: The Residual
Factor and Economie Growth, OECD,
Paris 1964, siehe vor
allem seine Tab.
1, S.
15.
3)
Siehe dazu: Fourastié, J., Pourquoi nous travaillons,
a.a.O., S.
18.

-
31
-
der Welt gelungen, eine Produktionsausweitung zu realisie-
ren, die die mehr aIs 500 000 Jahre Menschheitsgeschichte
nie gekannt hat. Es ist daher verstandlich, daB nicht nur
die Entwicklungslander, sondern auch einzelne Forscher die
1
Industrialisierung der Dritten Welt fordern ). Nur die In-
dustrialisierung, verstanden aIs Produktion und Distribu-
2
tion von Gütern durch steigenden Einsatz von Wissen ), ver-
mag den durchschnittlichen Lebensstandard in den Entwick-
3
lungslandern entscheidend und nachhaZtig ) anzuheben.
Die Dritte Welt muB sich also industrialisieren, wenn sie
ihre materiellen Lebensbedingungen verbessern will, und da
die Industrialisierung, wie wir gesehen haben, einen frucht-
baren Boden für den Erkenntnisfortschritt darstellt, ist
sie auch ein ein zweckmaBiger Rahmen für den sozialen Wan-
de!.
2.2.3.
Industrialisierung und AuBenhandel
Das fundamentaZe Prinzip,
auf dem der Tauschproze2 beruht,
ist das Gegenseitigkeitsprinzip:
jeder Anbieter ist Nach-
frager zugZeich und umgekehrt.
Dieser überaus wichtige Zu-
sammenhang scheint uns heute verlorenzugehen, weil der Han-
del nicht mehr hauptsachlich auf dem direkten Weg des Na-
turaltausches erfolgti das den unmittelbaren Tausch von Gü-
tern erleichternde Geld hat selbst den Charakter einer Ware
angenommen.
1)
Siehe dazu:
Kortzfleisch, G. v.,
Industrialisierungsstra-
tegien für Entwicklungslander, die Notwendigkeit zur In-
dustrialisierung, unverëffentlichtes Manuskript, Mannheim
1975, siehe vor allem S.
1-3.
2) Es sei hier darauf hingewiesen, daB wir mit " mehr ~Vissen",
" s teigendem Wissen", " zunehmendem Wissen" die Erkenntnis
sowohl quantitativ aIs auch qualitativ meinen.
3) Die Fërderung von Rohstoffen -
die ja auch vom techni-
schen Einsatz abhangt -
kann für die Anhebung des Le-
bensstandards entscheidend sein. Man braucht hier nur
auf einige der Erdëlproduzenten im Nahen Osten zu ver-
weisen. Es ist jedoch zu befürchten, daB ohne Industri-
alisierung der durchschnictliche Lebensstandard sinken
wird,
sobald die ülquellen versiegen.

-
32 -
1
Wir verbrauchen nach wie vor aber kein Geld ), sondern nur
Güter, einschlieBlich Dienstleistungen. Ein Anbieter von
Autos fragt nicht nach Geld,
sondern nach Nahrungsmitteln,
Textilien, Büchern, Heilung, Schutz; der Nachfrager nach
Dienstleistungen bietet kein IIStück Papier ll dafür an, son-
dern etwas "Brauchbares". Wir kënnen also sagen, daB der
Handel ein Naturaltausch geblieben ist, dabei müssen die
Tauschpartner über Produkte verfügen, die sich gegeneinan-
der taus chen lassen; dort, wo diese Gegenseitigkeit fehlt,
ist überhaupt kein TauschprozeB mëglich, und je geringer
die Gegenseitigkeit, desto geringer der Tausch.
Seit spatestens Ende des Zweiten Weltkrieges verschlechtert
sich die Position der Entwicklungslander im Welthandel zu-
sehends, gleichzeitig nimmt der Handel zwischen den Indu-
2
striegesellschaften standig an Bedeutung zu ). Neuere Be-
rechnungen ebenso wie die nachstehende Tabelle bestatigen
3
das Fortschreiten dieses Verschlechterungsprozesses ). Trotz
der Milliarden Oleinnahmen und trotz des gewaltigen Divi-
senzuwachses durch die Verknappung einiger Rohstoffe geht
der Anteil der Dritten Welt am Welthandel laufend zurück.
1) Das hat mir eine Dame 1959 auf einem westafrikanischen
Markt plastisch in Erinnerung gerufen, aIs ich ihr Pa-
piergeld reichte, um ein paar Früchte zu kaufen. Sie
fragte lachend, ob ich denn nicht sahe, daB sie keine
Ziege sei, was sie denn mit dem Stück Papier anfangen
solle.
Ich konnte nichts kaufen, sie wollte gegen Mais
tauschen, was ich nicht hatte.
2) Vgl. dazu: Hesse, H., Strukturwandlungen i.m Welthandel
1950-1960/61, Tübingen 1967.
3) Dorner, K., Probleme einer weltwirtschaftlichen Integra-
tion der Entwicklungslander, Tübingen, Basel 1974, sie-
he vor allem die Tab.
1 und 2 auf S.
10 und 11.

-
33 -
TabeIIe 3: Die anteilmaBige
Zusammensetzung des Welthan-
1
dels gemessen in Wahrungseinheiten )
Uindergruppen
1967
1968
1969
1970
1971
1972
IndusttieL~nder
69,95
70,43
71,13
71,79
72,05
72,06
mit Marktwirtsch.
Dritte Welt mit
18,64
18,27
17,97
17,66
17,63
17,60
Marktwirtschaft
Lander mit
11 ,63
11,29
10,89
10,54
10,31
10,32
Planwirtschaft
2
Afrika )
3,90
4,05
4,14
4,03
3,71
3,63
2)
Asien
8,43
8,28
8,11
7,93
8,67
8,88
.
"k 2)
Late~namer~ a
6,18
5,81
5,59
5,53
5,10
4,93
Der in Wahrungseinheiten gemessene Export der IndustrieIan-
der in andere Industrienationen stieg von 36,8 % im Jahre
1948 auf 49,5 % in den Jahren 1959/61.
In demselben Zeit-
raum sank er in den EntwickIungsIandern von 26,1 % auf
22,3 % ab. Die Exporte der Dritten Welt in ander Entwick-
Iungslander und in Industrielander reduzierten sich eben-
falls von 11,8 % auf 7,2 % bzw. von 25,3 % auf 21,0 %3).
4
Diese Tendenz hat sich fortgesetzt ). Zur Zeit betragt der
Warenaustausch zwischen den Industrielandern aIIein mehr
aIs 75 %; wie aus TabeIIe 3 hervorgeht, vereinigten aIIein
diese Lander 1972 mehr aIs 72 % des WeIthandels auf sich;
wie ist das mëgIich?
1) Eigene Berechnung nach: Statistical Yearbook,
1973, Uni-
ted Nations, New York 1974, Tab.
143, S.
394 ff. Die An-
gaben über das absolute Volumen des t'JeIthandels sind
nicht vollstandig, beispielsweise fehlen die Zahlen über
die Volksrepublik China; dies andert aber nichts am Ent-
wicklungstrend des Warenaustausches. Ferner ist anzumer-
ken, daB durch Verschiebungen und Abrundungen sich die
Anteile nicht immer auf genau 100 summieren Iassen.
2) Anteil am gesamten WeIthandel.
3)
Hesse, H., StrukturwandIungen im WeIthandel,
1950-1960/
61, a.a.O., S.
11, Tab.
2.
4)
Dërner, K., Probleme einer weItwirtschaftIichen Integra-
tion der EntwickIungsIander, a.a.O., S.
11, Tab.
2.

-
34 -
Durch empirische Untersuchungen wurde wiederholt festge-
stellt, daB die Nachfrage nach Gütern sich unterschied-
lich entwickelti die nachfolgende Ubersicht zeigt die
tendenzielle Richtung dieser Entwicklung.
Tabelle 4: Mittlerejahrliche Zuwachsrate der Nachfrage
nach verschiedenen Produktarten auf den Welt-
markten 1)
Produktart
Zuwachsrate
Landwirtschaftliche Rohstoffe
2,8 %
Nahrungs- u. GenuBmittel
3,3 %
Brennstoffe
6,5 %
Konsumgüter u.
sonstige Industrieprodukte
7,7 %
Erze und Metalle
8,0 %
Kapitalgüter
10,6 %
Betrachtet man die Struktur der Exporterzeugnisse der Ent-
wicklungslander, so stellt man fest,
daB diese Ausfuhrpro-
dukte sich zu einem hohen Prozentsatz aus landwirtschaft-
lichen Rohstoffen, aus Nahrungs- und GenuBmitteln und aus
2
Brennstoffen zusammensetzen ) .
Die Arbeitsteilung zwischen Industrie- und Entwicklungs-
landern ist also nicht substitutiv, sondern bleibt "fast
ebenso wie im Kolonialzeitalter vertikaler oder komplemen-
1)
Zusammenstellung nach Hesse, H., Strukturwandlungen im
Welthandel 1950-1960/61, a.a.O., S.
41.
Siehe auch Dor-
ner, K., Probleme einer weltwirtschaftlichen Integration
der Entw~cklungslander, a.a.O., S. 79. Die Angaben Dor-
ners weichen in bezug auf landwirtschaftliche Rohstoffe
(1,9 %)
und Nahrungs- und GenuBmittel
(5,1
%)
betracht-
lich ab, aber die Reihenfolge der Produktgruppen ist
gleich geblieben.
2)
Siehe dazu: Hesse, H., Strukturwandlungen im Welthandel
1950-1960/61, a.a.O.,
S. 43, Tab.
11.

-
35 -
,,1
tKrer Natur
).
"So entfallen auf Gliter der Urproduktion
fast 90 % der Gesamtexporte, nur etwa 10 % bestehen aus
Manufaktur, worunter Textilien und Leder noch den groBten
Raum einnehmen, also Produkte, bei denen der Rohstoffan-
teil sehr hoch ist"2).
Die Hauptexportprodukte der fünf Entente LKnder in Westaf-
rika sind Mineralien: Phosphat
(Togo), Uran
(Niger)
und
landwirtschaftliche Rohprodukte:
Kaffee, Kakao, Holz, Ba-
nanen, Erdnüsse, PalmaI.
Ihr Export besteht somit zu mehr
3
aIs 90 % aus primKrgütern ) mit einem hohen Konzentrations-
grad in den EinzellKndern.
Die unmittelbare politische Konsequenz, die in Westafrika
aus diesem Sachverhalt gezogen wird, ist die Diversifika-
tion der PrimKrgüter. Da aber das eigentliche Problern in
der geringeren EinkommenselastizitKt ihrer Exportprodukte
besteht, kann die Lasung nur in der Umgestaltung der Pro-
duktionsstruktur zu suchen sein; dies bedeutet, daB die
EntwicklungslKnder mehr Industrieprodukte herstellen mlis-
sen: die Landwirtschaft muB in dem hier gemeinten Sinne
industrialisiert werden, der Verarbeitungsgrad der PrimKr-
4
güter muB zunehmen ).
1) Fels, G., Die Auswirkungen einer exportorientierten Ent-
wicklungsstrategie auf die Branchenstruktur in der Bun-
desrepublik,
in: Probleme der Arbeitsteilung zwischen
Industrie- und EntwicklungslKndern, Beinefte der Konjunk-
turpolitik, Heft 19, Berlin 1972, S.
88-117, S.
8~.
2)
Hesse, H., Strukturwandlungen im Welthandel 1950-1960/61,
a.a.O., S.
41.
3)
Siehe dazu: Statistical Yearbook 1973, United Nations,
New York 1974, Tab.
143, S.
394 ff.
Siehe auch: Etudes Générales sur les économies africai-
nes, Tome 3: Dahomey, Côte d'Ivoire,' Mauritanie, Niger,
Sénégal, Togo et Haute-Volta, Hrsg.:
IMF, Washington
1970.
4)
Siehe dazu auch: Maizels, A~, Industtial Growth and World
Trade, Cambridge University Press, )965, S.
409 ff.

-
36 -
Industrialisierung und Ausweitung des AuBenhandels weisen
eine signifikante Korrelation auf:
durch die Industriali-
sierung wird - wie wir gesehen haben -
eine hohe Einkom-
menssteigerung erzielti wer über mehr Einkornrnen verfügt,
kann,
so trivial dies erscheinen mag, mehr nachfrageni
die Entwicklung der In- und Auslandsnachfrage liefert da-
1
für eine permanente Bestatigung ). Gleichzeitig erfahren
die Bedürfnisse, von denen die Nachfrage ebenfalls abhangt,
eine Umschichtung. Wer von der Einkornrnenssteigerung profi-
tieren will, muB auch dieser Umschichtung Rechnung tragen.
Die Bedeutungsverschiebung der Bedürfnisse liefert uns eine
zweckmaBige Erklarung für die unterschiedliche Entwicklung
der Einkornrnenselastizitaten. Die hohe Einkornrnenssteigerung
nützt dem AuBenhandel der Entwicklungslander wenig, solange
diese Lander sich nicht in die Lage versetzen, ihre Produk-
tionsstruktur dem Wandel der Bedürfnisse in den Industrie-
landern anzupassen.
"There is little reason to suppose,
that the influences tending to regard the growth of trade
in primary products have run their course . . . a solution
cornrnensurate with the growth needs of the less developed
countries will presurnably entail a rapid increase in their
exports of manufactures to the affluent markets of the ad-
vanced countries" 2) • Die Dritte Welt muB Produkte anbieten,
deren Wachsturnsraten und Einkornrnenselastizitaten hoch sind
bzw. eine steigende Tendenz aufweisen. Das solI kein Dogma
sein, sondern aIs Antwort auf die Bedeutungsverschiebung
der Bedürfnisse verstanden werden.
Der AuBenhandel der Entwicklungslander untereinander weist
- wie aus früheren Darstellungen hervorgeht -
eine abneh-
mende Tendenz auf. Lander, die gleiche Produkte herstellen,
1) Preisveranderungen beeinflussen diesen Effekt mit.
2)
Lary, H.B.,
Imports of Manufactures from Less Developed
Countries, New York 1968,
~.
3.

- 37 -
werden erst zu Tauschpartnern, wenn es ihnen gelingt, eine
wie auch irnmer geartete Differenzierung der Produkte her-
beizuführen, so daB sie für die Partner unterschiedliche
Ophelimitaten aufweisen. Die unterschiedlichen komparati-
ven Kosten stellen nur eine Mëglichkeit der Differenzie-
rung dar.
Die Elfenbeinküste kann Togo keinen Kakao verkaufen, so-
lange beide die gleichen Rohprodukte zu gleichen Preisen
anbieten.
Zwei Lander, deren Waren keine Praferenzen beim
potentiellen Tauschpartner hervorrufen, kënnen keine Han-
delspartner werden. Die Sonderstellung eines Produktes,
die letzten Endes ein Produkt zum Tauschobjekt macht, ist
entweder naturgegeben und/oder yom Menschen induziert.
Tauschstrëme, die allein auf den primar naturbedingten Ei-
genarten der Produkte basieren,
finden nur zwischen Lan-
dern statt, die von der Natur unterschiedlich begütert
sind. Die " natürliche" Produktdifferenzierung und der dar-
auf aufbauende Handel finden somit ihre Grenzen in der
Gunst der Natur selbst. Erst die Verarbeitung macht es mëg-
lich, diese Grenzen zu sprengeni verarbeiten heiBt ja ver-
andern, und nur dadurch schaffen wir objektive Eigenschaf-
ten, an die sich subjektive Praferenzen anknüpfen.
Naturprodukte, die aufgrund ihrer gleichen Eigenarten keine
Handelsobjekte sind,
lësen durch die Verarbeitung Tauschak-
tivitaten aus, da sie sich nun voneinander abheben; entspre-
chend kënnen sich auch ihre Preise entwickeln je nach der
Richtung der Konsumentenpraferenzen.
Nur durch die Verarbeitung kënnen wir auBerdem den verschie-
densten Ansprüchen und Wünschen der Kaufer gerecht werden.
Weil rein naturbedingte Eigenarten von Produkten " s tarr"
sind, eignen sie sich nur für engbegrenzte Verwendungszwek-
,
ke. Die Veranderung von Form, Funktion, Farbe, Gewicht ver-

-
38 -
mehrt die Einsa~zmoglichkeiten und damit die Zahl der po-
tentiellen Verwender.
Es ist also kein Zufall, daB die EntwicklungsUinder trotz
gleic~er Einkommens- und Nachfragestruktur bedeutend weni-
ger untereinander taus chen aIs die Industrielander unter
sich.
Italienische Sportwagen und schweizer Uhren in
Deutschland sind Güter eigener Art, obwohl in Deutschland
ahnliche Produkte hergestellt und angeboten werdeni dage-
gen besitzt die RoherdnuB aus Niger in Dahomey keinen Ei-
1
genwert gegenüber der in die sem Lande geernteten ErdnuB }.
Die Steigerung des Warenaustausches zwischen den Landern
der Dritten Welt ist nicht moglich ohne die Ausweitung,
Differenzierung und Zunahme des Verarbeitungsgrades ihrer
Produkte. Wir stellen erneut fest:
die Entwicklungslander
müssen sich industrialisieren, um ihren Anteil am Welthan-
deI sowohl untereinander aIs auch gegenüber den Industrie-
landern anzuheben, denn "die Richtung des AuBenhandels wird
bei übereinstimmenden Konsumgewohnheiten allein durch
die unterschiedliche Form der Transformationskurven be-
stimmt,,2} •
Nur das Wissen versetzt uns in die Lage, die Welt adaquat
zu verandern. Erkenntnis wird erst dur ch die Erprobung in
der Praxis aIs Wissen erkannt und deklariert. Die Industrie-
gesellschaft, deren Entstehung eng mit steigendem Einsatz
von Wissen verbunden ist, bietet einen bewahrten Rahmen für
den Erkenntnisfortschritt und damit für Veranderung und Ent-
wicklung. Wir verstehen nun, welhalb Lander, die sich ver-
andern und entwickeln wollen,
zunachst einen bewahrten Weg
gehen müssen, solange es keine erprobte Alternative gibt:
die Industrialisierung bleibt das entscheidende entwick-
lungspolitische Ziel der Dritten Welt.
1}
Siehe dazu auch Rose, K., Theorie der AuBenwirtschaft,
3. erw.
u.
revidierte Auf!., Berlin und Frankfurt/M.
1970, S. 221.
2} Ebendort, S.
312, im Original gesperrt.

-
39 -
Nirgendwo in der Welt ist der Lebensstandard so niedrig
wie in den Entwicklungslandern, dies gilt auch, wenn wir
Lebensstandard nicht mehr allein an der Hahe des Sozial-
produkts pro Kopf messen,
sondern von multiplen Indikato-
1
ren abhangig machen ). Die Industriegesellschaft aIs Er-
gebnis des standigen Einsatzes von Erkenntnis zur Umge-
1
staltun~ und Verbesserung unserer Lebensverhaltnisse ist
bis jet~t das einzige Sozialgebilde, in dem der Lebens-
standard im ganzen sowohl quantitativ aIs auch qualitativ
spürbar und dauerhaft angehoben werden konnte.
Bei der Betrachtung des AuBenhandels stellen wir fest,
daB
der Anteil der Entwicklungslander am internationalen Handel
irnrner mehr an Bedeutung verliert und verlieren muBi wesent-
liche Gründe dafür haben wir kennengelernti
allein die Aus-
weitung,
Intensivierung und Differenzierung des Verarbei··
tungsgrades der Primargüter in der Dritten Welt bietet eine
zweckmaBige Abhilfe.
Wie kann nun die Industrialisierung der Entwicklungslander
maglich gemacht werden? Die Art der Fragestellung ist wich-
tig: was kann die Dritte Welt unternehmen, ma sich zu in-
dustrialisieren, wo kann sie ansetzen? Nach der evtl. Un-
maglichkeit des Vorhabens wird gar nicht gefragt, dagegen
werden Schwierigkeiten vorausgesehen. Wie sind sie zu über-
winden? Wie ist Industrialisierung machbar? So lauten die
Fragen, die sich uns stellen.
Der standige Einsatz von Wissen, durch den die Industrie-
gesellschaft entsteht, ist mit einer ungeheuren Ausweitung
der Produktion verbunden.
ZieZ jeder menschZichen Produkti-
on aber ist die Befriedigung einer effektiven Nachfrage.
Mit anderen Worten, die Industrialisierung ist ohne eine
1) VgI.
dazu Bauer, R.A.
(Hrsg.),
Social Indicators, Cam-
bridge, Mass.
1966, siehe auch OECD: Working Paper on
Social Indicators, Paris .--,.

- 40 -
entsprechende Nachfrage nicht mëglich. Diese Zusammenhange
werden uns nun im Hinblick auf die westafrikanischen En-
tente-Lander eingehender beschaftigen.
3. Angebots- und nachfrageorientiertes Entwicklungskonzept
Es hat sich aIs zweckmaBig erwiesen,
zwei Typen von Wachs-
tumsprozessen zu unterscheiden: der eine ProzeB betrifft
den Ubergang von einer unterentwickelten zu einer voll
entwickelten Volkswirtschaft, der andere die Weiterausrei-
fung einer bereits entwickelten Nationalëkonomiei dabei
bleiben Entwicklung und Unterentwicklung problematische
und relative Begriffe. Wir hab en hier primar den ersten
Wachstumstyp vor Augen.
3.1. Produktionsgrundlagen der Industrialisierung
Die Klassiker, abgesehen von Malthus, suchten die Determi-
nanten der wirtschaftlichen Entwicklung mit den einsetzba-
ren Produktionsmitteln zu ergründen.
Ihr Augenmerk galt be-
sonders der Akkumulation des Kapitals.
Die neoklassische Schule knüpft seit 1956, dem Erschei-
1
nungsdatum einer Verëffentlichung Solows ), an die Tradi-
tion an, die Produktionsfaktoren aIs Grundlage des Wachs-
tumsprozesses anzusehen.
In der Tat beschreibt jede Produktionsfunktion in diesem
Rahmen die Abhangigkeit zwischen einer bestimmten produ-
zierten Menge und den dafür eingesetzten Produktionsfakto-
ren.
Zumindest seine Sinne und Glieder braucht der Mensch,
um seiner Umwelt Güter abzugewinnen. ~it anderen Worten:
dort, wo ein MindestmaB an kombinierbaren Produktionsmit-
1) Solow, R.M., A Contribution to the Theory of Economie
Growth,
in: Quarterly Journal of Economies, Bd. 70,
1956.

-
41
-
teln fehlt,
ist keine Herstellung von Gütern moglich.
Seit Jean-Baptiste say1)
ist es in der nationalokonomi-
schen Forschung üblich, drei Produktionsfaktoren zu un-
terscheiden: Arbeit, Kapital und Boden.
In Anlehnung an
2
Adelmann ) konnen zwei weitere Determinanten hinzugezahlt
werden: das in die Produktion eingesetzte Wissen und die
soziokulturelle Umwelt. Diese verstarken die Produktivitat
der drei erstgenannten Faktoren. Demgegenüber ist in der
Betriebswirtschaftslehre von Arbeitsleistungen, Betriebs-
3
mitteln und Werkstoffen aIs Elementfaktoren die Rede ) .
Die Weiteraufgliederung dieser Elemente hat zur Aufdeckung
der dispositiven Bestimmungsfaktoren geführt. Leistungs-
und Lenkungsfunktionen, gekoppelt mit der lnnovationsbe-
reitschaft des Unternehmers, werden somit aIs zentrale De-
4
terminant en des Wachsturnsprozesses angesehen ) •
Angebotsorientierte Entwicklungs- und Wachstumstheorien
bauen primar auf diesen volkswirtschaftlichen und/oder be-
triebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren auf. Spatestens
hier stellt sich die Frage, ob die Transformationsproblema-
tik Afrikas, speziell der Entente-Lander, mit dem Mangel
1)
Say, J.-B., Traité d'économie politique ou simple expo-
sition de la manière dont se forment,
se distribuent et
se
consomment
les richesses,
5. Auflage, Bd.
l, Paris
1826, S.
28 ff.,
33 ff.,
63 ff.
VgI. auch die 6. Auflage, Osnabrück 1966, S.
68 ff.,
70 ff.
und 80 ff.
lm folgenden wird das Werk aIs Traité d'économie poli-
tique zitiert; die Seitenangaben beziehen sich auf die
6. Auflage.
2) Adelmann, 1., Theories of Economie Growth and Develop-
ment, Stanford 1961.
3) Gutenberg, E., Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre,
Bd. 1, Die Produktion,
3. Aufl., Berlin, Heidelberg,
New York 1967, S.
2 ff.
4) VgI.
dazu: Schumpeter, J., Unternehmer, in: Handworter-
buch der Staatswissenschaften, hrsg. von EIsner, L.,
Weber, A., Wieser, F., 4. Aufl.,
8. Bd., Jena 1928

-
42 -
an Produktionsfaktoren zu erklaren ist. Sehen wir vom Pro-
1
motor ), dem gesellschaftlichen und unternehmerischen Or-
ganisator eines Prozesses ab, so laBt sich die Frage be-
dingt verneinen.
Nicht die Arbeit ist der fehlende Produktionsfaktor in der
Dritten Welt, auch nicht in Westafrika: mehr aIs 75 % der
Menschheit leben in den Entwicklungslandern; dieses unge-
heure Transformationspotential liegt z.T. brach. Das Kapi-
tal,
sofern an Humankapital im Sinne einer qualifizierten
Arbeitsleistung, an Sachkapital und an Finanzmittel gedacDt
wird, stellt in den Entente Landern einen relativen EngpaB
dar.
Es ist jedoch eine Fehldeutung der Zusammenhange, die sta-
gnierende Industrialisierung dieser Lander vom Fehlen der ge-
nannten Faktoren abhangig zu machen: das Kapital,
in wel-
cher Form auch immer, ist ein produziertes Produktionsmit-
tel; die entscheidende und eigentliche Frage ist also wie
diese Produktion mëglich gemacht werden kann.
Der Boden ist ebenfalls nicht der fehlende Faktor für die
Entwicklung in Westafrika. Wie Tabelle 1
(S. 14) gezeigt
hat,
leben in die sem Gebiet etwa 20 Millionen Menschen auf
2
einer Flache von knapp 2 Millionen km . Trotz der Wüste und
der zunehmendenBodenerosion bleibt Raum genug für landwirt-
schaftliche und industrielle Nutzung. Das ist an Ort und
Stelle überprüfbar, deshalb verzichten wir hier darauf,
eine genaue Kategorisierung der Flache vorzunehmen.
Eine gesicherte Rohstoffbasis im Inland erleichtert die In-
dustrialisierung,
ihr Fehlen ist jedoch kein absolutes Hin-
dernis, da Werkstoffe im Rahmen des internationalen Handels
1)
Siehe Witte, E., Organisation für Innovationsentschei-
dungen, Das Promotor-Modell, Gëttingen 1973, S.
14 ff.

-
43 --
erworben werden kannen.
"Die jahrliche Arbeit eines Volkes
ist die Quelle, aus der es ursprüngZich mit allen notwendi-
gen und angenehmen Dingen des Lebens versorgt wird, die es
im Jahr über verbraucht. Sie bestehen stets entweder aus
dem Ertrag dieser Arbeit oder aus dem, was damit von ande-
1
ren Landern gekauft wird"
).
Diese ers te Lehre aus dem "Wohlstand der Nationen" macht
deutlich, daJ3 unser Wohlergehen nicht primar von der " na-
türlichen Natur"
(Founastié)
abhangt,
sondern von dem, was
wir durch unseren Einsatz daraus machen. Die Natur im Ur-
zustand vermag dem Menschen, wie bereits festgestellt wur-
de, nur ein beschranktes und vegetatives Leben zu schen-
ken 2 ) .
Uber diese Natur verfügen die Entente-Lander auBerdem in
ausreichendem MaBe: Erdal
(Dahomey), Diamanten (Elfenbein-
küste), Uran, Kupfer
(Niger), Mangan (Obervolta), Phosphat,
Eisenerz
(Togo), um nur die wichtigsten aufzuftihren, kommen
in diesem Raum vor und werden z. T. bereits gefardert. In
diesem Kontext ist die Frage nicht ob, sondern wie die In-
dustrialisierung aufgebaut werden kann.
Der Wissensstock eines Volkes ist ebenfalls das Endergeb-
nis seines Arbeitseinsatzes zur Entdeckung neuer bzw. An-
eignung
vorhandener Erkenntnisse. Auch die soziale Umwelt
ist das Resultat gesellschaftlicher Interaktionen, also
menschliches Produkt;
sie kann umgestaltet werden.
Schon diese knapp gehaltene angebotsorientierte Betrachtung
der Entwicklungsproblematik in Westafrika genügt, unseren
Glauben erneut zu verstarken, daB nicht der Mangel volks-
1) Smith, A., Entstehung und Verteilung des Sozialprodukts,
"0er Wohlstand der Nationen", Buch 1, a.a.O., S. 3, Her-
vorhebung von mir.
2)
Siehe dazu: Fourastié, J., Pourquoi nous travaillons,
a.a.O., S.
18.

- 44 -
wirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Produktions-
faktoren die Industrialisierungsbemühungen der jeweiligen
LAnder einschrAnkt. Auch politische und wirtschaftliche
Unternehmer fehlen nicht in dem AusmaB wie zunAchst ange-
nommen werden kënnte. Der Entwicklungspolitik fehlt in
Westafrika ein realistisches und gla\\IDwürdiges Konzept.
Wir gehen deshalb von der Hypothese aus, daB die Industri-
alisierung in diesem Raum aufgebaut werden kann.
Ihr Fun-
dament sehen wir im Arbeitseinsatz, prlmar im Einsatz des
1
eigenen jetzt verfügbaren Arbeitspotentials ).
3.2. Nachfrageentwicklung und Industrialisierung
3.2.1. Die Rolle der effektiven Nachfrage im Inland
Unter den Klassikern war es Malthus, der die Bedeutung der
effektiven Nachfrage erkannt und hervorgehoben hat; diese
Bedeutung besteht in der Steuerfunktion der Nachfrage. Wel-
che Produkte in welchem Umfang hergestellt werden sollen,
hAngt allein von der Nachfrageentwicklung ab, sobald die
Transformationsbasis in ausreichendem MaBe gegeben ist.
Malthus ging schon damals davon aus, daB sektorale Inter-
aktionen in unterentwickelten Regionen nur mëglich sind,
2
wenn die Sektoren MArkte füreinander sein kënnen ) .
Auf diese Weise begrenzt die unzureichende Nachfrage eines
Sektors die Entwicklung des anderen und umgekehrt.
"Except
the neighborhood of the mines and near the great towns, the
effective demand for produce is not such as to induce the
great proprietors to bring their immense tracts of land
properly into cultivation ... "3). So schrieb Malthus vor
1)
Siehe auch Priebe, H.
(Hrsg.), Das Eigenpotential im
EntwicklungsprozeB, Berlin 1972.
2)
Zu diesen Ausführungen siehe: Higgins, B., Economie De-
velopment, Principles, Problems and Policies, London
1959.
3)
Zitiert nach Higgins, B., ebendort, S.
68.

- 45 -
mehr aIs hundert Jahren mit Blick auf Lateinamerikai die
Situation hat sich heute kaum geandert.
Es ist Keynes groBter Verdienst, diese besondere SteIIung
der effektiven Nachfrage im Wirtschaftskreislauf für die
1
moderne Wachstumstheorie ) wiederentdeckt zu haben. Das
Produktionsprogramm, wie in Loop 1 veranschaulicht wird,
2
orientiert ) sich an der Gesamtnachfrage.
LOQp 1: Die Nachfragedeterminanten des Produktionsprograrnms
Gesamt-
Produktions-
achfrag
prograrnm
Konsum-
Investitions-
Beschafti-
nachfrage
nach rage
gungsniveau
Nutzenerwartung
~Volks-
(GrenzIeistung~
einkommen
tatigkeit des
Kapitals)
Dieser Sachverhalt fungiert unabhangig von der Entwick-
Iungsstufei ob in einer Selbstversorgungswirtschaft oder
in der Industri~gesellschaft, die Gesamtnachfrage bringt
stets die zu befriedigende BedarfsgroBe zum Ausdruck. Je
geringer die effektive Nachfrage, desto kleiner ist das
1)
Siehe dazu: Keynes, J.M., AIIgerneine Theorie der Be-
schaftigung, des Zinses und des Geldes, BerIin-Neu-
kolln 1936.
2)
Zur Erinnerung: In der DarsteIIungsweise von System
Dynamics sind die am Beginn eines pfeils stehenden
Variablen immer EinfIuBgroBen derjenigen, die an sei-
nern Ende stehen.

-
46 -
Produktionsprogramm trotz gebauter Transformationsmoglich-
keiten.
"KaufkraftmaBig bilden die meisten der afrikanischen Staa-
ten einen Markt, der dem einer deutschen GroBstadt von
200.000 bis 400.000 Einwohnern entspricht" 1) . Die Produk-
tionsstruktur muB notgedrungen diesem Umstand Rechnung
trageni es sei denn, der Absatz auf internationalen Mark-
ten bote einen Ausweg.
3.2.2. Nachfrage des Auslands und inlandisches Produktions-
programm
Es ist gerade jene Hoffnung, die internationale Nachfrage-
entwicklung aIs Grundlage der heimischen Produktion nutzen
zu konnen, die die groBte Verwirrung in der Entwicklungs-
konzeption der Dritten Welt stiftet. Weil wir hierin die
Grundproblematik der in Westafrika praktizierten Entwick-
lungsstrategie sehen, sollen die Hauptzüge und -probleme
2
dieser Orientierung schematisiert dargestellt werden ) .
Wir unterteilen das Wirtschaftsgeschehen jedes Entwicklungs-
landes der Entente in zwei Sektoren: den Modern-Sektor
(MS)
und den Traditional-Sektor
(TS) i
auf die Abgrenzung der Sek-
toren von einander und die Begründung dieser Einteilung wer-
den wir noch zu sprechen kommen.
Mengentheoretisch solI das nachstehende Schaubild die Be-
ziehungen zwischen diesen Sektoren und die Weltwirtschaft
(WW)
darstellen. Der Integrationsgrad des Modern-Sektors
mit der Weltwirtschaft ist um ein Vielfaches hoher aIs der
der Verzahnung zwischen Traditional-Sektor und Modern-Sek-
1) Niehr, H., Neue Wege zur Industrialisierung Afrikas,
in:
Wirtschaftsdienst,
47. Jg., Hamburg 1967, S.
78.
2)
Zu diesen Ausführungen:
siehe eine frühere Darstellung
des Verf.: Entwicklungskonz~pt und Technologieeinsatz,
in: Auslandskurier, die Deutsche Zeitschrift für inter-
nationale Zusammenarbeit, Nr.
4,
1975.

-
47 -
tor;
ferner ist der Traditional-Sektor heterogen, der Mo-
dern-Sektor dagegen in sich funktionsgemaB gut strukturiert;
d.h. das Netz der Beziehungen seiner Elemente zueinander
ist enger aIs es im Traditional-Sektor der Fall ist. Das
Einkommensniveau dieses Sektors liegt wesentlich unter dem
Landesdurchschnitt, seine effektive Nachfrage ist entspre-
chend gering; es handelt sich im wesentlichen um eine Sub-
1
sistenzwirtschaft ) .
Fig.
II,1: Entwicklungsland und Weltwirtschaft: die Gegen-
wart
~ ...........
\\
TS
}
1
---"
Die Armut in diesem Sektor aus Mangel an effektiver Nach-
frage hemmt die Entwicklung des Modern-Sektors, wie Malthus
damaIs feststellte.
Die fehlende Nachfrage aus der SlIDSi-
stenzwirtschaft konnte aber durch die Nachfrage aus dem Mo-
dern Sektor und der Weltwirtschaft ausgeglichen,
ja über-
kompensiert werden; mehr noch, durch internationale Vertra-
ge erhofft man sich, in der Dritten Welt auch Absatzmarkte
für die Produkte aus dem Traditional-Sektor zu finden.
Wie aus Figur II,1
(S.
44)
hervorgeht, konnte das Produk-
tionsprogramm ausgebaut, das Beschaftigungsniveau erhoht
und eine Einkommenssteigerung erzielt werden.
In diesem
Rahmen produziert der Modern-Sektor in ers ter Linie für
die Weltwirtschaft und für sich
(Selbstverbrauch), sekun-
dar aber auch für TS. Dieser Sektor produziert ebenfalls
1)
Siehe dazu: Matzke, O., Prièbe, H., Entwicklungspolitik
ohne Illusionen, Mobilisierung der Eigenkrafte, Stutt-
gart, Berlin 1973.

-
48 -
primar für den internationalen Markt, in einem geringeren
AusmaBe für MS;
er bleibt aber weiter auf der Stufe der
1
Haus- uns Dorfwirtschaft stehen ). Die erwarteten Effekte
aus dem Mechanismus dieser positiven IJoopstruktur2)
bilden
das Fundament, auf dem die Entwicklungskonzeption der En-
tente Lander aufbaut.
Wir bezeichnen diese Entwicklungsstrategie, veranschaulicht
durch die nachstehende Darstellung, als ein "exogenes Ent-
wicklungskonzept". Die Entwicklung wird von auBen induziert:
der Traditional-Sektor, an àessen Umwandlung die eigentliche
Industrialsierung scheitert, wird nicht von.innen heraus,
sondern von auBen über einen international herbeigeführten
Spill-over-Effekt entwickelt. Mehr noch, wesentliche Pro-
duktionsverfahren wie dispositive Arbeitsleistung und Be-
triebsmittel werden vom Ausland erwartet; die Industriali-
sierung hangt dann davon ab, wie sich Modern- und Traditio-
nal-Sektor in der Weltwirtschaft entwickeln und sich in die-
se integrieren lassen.
1)- Zur Einteilung der Wirtschaftsstufen vgl. u.a.
- Bücher, K., Die Entstehung der Volkswirtschaft, Vor-
trage und Aufsatze, Bd.
1, 12. und 13. Aufl., Tübin-
gen 1919, S.
91
ff.
-
Schmoller, G., GrundriB der allgemeinen Volkswirt-
schaftslehre, 1. und 2. Teil, Leipzig 1919.
2)
Zur Erinnerung:
In der Terminologie Forresters ist eine
Rückkopplungsschleife positiv, wenn die Steigerung eines
Elements zu einer Zunahme der Wirkung dieses loops führt
bzw. wenn die Abnahme eines Elements zu einer Reduzie-
rung der Effekte des feedback führt.
Die Rückkopplungs-
schleife istdagegen negativ, wenn die Zunahme eine Ab-
nahme, die Abnahme eine Zunahme nach sich zieht.
+ führt zu +
positive(s)
System bzw. Loopstruktur
- führt zu -
+ führt zu -
negative(s)
System bzw. Loopstruktur
- führt zu +
Siehe dazu: Forrester, J.W., Urban Dynamics, Cambridge,
Mass.,
1969, S.
108.

-
49 -
Fig.
II,2: Entwicklungsland und Weltwirtschaft: die exoge-
ne Entwicklungsstrategie
\\
TS
)
/
Wegen der Exogenitat der ProzeBsteuerung und der damit zu-
sammen~angenden und desintegrativ wirkenden Begleiterschei-
nungen sprechen wir auch von einer anorganischen Entwick-
lungsstrategie. Das Land wachst nicht zusammen und enthâlt
gravierende Widersprüche. Mit der Verfolgung dieser Stra-
tegiesind beispielsweise Massenarmut und Massenarbeitslo-
sigkeit auf langere Zeit .verbunden.
Es handelt sich hier um keine von der Wirklichkeit losgelë-
ste theoretische Spekulation, sondern um die Beschreibung
eines realen Ausschnitts der Lander Westafrikas
(Entente).
Die AuBenbezogenheit der Entwicklungspraxis dieser Lander
ist für jeden Beobachter unverkennbar, der Dualismus ihrer
Wirtschaftsstruktur evident.
Die
Haupterzeugnisse der Urproduktion der Entente werden
zu 90 % bis 100 % ausgeführt. Die beginnende heimische Sub-
1
stitutionsindustrie ) stëBt sehr rasch ah 'die Grenzen der
Marktenge des 1nlandes. Ein Ausweg aus dieser Situation
wird in der Mëglichkeit regionaler Zusammenschlüsse bzw.
internationaler Kooperationsabkommen gesucht. Auf den in-
ternationalen Handelskonferenzen fordert die Dritte Welt
1)
Damit bezeichnen wir die 1ndustriebetriebe, die errich-
tet werden,
um den 1mport der herzustellenden Produkte
zu substituieren.
.

-
50 -
von den Industrielandern den Abbau ihrer protektionisti-
1
schen MaBnahmen ).
Kann von der tlffnung der internationalen Markte eine nach-
haltige und den Traditional-Sektor miteinschlieBende Bele-
bung der wirtschaftlichen Aktivitat in den Entwicklungs-
landern erwartet werden, so daB in relativ kurzer Zeit -
30 bis 40 Jahren - eine Lasung für die'brennenden Probleme
dieser Regionen gefunden werden kann? Mindestens um eine
Legitimation für unsere Vorgehensweise zu finden, wollen
wir die Frage verneinen;
aber wenn die Fragwürdigkeit des
exogenen Entwicklungskonzeptes in Westafrika nur auf diese
Weise zu begründen ware, gabe es AnlaB zu hoffen, daB die
bereits gravierenden wirtschaftlichen und gesellschaftli-
chen Probleme dieser Lander sich mit der Zeit nicht zuspit-
zen. Diese Hoffnung haben wir nicht.
MengenmaBig und qualitativ kannen die Markte der Industrie-
lander nicht die fehlende effektive Nachfrage der Dritten
Welt in dem AusmaBe kompensieren, wie dies für eine den
Problemen adaquate Entwicklung zweckmaBig ware. Etwa nur
20 % der Weltbevalkerung leben in wirtschaftlich entwickel-
ten Landern, demgegenüber 80 % in den unterentwickelten Re-
gionen.
Schon dieses Zahlenverhaltnis laBt die Vorstellung aIs zu
optimistisch erscheinen, daB durch den Abbau protektioni-
stischer MaBnahmen die Entwicklungslander ihren Export stei-
1)
Siehe zurn Protektionismus:
-
Bachmann, H.,
Zollpolitik und Entwicklungslander, die
Zollpolitik der Industriestaaten aIs Hindernis der
wirtschaftlichen Entwicklung unterentwickelter Lander,
Tübingen und Zürich 1965.
- Giersch, H., Haas, H.-D.
(Hrsg.), Probleme der welt-
wirtschaftlichen Arbeitsteilung, Berlin 1974.
-
Frantz, U.,
25 Jahre Welthandelspolitik, Berlin 1975.

-·51 -
1
gern und einer Lasung ihrer Probleme naherkamen ). Wie wir
sehen werden, stellt der Protektionismus ohne Zweifel ein
Hindernis fUr den internationalen Warenaustausch dari er
ist aber keineswegs die Hauptursache für die Handels- und
Wirtschaftsprobleme der Lander der Dritten Welt.
Zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und den Phi-
lippinen einerseits,
zwischen Frankreich, Marokko und Al-
gerien andererseits, bestehen Handelspraferenzen; dennoch
konnten diese Entwicklungslander ihr Handelsvolumen gegen-
über den Vertragspartnern nicht nennenswert erhahen. Ahn-
lich fallen die Erfahrungen der afrikanischen assoziierten
Staaten im Rahmen des ersten Abkommens mit der EWG aus. Wah-
rend die nichtassoziierten lateinamerikanischen Lander ihre
Exporte in die EWG jahrlich um fast 9 % steigern konnten,
nahm die Ausfuhr der begünstigten Lander Afrikas nur um
4 % zu 2 ).
Wie wir gesehen haben, expandiert die Weltnachfrage nach
den einzelnen Güterarten sehr unterschiedlichi dabei ver-
zeichnen die Güter der Urproduktion im Durchschnitt die
niedrigsten Wachstumsraten. Die Ausfuhr der Entente Lander
besteht zu mehr aIs 90 % aus Primargütern. Eine wesentli-
che Steigerung ihres Exportvolumens impliziert also eine
Restrukturierung ihres gegenwartigen Produktionsprogramms.
" •••
i t is a countries ability to adjust rapidly and con-
tinuously and to shift its resources to the most advanta-
geous uses that determines ••. how i t fares in and what
1)
Zu diesem Optimismus:
vgl. Prebisch, R., Towards a New Trade Policy for De-
velopment, Report by the Secretary-General of the Con-
ference,
in: UN, Trade and Development, Vol.
II, Policy
Statements, New York 1964;
vgl.
auch Vol.
III, Problems and Policies in Manufac-
tures and Semi-Manufacture~, New York 1968.
2)
Siehe zu diesen AusfUhrungen: Dorner, K., Probleme einer
weltwirtschaftlichen Intc}ration der Entwicklungslander,
a.a.O., S.
91.

-
52 -
gains i t reaps from international trade,,1). Diese rasche
Anpassungsfahigkeit des Produktionsprogramms an die Ent-
wicklung der effektiven Nachfrage in den Industrielandern
besitzen die westafrikanischen Staaten aufgrund ihrer Si-
tuation noch nicht. Kinkleberger stellt fest:
"In the ear-
ly stages of development,
flexibility is limited. An entre-
preneurial class is lackingi
labor is unskilled and i l l -
equipped for new tasksi a flow of savings is not available
to provide capital required for capital-intensive lines of
output,,2) .
Die Strukturwandlung des Produktionsprogramms einer ganzen
Volkswirtschaft -
darum geht es ja in den Entwicklungslan-
dern überhaupt - war immer ein langfristiger ProzeB. Die
Üffnung der internationalen Markte wird nicht von heute
auf morgen Massenarmut und -arbeitslosigkeit in der Drit-
ten Welt verschwinden lasseni sie wird auBerdem nicht in
dem AusmaBe erfolgen wie die Entwicklungslander es sich
vorstellen und die Industriestaaten zuzugestehen bereit
sind.
Der Protektionismus hat national tiefgreifende, sozialpsy-
chologisch begründete Wurzelni
seine Existenz fallt mit der
des Nationalstaates zusammen. Protektionismus bedeutet nicht
mehr aIs die Protektion, den Schutz und die Wahrung der In-
teressen eines unabhangigen Staatswesens. In Deutschland
zëgerten Bremen und Hamburg noch bis 1888, ehe sie dem
deutschen Zollverein beitraten und dies tr'otz der Reichs-
3
gründung seit 1872 )i
sie hatten Eigeninteressen zu wahren,
die ihrer Wertschatzung nach hëher lagen aIs der gemeinsame
Zollverein.
1) Myrdal, G., An International Economy, London 1959, S.
255.
2)
Kindleberger, C.P., The Terms of Trade, An European Case
Study, Cambridge/Mass.
1956, S.
307.
3)
Henning, F.-W., Die Industrialisierung in Deutschland,
1800 bis 1914, Paderborn 1973, S.
89 ff. bes. S. 91.

-
53 -
1970 konnten sich Industrie- und Entwicklungslander im Rah-
men der UNCTAD auf ein allgemeines, nicht-diskriminatori-
sches und nicht-reziprokes Praferenzschema für bestimmte
1
Ausfuhren der Dritten Welt in die Industrielander einigen ).
Das Informationsdokument der Vereinigten Nationen bei der
Proklamation der zweiten Entwicklungsdekade schlieBt Prafe-
renzabkommen zugunsten der Entwicklungslander aIs Teil der
2
neuen Entwicklungsstrategie ein ).
Eine genaue Analyse der gewahrten Praferenzen zeigt, daB
aIle gebenden Lander ihre Schemata mit Schutzklauseln
(sog.
safeguards)
versehen haben:
Beschrankungs- und Ausweichs-
klauseln sind die Regel.
Die Beschrankungen der EG bei-
3
spielsweise sehen Hachstgrenzen vor ), danach darf der Im-
port bestimmter Waren aus begünstigten Landern in der Re-
gel nur um 5 % jahrlich wachsen.
Die SchutzmaBnahmen sind auBerdem dort am scharfsten, wo
die Industrielander untereinander bzw. gegenüber der Drit-
ten Welt eine effektive Konkurrenz fürchten.
Dies wurde
bereits zurn AnlaB genommen, den Beteiligten eine Doppelmo-
4
raI vorzuwerfen ).
Es ist kennzeichnend für die internationale Entwicklungs-
politik, mit ethischen Argumenten zu operieren, wo materi-
elle Interessen im Spiel sind. Multiple Korrelationsanaly-
1)
United Nations, The Generalized System of Preference,
Report by the UNCTAD secretariat, Third Session, TD/124,
Santiago 1972, S.
2.
2)
United Nations Centre for Economic and Social Informa-
tion,
International Development Strategy for the Second
United Nations Development Decade, New York 1970, bes.
§ 30.
3)
Zu diesen Ausführungen siehe auch:
Cooper, R.W., The EEC Preferences: A Critcal Evaluation,
in:
Intereconomics, vol.
4,
1972.
4)
Billerbeck, K., Die Konsequenzen der Industrialsierung
der Entwicklungslander für die Industrielander, KaIn
1964, vgl.
S.
28.

-
54 -
sen zeigen, daB der Protektionsgrad um so hëher liegt,
je
1
geringer die Wettbewerbsfahigkeit einer Branche ist ).
Uns geht es hier nicht darum, den weltweiten Protektionis-
2
mus anzuklagen ), sondern deutlich zu machen, daB Schutz-
zëlle, solange Nationalstaaten bestehen und solange keine
koLLektiven und wirksamen SchutzmaBnahmen ergriffen werden,
nicht aus der Welt zu schaffen sind.
Sogar im Inland ge-
lingt es dem Staat nicht, ohne Schutz- und Subventionssy-
sterne die Funktionsfahigkeit des Wettbewerbs aufrecht zu
3
erhalten ) .
Bedrohte Unternehmen,
ganze Wirtschaftszweige erhalten
verbilligte Kredite, verlorene Zuschüsse, wenn der Staat
es für angebracht haIt. Uns ist kein zwischenstaatliches
Handels- bzw.
allgemeines Kooperationsabkommen bekannt,
in dem diese Form des Schutzes ausgeschlossen ware.
Seit
Plato und Aristoteles werden immer zwei Argumente für die
SchutzmaBnahmen geltend gemacht:
Erstens: Die Existenzgefahrdung des Individuums, des Un-
ternehmens oder des Staates selbst aIs absolute Macht.
Ganze Wirtschaftszweige werden dur ch Subventionen auf-
rechterhalten, um die Souveranitat des Staates nach aus-
sen zu sicherni die Agrarwirtschaft ist hierfür das auf-
falligste Beispiel. Der Verlust gesellschaftlicher Posi-
tionen,
ansteigende bzw.
hohe Arbeitslosigkeit und die
damit verbundenen Einkommensreduktionen werden heraufbe-
schworen, um SchutzmaBnahmen zu rechtfertigen.
1)
Siehe dazu: Fels, G., Die Exportnotwendigkeiten der
Entwicklungslander und der AnpassungsprozeB in den In-
dustrielandern,
in: Giersch,
H.
(Hrsg.), Probleme der
weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung, Berlin 1974, S.
200.
2)
Travis, W.P., The Theory of Trade and Protection, Cam-
bridge/Mass.
1964, vgl.
u.a.
S.
113 ff.
3) VgI.
dazu Kantzenbach, E., Die Funktionsfahigkeit des
Wettbewerbs,
2.
durchgesehene Aufl., G6ttingen 1967.

-
55 -
Zweitens: Die Stârkung und Aufrechterhaltung des Wettbe-
werbs.
Die Hauptbegründung für den sog. Entwicklungspro-
tektionismus wird in der Schutzbedürftigkeit einer begin-
nenden Industrialisierung gesucht.
In die deutsche Wirt-
schaftsgeschichte hat Friedrich List diesen Gedanken des
Erziehungszolls eingeführt: "Das Doua nensys tem~
ais Mi ttel
die ëkonomische Entwicklung der Nation vermittelst Regu-
lierung des auswârtigen Hanàels zu fërdern, muB stets das
Prinzip der industrieZZen Erziehung der Nation zur Richt-
schnur nehmen"1) .
GemâB der Grundauffassung des Erziehungszolls kann es sich
ais notwendig erweisen, eine beginnende Industrialisierung
zunachst dur ch SchutzmaBnahmen im Sinne der Restriktions-
politik konkurrenzfâhig zu machen. Auch der Artikel XVIII
2
der GATT-Bestimmungen bekennt sich dazu ). AuBerdem sehen
aile bekannten internationalen Handelsvertrâge sog. Anpas-
sungs- bzw.
Rationalisierungssubventionen oder zinsverbil-
ligte Kredite vor, die jederzeit ais SchutzmaBnahme einge-
setzt werden kënnen.
Wie bereits dargelegt, geht es uns nicht um ein Plâdoyer
3
für bzw.
gegen den protektionismus ), sondern darum, ver-
stândlich zu machen, daB SchutzmaBnahmen der natürlichen
Ahwehrreaktion des Menschen entsprechen. Wer gefâhrdet ist
bzw.
sich bedroht fühlt,
schützt sich; wer konkurrieren
will, bereitet sich zunâchst auf den Wettbewerb vor und
1) List, F., Das nationale System der politischen 5konornie,
Basel, Tübingen 1959, S.
44;
siehe auch die Kapitel 26,
S.
237 ff.
und die Kapitel 27, S.
279 ff.
2) Vgl. den Text bei Liebich, F., Das Gatt, Eine Textausga-
be des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, Genf,
Febr.
1961, Baden Baden/Bonn 1961.
3)
Siehe eine zusammenfassende Darstellung der Argumente
für und gegen den Protektionismus bei:
Rittershausen, H.,
Internationale Handels- und Devisen-
politik,
2. erw.
und neubearb. Aufl., Frankfurt/M.
1955,
S.
295 ff.

-
56 -
dies unter Konkurrenzbedingungen, die der eigenen Situa-
tion angepaBt sind. Es steht nicht zur Debatte, ob diese
quasi intuitiven Abwehrreaktionen des Menschen zweckmaBig
sind oder nicht. Wir stellen sie fest und sind der Über-
zeugung, daB sie nicht in dem AusmaBe abzubauen sind wie
die Lage der Entwicklungslander es erforàert.
"Die Einsicht, daB dem Export eine Schlüsselrolle im Ent-
wicklungsprozeB zukommt, hat sich im Laufe der sechziger
Jahre durchgesetzt"1) . Die empirische Relevanz dieser Aus-
sage stellen wir in bezug auf mindestens 90 % der Entwick-
lungslander fundamental in Frage. Die zunehmende Verschlech-
terung der sozialen und wirtschaftlichenSituation
in der
Dritten Welt ist auf diese Fehleinsicht zurückzuführen,
denn dadurch werden diese Lander irregeführt, die eigent-
liche
Potentialitat ihrer Entwicklung, die 70 % bis 80 %
der in der Subsistenzwirtschaft lebenden Bevëlkerung in
2
der Marginalitat vegetieren zu lassen ) .
Süd-Korea, Taiwan,
Hongkong und Israel werden aIs erfolg-
reiche Lander für exportorientierte Industrialisierungs-
politik angeführt. Dabei bleibt unerwahnt, daB die histo-
rische Sondersituation das Fundament dieser Erfolge ist.
Nicht der auslandische,
sonder primar der inlandische Ab-
satzmarkt wird eine Schlüsselrolle im Entwicklungsproze2
der DrittenWelt spielen.
Bei dieser Konzeption ist die
Industrialisierung inlands- und nicht auslandsbezogen.
Wir sprechen in diesern Zusarnrnenhang von einem Entwick-
lungskonzept. Bei dieser Betrachtungsweise wird die Ent-
wicklung des Traditionalsektors
(TS)
direkt und nicht über
1) Fels, G., Die Exportnotwendigkeiten der Entwicklungs-
lander und der AnpassungsprozeB in den Industrielan-
dern,
a.a.O., S.
193.
2)
Zurn Problem der Marginalitat in den Entwicklungslandern
siehe:
Dams, T., Marginalitat, Motivierung und Mobilisierung
von Selbsthilfegruppen a13 Aufgabe der Entwicklungspo-
litik,
in:
Schriften der Kübelstiftung, Nr.
3, Bensheim
1970, S.
10 ff.

-
57 -
einen international herbeigeführten Spill-over-Effekt an-
gestrebt.
Der Modern-Sektor
(MS)
produziert in ers ter Linie für sich
und für den TS; eine arbeitsteilige Strukturierung des TS
wird weitgehend durchgeführt; d.h. die Heterogenitat und
der insulare Charakter dieses Sektors werden bewuBt und
unmittelbar abgebaut. Der TS.produziert für sich und für
den MS;
beide Sektoren stehen nach wie vor mit der Welt-
wirtschaft in Verbindung,
sind aber wie die nachstehende
Darstellung zeigt, enger miteinander zusarnmengewachsen und
verflochten.
Diese zusarnmenhange konnen zu Fehlinterpretationen führen,
namlich, daB hier für eine isolationistische Entwicklungs-
politik pladiert wird.
Keineswegsl Das Zusarnmenwachsen von
Modern- und Tratitional-Sektor stellt einen Stabilisator
dar und wirkt stimulierend auf die Weltwirtschaft.
Die enormen Preisschwankungen, denen Primargüter aus Ent-
wicklungslandern ausgesetzt sind, verunsichern die Konsurn-
und Investitionsnachfrage der betroffenen Lander. Je mehr
diese Primargüter im Inland verarbeitet werden, desto we-
niger ist die Dritte Welt von den Preisfluktuationen die-
ser Güter abhangig; sie kann urn so mehr Investitionsgüter
von den Industrielandern erwerben.
Es ist ein weitverbreiteter Irrtum,
anzunehrnen, daB es den
Industrielandern urn so besser geht,
je unterentwickelter
die Dritte Welt bleibt. Die Dritte Welt muE do ch aIle In-
dustrieprodukte, die sie benotigt, aber nicht selbst pro-
duzieren kann, erwerben; dadurch rnüBte das Handelsvolurnen
der Industrielander zunehrnen. Die Wirklichkeit zeigt je-
doch, daB der Welthandel sich am intensivsten unter den
reichen Nationen vollzieht. Die Erfahrungen des Alltags
bestatigen sich: wer arm ist, hat nur begrenzte Kaufmog-
lichkeiten.

- 58 -
Fig.
II,3: En"':..,.;".::klungsland und Weltwirtschaft: organisches
Entwicklungskonzept
Organisation und Arbeitskrafteeinsatz sind zunachst die
1
tragenden Saulen der organischen Entwicklungsstrategie )i
ihr unmittelbares Ziel ist die Umwandlung des TS in den
MS durch die Schaffung von Einkommen im Inland mittels
Mobilisierung und gezielten Einsatzes der brachliegenden
Arbeitskraft. Dies erfordert die Strukturierung des Tra-
ditional-Sektors und die Organisation eines arbeitsteili-
gen Produktionsprozesses im Inland.
3.2.3. Zur Praktikabilitat inlandsbezogener Produktions-
programme
Der Staat stellt in seinen Grenzen eine absolute Macht
dari
daraus ergibt sich, daB er über Freiheit und Unfrei-
heit seiner Bürger,
ja über deren Leben und Tod entschei-
den kann. die uns bekannten politischen Systeme, die indu-
striellen Strukturen,
in denen wir leben,
liefern greif-
bare Beispiele für diese praktisch unbegrenzte Macht des
Staates. Dieser "Absolutismus" relativiert sich im Rahmen
der zwischenstaatlichen Bezi.ehungen. Mit anderen Worten,
nicht alles, was im Inland wünschenswert und machtpolitisch
1)
Wir kommen spater bei der Modellbeschreibung auf die
Bedeutung des Begriffs "0rgan ische Entwicklung" zurück.

-
59 -
rea1isierbar ist, kann auch im Aus1and durchgesetzt wer-
den. Für die Entwick1ungs1ander ist es von hohem prakti-
schenWert, ihre Entwick1ungsprogramme in erster Linie nach
der Menge und Zusammensetzung des In1andskonsums zu konzi-
pieren.
Wie wir gesehen haben:
"If,
first,
their exportable pri-
mary products face a low rate of expansion in externa1 de-
mand and if, second1y, their exports of manufactured goods
encounter obstacles, there remains on1y a third possible
1
opening: output expansion for home consumption"
).
In die--
ser Aussage Nurkses erscheint jedoch die Ausrichtung des
Produktionsprogramms auf die heimische Nachfrage a1s 1etz-
te Alternative, auf die zurückgegriffen wird,
fa11s die
exportorientierte Industria1isierungsstrategie scheitert.
Nach unserer Auffassung ist die heimische Nachfrage nicht
die 1etzte, sondern die erste SteuerungsgrëBe der Entwick-
1ungsgesta1tung.
Die ausfuhrbezogene Konzeption der Entwick1ungspo1itik
muBte, wie wir gesehen haben,
scheitern, weil die heimi-
schen Konsumenten nur eine periphere Rolle spie1en. Aber
nicht nur theoretische Argumente,
sondern auch pragmati-
sche Erwagungen ste11en die Praktikabi1itat der exogenen
Entwick1ungsstrategie in Frage.
Nach einem Ahsatz Linders ist die prinzipie11e Vorbedingung
für die Herste11ung eines Gutes die begründete Hoffnung,
2
dieses Gut im Inland absetzen zu kënnen );
"jeder", schreibt
auch Adam Smith,
"ist bestrebt, viel von seinem Kapita1 ~,ëg-
1)
Nurkse, R., Pattern of Trade and Deve1opment, in:
Haber-
1er, G., Stern,
R.M.
(Hrsg.), Equi1ibrium and Growth in
the Wor1d Economy, Economie Essay by Radnar Nurkse, C2.!'1-
bridge/Masse
1962, S.
314.
2)
Linder, S.B., An Essay on T.rade and Transformation,
Stockholm 1961, S.
87.

-
60 -
lichst in der nachsten Umgebung und folglich zur Unter-
stützung des einheimischen Gewerbes zu investieren, na-
türlich immer vorausgesetzt, er kann damit die übliche
Kapitalverzinsung,
zumindest nicht sehr viel weniger aIs
diese,
erzielen. Aus diesem Grunde bevorzugt auch jeder
GroBhandler bei gleichen oder nahezu gleichen Gewinnaus-
sichten den Binnen- gegenliber dem AuBenhandel
"1)
Eine umfassende Begründung dieses beobachteten Sachverhal-
tes finden wir bei Linder. Nach Linders Ansicht reagieren
die Unternehmer aufgrund der unvollkommenen Marktlibersicht
2
zunachst auf die Bedlirfnisse ihrer unmittelbaren umgebung );
erst wenn sie bei dieser Marktbeobachtung Gewinnmoglichkei-
ten feststellen,
nehmen sie die Produktion auf.
Die Herstellung zahlreicher Güter beruht auf Erfindungen.
Wir wissen heute,
daB es keinen technischen Fortschritt,
3
keine vom sozialen Kontext losgelëste Innovation gibt ) .
Historisch betrachtet ist die Technik prlmar zur Losung
4
spezifischer inZandischer ProbZeme entwickelt worden ) •
Die Kommunikation zwischen Herstellern und Produktverwen-
dern ist -
so führt Linder fort -
für die Produktgestaltung
von praktischer Bedeutung. Diese Interaktionen sind im In-
land intensiver und kostengünstiger zu gestalten aIs im Aus-
landS) •
1) Smith, A., Wirtschaftspolitik,
"Der Wohlstand der Natio-
nen" , Buch 4, München 1974, S.
369.
2) Ahnlich ist die Argumentation Smiths, der betont, daB
das Auslandsgeschaft mit einem grëBeren Risiko verbun-
den sei; ebendort.
3) VgI. dazu Kuhn, T., Die Struktur wissenschaftlicher Re-
volutionen, Frankfurt/M.
1973.
4)
Siehe dazu: Usher, A., A History of Mechanical Inven-
tions, Cambridge/Masse
1954. Linder stützt sich eben-
falls auf dieses Werk.
5) Linder, S.B., An Essay on Trade and Transformation,
a. a. O., S. 90.

-
61 -
Wir wollen zunachst mit a.ller Deutlichkeit darauf hinwei-
sen, daB zwischen geschichtlichem Ablauf und Entwicklungs-
prozessen unterschieden werden muB. Die europaische Wirt-
schaftsgeschichte vollzog sich unter bestimmten Bedingun-
gen; sie ist deswegen nicht mit dem ëkonomischen ProzeB
schlechthin identisch. Die Kommunikation zwischen Niamey
und Paris ist heute intensiver und funktioniert einwand-
freier aIs zwischen der Hauptstadt Nigers und dem Hinter-
land. lm Produktionsprogramm der Industrielander gibt es
Produkte, die ausschlieBlich für den Export in Entwick-
1
lungslander hergestellt werden ).
Linders Ansatz ist jedoch von praktischer Relevanz für
die Entwicklungslander. Trotz erhëhter Kommunikation ist
es der Dritten Welt nicht mëglich, auf die Bedürfnisse
der Industrielander so adaq~at zu reagieren, daB aus die-
ser Interaktion der gewünschte Wandel und die Integration
des Traditional-Sektors in die Weltwirtschaft erfolgt. Die
meisten Bedürfnisse, die die Dritte Welt produktionstech-
nisch und marktgerecht befriedigen kann,
sind die Inlands-
bedürfnisse.
Jede Technik ist - wie angedeutet wurde - mit ihrem Ent-
stehungsort eng verbunden. Die Dritte Welt ist aufgrund
ihrer exogenen anorganischen Entwicklungsstrategie gezwun-
gen, Techniken zu importieren, die nicht für ihre Proble-
me konzipiert sind; es handelt sich deshalb um keine Kul-
turdiffusion, die an die Existenzbedingungen im Inland an-
k .. ft 2 )
nup

In Asian Drama zeigt Gunnar Myrdal, welche verheerenden
Wirkungen der Transfer von unangepaBten Techniken in den
1)
Z.B.
speziell für die Tropen hergestellte Kühlschranke,
Klimaanlagen.
2)
Siehe dazu auch: Kodjo, S.,. Probleme der Akkulturation
in Afrika, Meisenheim a. Glan 1973, S.
39 ff.

-
62 -
1
Entwicklungslandern auslosen kann ). Durch den direkten
Technologietransfer wird in der Dritten Welt eine Desin-
tegration der sozialen Ordnung angebahnt, ohne daB neue
zusammenhangende Strukturen an ihre Stelle treten.
Da der Modern-Sektor dieser Lander auslandsorientiert ist,
entspricht die Produktionstechnik dieses Sektors dem in-
2
ternationalen Standard ); das steht im Widerspruch zum
Stand des Ausbildungsniveaus in der Dritten Welt; die In-
tegration der Bevolkerung aus der Subsistenzwirtschaft in
den modernen arbeitsteiligen okonomischen ProzeB kann auf
diese Weise, wie uns die Wirtschaftsgeschichte Europas
zeigt, nur mit einer langen Verzogerung erwartet werden.
Die organische, endogene Entwicklungsstrategie stellt eine
Alternative dar, deren Pragmatismus unverkenn~ar ist. Die
absolute Macht des Staates laBt keinen Zweifel an der Mo-
bilisierbarkeit der Inlandsbevolkerung für produktive Zwek-
ke aufkommen.
"S e i t Herodot haben die Beobachter stets die
groBen Errungenschaften der agyptischen Baukunst bewundert
-
die Pyramiden, die Tempel, die Palaste, die Bewasserungs-
systeme des Nils. Diese Tatsachen beruhen auf der Organi-
sation menschlicher Dienstleistungen im Sinnekollektiver
Ziele aufgrund einer Legitimation, welche die Verwandt-
3
schaftsbindungen transzendiert"
).
"Die naheliegendste mo-
derne Analogie ist der Militardienst, den ein Normalbürger
leistet, auBer daB der Führer der agyptischen Bürokratie
1)
Myrdal, G., Asian Drama, An Inquiry into the Poverty of
Nations, Vol.
3, New York 1968, S.
688 ff.
bzw.
S.
1186
ff.
2)
Baranson, J., Role of Science and Technology in advanc-
ing Development of newly industrializing States, in:
Socio-Economic Planning Sciences, Vol.
3,
1969.
Nach Schatzungen Baransons führt Indien 99 % seines tech-
nischen Wissens für den industriellen Sektor aus Indu-
strielandern ein;
importiert werden aber primar die tech-
nisch modernsten Maschinen und Verfahren;
vgl. S.
352.
3) Parsons, T., Gesellschaften, Frankfurt/M.
1975, S.
91.

-
63 -
keines besonderen Notstandes bedurfte, um legitime Ver-
pflichtungen einzufordern~1).
Diese Organisation der Arbeitskraft, eine entscheidende
Neuerung der agyptischen Kultur, scheint uns der zweck-
maBigere Ansatz zu sein, um die Wandlung zu vollziehen,
welche mindestens für den Traditional-Sektor der Entwick-
lungslander adaquat ware.
Die Beschaftigung - ob Eigen- oder Fremdbeschaftigung -
ist irnmer die Grundvoraussetzung der Wertschëpfung und
damit des Entwicklungsprozesses:
auch die reife Frucht
muB gepflückt bzw. aufgehoben, das Wild gefangen werden.
Nur durch Arbeit vermëgen wir die Welt zu verandern, Mëg-
lichkeiten der Bedürfnisbefriedigung zu schaffen.
Aus der Quelle unserer Wünsche, die teils natur-, teils
sozialbedingt sind, verdichten sich die zu befriedigenden
Bedürfnisse, deren Art und Umfang maBgeblich auch von den
geschaffenen Mëglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung ab-
hangen.
Natürliche ~und kulturelle Bedürfnisse entstehen im ge-
schichtlichenAblauf wie von selbst, aber wieviele davon
befriedigt werden kënnen, hangt allein davon ab, wieviel
dafür gearbeitet wird. Auf dieses sozialëkonomische Ge-
setz ist es zurückzuführen, daB die befriedigbaren Be-
dürfnisse einer Gesellschaft unabdingbar yon ihrem eige-
nen bzw.
fremden Arbeitseinsatz abhangen.
Diese ursprünglichen, mit Hilfe des nachstehenden Dia-
grarnms veranschaulichten Beziehungen zwischen Arbeit,
Wertschëpfung und Bedürfnisbefriedigung werden auf jeder
Entwicklungsstufe bestehen bleiben. Eine Verlagerung der
Arbeitsleistung kënnte in der Weise stattfinden, daB uns
1) Parsons, T., Gesellschaften, a.a.O., S. 93.

-
64 -
Automaten überflüssig maeheni
sie müssen aber vorher zweck-
entspreehend konzipiert und eingesetzt werden. Die tertiâ-
re Zivilisationsepoehe wird also aueh mit Arbeit verbunden
sein.
Offenbar gibt es keine mensehliehen Gesellsehaften ohne
Arbeitseinsatz. Damit bleibt die Aussage der Sehëpfungs-
gesehiehte, Gen.
3,19, unwid~rlegt: lm SehweiBe Eures An-
gesiehts werdet Ihr Euer Brot verdienen. Ein Flueh?
Fig.
II,4: Die Arbeit aIs Ursprung des Waehstumsprozesses
Natürliche und
soziale Quellen
der Bedürfnisse
,
Geschaffene M6g-
Befriedigbare
~~
,lichkeiten der
Bedürfnisse
Bedürfnisbefrie-
digung
Arbeitseinsatz
(Beschâftigùng)
Die Besehâftigung ist trotz ihrer zentralen Bedeutung nur
eines der seehs Globalziele der Natio~alëkonomie1)i es ist
1)
Es werden genannt:
stetiges Waehstum, gereehte Einkom-
mensverteilung, Vollbesehâftigung, Preisstabilitat,
ausgegliehene Zahlungsbilanz, regionale Entwieklungs-
fërderung.

-
65 -
selten, daB sie in der Zielhierarchie an ers ter Stelle ge-
nannt und angestrebt wird. AuBer in Krisenzeiten, wenn die
Arbeitslosigkeit zu einem Politikurn zu werden droht, hat
man sich bis vor Keynes daran gewëhnt, die Beschaftigung
aIs Nebenprodukt des wirtschaftlichen Wachsturns anzusehen.
Die Hoffnung der Entwicklungslander, durch das Wachsen des
Modern-Sektors werde der Traditional-Sektor mit in den ar-
beitsteiligen ProzeB einbezogen, beruht auf dieser Auffas-
sung. Man hat sich also daran gewëhnt zu glauben, daB es
ohne Zuwachs des Sozialproduktes keine Beschaftigung geben
kann.
Die Analyse der ursprünglichen Beziehungen zwischen Ar-
beitseinsatz und wirtschaftlicher Entwicklung untermauert
aber die Beobachtung, daB der ProzeB gerade umgekehrt in-
duziert wurde. Wie konnte uns dieser Zusarnrnenhang verloren-
gehen?
lm nachfolgenden Kapitel wollen wir naher auf die Unterbe-
schaftigungssituation der Dritten Welt eingeheni sie ist
das Gravitationszentrurn der vorliegenden Untersuchung. An
der Beseitigung der Arbeitslosigkeit wird zu messen sein,
wieweit ein integrativer Strukturwandel sich vollzogen hat,
d.h.
in welchem AusmaBe es gelungen ist, die Kluft zwischen
Modern- und Traditional-Sektor zu überbrücken und die Wi-
dersprüche, die das gegenwartige System kennzeichnen,
zu
beseitigen.

-
66 -
4. Formen der Arbeitslosigkeit und ihre Erkl!rungsmodelle
Beschaftigungslosigkeit, definiert aIs ein Zustand, bei
dem der Arbeitswillige keine Beschaftigung findet,
ist ein
Epiph!nomen der arbeitsteiligen Wirtschaftsgestaltung.
Ihr
geh!uftes Auftreten wird ebenso gefürchtet wie die Seuche
in vergangenen Jahrhunderteni die Folgen sind !hnlich. Wie
entsteht nun die Arbeitslosigkeit? Unter welchen Erschei-
nungsformen t r i t t sie auf? Hat die Unterbesch!ftigung in
der Dritten Welt einen anderen Charakter aIs in den moder-
nen Industriegesellschaften? Welches sind ihre spezifischen
Ursachen? Lassen sie sich beseitigen?
4.1. Die Arbeitslosigkeit in der Nationalëkonomie
4.1.1. Die klassische Hypothese
Die neuzeitliche Besch!ftigungstheorie hat sich seit der
Weltwirtschaftskrise der dreiBiger Jahre entscheidend ge-
wandelt. Bis dahin herrschte die Auffassung, daB die Wirt-
schaft - von kurzfristigen Schwankungen abgesehen -
irnmer
zu einem Gleichgewicht bei Vollbesch!ftigung tendiert. Al-
les verlief gem!B dem Sayschen Theorem, nach dem sich jedes
Angebot seine notwendige Nachfrage schafft: "Il est bon de
remarquer qu'un produit terminé offre dès cet instant un
débouché â d'autres produits"
. . .
"On voit donc que le fait
seul de la formation d'un produit ouvre dès l'instant même,
un débouché â d'autres produits"1). Damit ist die Besch!f-
. \\
tigung für die klassische Schule ex definitione Vollbeschaf-
tigung.
In einer Volkswirtschaft ohne staatliche Aktivitat und mit
freiem atomistischem Wettbewerb kann es keine Arbeitslosig-
keit geben. Die Bestirnmungsfaktoren der Nachfrage und des
1) Say, J.B., Traité d'Economie Politique (1966),
a.a.O.,
S.
141 f.

-
67 -
Angebots pende ln sich so ein, daB die Unternehmer genauso-
viel Arbeitskraft nachfragen wie die Arbeiter anzubieten
gewillt sind.
In diesem System ist der Reallohn die hauptsachliche Moti-
vation des Arbeitsangebotes. Liegt er hoher aIs der Gleich-
gewichtslohn - bei Vollbeschaftigung - entsteht eine Kon-
kurrenz unter den Arbeitern um den hoheren Lohn, so daB
der Reallohn bis zum Gleichgewichtslohn absinkt. Der Gleich-
gewichtszustand bei Vollbeschaftigung kann aber dadurch ge-
stort werden, daB die Haushalte mehr sparen aIs die Unter-
nehmer investiereni die Vollbeschaftigung ware dann gefahr-
det. Dank des Zinsmechanismus wird jedoch der Zinssatz auf
Grund des Uberangebotes an gespartem Einkommen so weit sin-
ken, daB die freiwilligen Investitionen den freiwilligen
1
Ersparnissen genau entsprechen.
)
Diese klassische Beschaftigungstheorie ist besonders seit
Keynes
(1936)
so eingehend analysiert und kritisiert wor-
den, daB sie hier keine weitere Erwahnung finden solI. Wir
wollen jedoch in bezug auf die Entwicklungslander folgendes
festhalten: Die klassische Auffassung der Beschaftigungs-
problematik wurde im Rahmen einer bereits existierenden
und funktionierenden Marktwirtschaft konzipiert.
In der
Dritten Welt hat die Verkehrswirtschaft
jedoch erst einen
kleinen Teil der Volkswirtschaft erfaBti
ihre Funktionsfa-
higkeit hangt auBerdem vom Ausland ab und beschrankt sich
auf die Hauptstadte.
In den Entente-Landern ist die Nationalokonomie zu mehr
aIs 75 % eine Selbstversorgungsgesellschaft. Die "Produk-
tion wird vorwiegend noch aIs erweite~te Hauswirtschaft be-
1)
Zur ausführlichen Darstellung dieser Zusammenhange sie-
he: Fohl, C., Geldschopfung und Wirtschaftskreislauf,
München 1937.
.
Pigou, A.C., Employment and Equilibrium, London 1941.

- 68 -
trieben und unmittelbar auf den eigenen Konsum ausgerich-
tet, auf die Befriedigung aller Grundbedürfnisse, von der
Ernahrung bis zur Wohnung, Feuerung und Beleuchtung, teil-·
weise auch Bekleidung. Bei geringem Marktanteil und nur ru-
dimentarer Einbeziehung in die Geldwirtschaft konnte man
von SelbstversorgungsgeseZlschaften sprechen,,1).
Damit hier einer marktwirtschaftlichen Strategie zum Durch-
bruch verholfen werden kann, muB ein MindestmaB an verkehrs-
okonomischen Wachstumsbedingungen geschaffen werden, vor
2
allem für den Traditional-Sektor ). Das wird synchron mit
der Transformation dieses Sektors erfolgen müssen, damit
Modern- und Traditional- Sektor sich nicht wei ter auseinan-
der entwickeln. Wie sich aber der Übergang von der tradi-
tionellen Selbstversorgungsgesellschaft zu dem arbeitstei-
ligen, marktorientierten Produktions- und Distributions-
prozeB vollzogen hat,
ist nicht genau bekannt und deshalb
kontrovers.
In der Entwicklungslanderforschung macht sich ein manicha-
istischer Dualismus breit. Die klassische marktwirtschaft-
liche Strategie, bei der der Staat lediglich Rahmen- und
Ordnungsfunktionen übernehmen darf, wird als ein auch in
der Frühphase des Entwicklungsprozesses gültiger Ansatz an-
3
gesehen ). Dem gegenüber wird die Auffassung vertreten, daB
allein der Sozialismus mit ideologischem Unterbau moglichst
.
kommunistischer Art eine stetige Entwicklung von Anfang an
bis zur klassenlosen Gesellschaft und Konsumfreiheit garan-
1) Priebe, H., Die überwindung von Dualismus und Einbezie-
hung der landlichen Bevolkerung in den Entwicklungspro-
zeB, in: Priebe, H.
(Hrsg.), Das Eigenpotential im Ent-
wicklungsprozeB, a.a.O., S.
19; die Sperrung ist von
Priebe selbst.
2) Vgl.
dazu: Clapham, R., Marktwirtschaft in Entwicklungs-
landern, Freiburg i. Br.
1973, vor allem S. 171
ff.
3)
Das Werk Claphams - Marktwirtschaft in Entwicklungslan-
dern -
ist ein treffliches Beispiel dieser Richtung.

-
69 -
tiert. Jede Abweichung von diesen beiden Positionen wird
als Orthodoxie angesehen. Unverkennbar reflektiert der Du-
alismus ideologische Ost-Westkonflikte. Müssen realwissen-
schaftliche Bemühungen um überprüfbare empirische Aussagen
diese Schranken beachten?
Die ZweckmaBigkeit der Einteilung der Wirtschaftsentwick-
1
lung in Phasen ist heute nicht mehr umstritten ). Genauso
wie die sektorale Einteilung von Clark und Fourastié, ge-
hërt sie zum theoretischen Konzept der ëkonomischen For-
schung. Als problematisch und umstritten dagegen werden
einzelne Einteilungskriterien angesehen. Ferner ist die
Frage relevant, ob die verschiedenen Stufen von einander
zu unterscheiden sind, oder ob sie ineinander übergehen.
Wenn die Idee der wirtschaftlichen Entwicklung in Stufen
als reale Aussage akzeptiert ist, dann ergibt sich daraus
die Frage, ob der Staat in jeder Phase die gleichen Aufga-
ben übernehmen muB.
Die Mehrheit der Bevëlkerung in der Dritten Welt - minde-
stens 75 % in Afrika -
lebt in Verhaltnissen, die hëchstens
mit den Lebensbedingungen des europaischen Mittelalters
vergleichbar sind. Wie.kënnen sie realwissenschaftlich ge-
sehen in Konkurrenz zu den modernen Industriegesellschaf-
ten bestehen? Es zeigt sich in den Entente-Landern, daB
die Kluft zwischen Modern- und Traditional-Sektor und da-
mit auch zwischen diesen Landern und den Industriestaaten
zunimmt.
Es gehërt zu den Grundanliegen dieser Untersuchung, ver-
standlich zu machen, daB der Entwicklungsstaat die Markt-
1) Die im Rahmen der Entwicklungslanderforschung am mei-
sten diskutierte Stufentheorie ist die Phaseneinteilung
von Rostow, W., Stadien wirtschaftlichen Wachstums,
Eine Alternative zur marxistischen Entwicklungstheorie,
Gëttingen 1960.

-
70 -
wirtschaft in besonderer Weise herbeiführen muB, wenn in
relativ kurzer Zeit die im Augenblick wichtigsten Proble-
me der Dritten Welt - Massenarmut und Massenarbeitslosig-
keit -
spürbar gedampft werden sollen. Dabei wird es nicht
ausreichen, daB der Staat sich auf die Ausarbeitung von
1
konstituierenden und regulierenden Prinzipien beschrankt ).
Für diejenigen, die auf Grund der nachgewiesenen Leistungs-
fahigkeit der Marktwirtschaft davon ausgehen, die Dritte
Welt konne ab sofort diese Strategie verfolgen, folgende
Feststellung von Priebe:
"Wir vergessen leicht, daB die
Grundlagen unserer europaischen Wirtschaft vor Einführung
der Marktwirtschaft entstanden und daB diese auch hier nir-
gends in der Lage war,
schwerwiegende Strukturunterschiede
von selbst auszugleichen. Nord- und Süditalien sind dafür
ein Musterbeispiel: Wahrend eines Jahrhunderts im gleichen
marktwirtschaftlichen Raum haben sich die wirtschaftlichen
und sozialen Unterschiede zwischen beiden Landesteilen zu-
2
nehmend verscharft"
) .
Mit dieser Auffassung wollen wir die Entwicklungslander
nicht dazu veranlassen, die private Initiative in der Drit-
ten'Welt zu behindern,
zu beseitigen und zu ersetzen. lm
Gegenteil, der Staat solI diese Initiative ermutigen und
fordern, weil sie sich bei Produktion und Verteilung von
Gütern bewahrt hat. Nur bis die inlandische private Initi-
ative sich in dem AusmaBe entwickelt hat, wie sie benotigt
wird, kann der Staat als stellvertretender Unternehmer und
Organisator auftreten. Er muB eine Regentschaft übernehmeni
das scheint uns für die Dritte Welt unumganglich zu sein.
1)
Zu diesen Prinzipien vgl.: Eucken, W., Grundsatze der
Wirtschaftspolitik,
3. Aufl., Tübingen,
Zürich 1960,
S.
245 ff.
2) Priebe, H., Überwindung von Dualismen und Einbeziehung
der landlichen Bevolkerung in den EntwicklungsprozeB,
a.a.O., S.
24.

-
71 -
Die Dringlichkeit der Probleme macht es zwingend.
Historisch bekannt und deshalb für viele so erschreckend
ist, daB ein Regent, um bei diesem Bild zu bleiben, den
jungen Monarchen nicht nur vertritt, sondern auch verdr~n­
gen und ersetzen kann. Damit ist ein Grundproblem der
Stellvertretung im Sinne des Vertretenen angesprochen.
1
Weil das Machtmonopol des Staates zu totalit~rem MiBbrauch
führen kann und wegen der Schwerf~lligkeit des staatlichen
Verwaltungsapparates,
ist der Ersatz der privaten Initia-
tive durch den Staat, auch nur zeitweilig, nicht unbedenk-
lich.
Was kann jedoch im Leben nicht alles passiéren? Die Erde
kann sich unter unseren FüBen auftuni das ist oft genug
geschehen. Ein Unternehmen kann zugrunde gehen. Aber das
alles nehmen wir aIs Herausforderung an, weil wir keine
andere Alternative haben, aIs weiter zu leben, Unterneh-
mungen zu gründen, trotz der Gefahren, denen wir uns da-
bei aussetzen.
In der Dritten Welt ist die Situation ~hn­
lich. Das Machtmonopol des Staates ist eine Herausforde-
rung, der man sich stellen muB.
4.1.2. Keynes und die Weiterentwicklung der Besch~ftigungs­
theorie
Der bahnbrechende Beitrag Keynes'
in bezug auf die Besch~f­
tigungsproblematik besteht in der Entwicklung einer Theorie
der effektiven Nachfrage~ welche die Hohe der Gesamtproduk-
1
tion und damit des Besch~ftigungsniveausbestimmt ) .
1)
Zu diesen Ausführungen siehe: Keynes, J.M., AIlgemeine
Theorie der Besch~ftigung, des Zinses und des Geldes,
Berlin-Neukolln 1955.

-
72 -
Diese tiberlegung, die bereits bei Malthus in Ansatzen vor-
handen war, geht von der einfachen, aber keineswegs selbst-
verstandlichen Feststellung aus, daB Arbeitslosigkeit nur
dann existiert, wenn die Nachfrage na ch Gütern und Dienst-
leistungen nicht ausreicht, um aIle Produktionsfaktoren zu
1
beschaftigen ). Diesem Postulat zufolge ist die Beschafti-
gung eine abhangige Variable der Gesamtnachfrage. Bei Key-
nes geht Arbeitslosigkeit Rand in Rand mit unausgelasteten
Produktionskapazitaten.
Obwohl diese Theorie mit Blick auf die depressive Situation
der dreiBiger Jahre konzipiert wurde und sornit konjunktu-
relIe Arbeitslosigkeit behandelt, enthalt sie Kerngedanken,
die für die Entwicklungslander von Bedeutung sein konnen.
Was sind die wesentlichen Elemente der Beschaftigungstheo-
rie Keynes?
Drei wirtschaftsirnrnanente Verhaltensweisen beeinflussen
entscheidend die Rohe der effektiven Gesamtnachfrage, von
der die Beschaftigung abhangt:
die Konsumeignung, die In-
vestitionseignung und die Liquiditatsvorliebe .
.
Nach der Theorie Keynes und auf Grund verschiedener empi-
rischer Beobachtungen gelan9t man zu der Folgerung, daB
der Rang zurn Verbrauch relativ stabil ist. Budgetuntersu-
chungen in den Vereinigten Staaten von Arnerika haben sogar
ergeben, dafr die Zuwachsrate der Konsumausgaben in jeder
2
Einkornrnensklasse konstant bleibt ). Ob dièse empirischen
Aussagen auch für die Lander Westafrikas zutreffen,
ist
auf Grund der strukturellen Unterschiede fraglichi
die
Feststellung der Wachsturnsrate der Konsumausgaben in einer
Selbstversorgungswirtschaft erweist sich auBerdem aIs lang-
~). Zu diesen Ausführungen siehe: Keynes, J.M., AIIgemeine
Theorie der Beschaftigung, des Zinses und des Geldes,
a.a.O., S.
20 ff.
.
2) Vgl.
dazu: Klein, L.R., Die Keynessche Lehre, Das Neue
und das Alte,
in: Weber,
(Hrsg.), Konjunktur- und
Beschaftigungstheorie, Koln, Berlin 1967, S.
35 f.

-
73 -
wierig und problematisch.
Dagegen ist die Aussage in bezug auf die Zusammenhange
zwischen Realeinkommen und Konsum für die Entwicklungslan-
der relevant, worauf wir im einzelnen noch eingehen werden.
Abgesehen von psychologischen Komponenten hangt die Konsum-
eignung von drei Determinanten ab:
Realeinkommen, Preisni-
veau und Zinssatz. Dieser letzte Bestimmungsfaktor kann ver-
nachlassigt werden, denn in keiner statistischen Untersu-
chung konnte eine signifikante Korrelation zwischen Konsum
und Zinssatz festgestellt werden, wohl aber zwischen Kon-
sum und Einkommen.
Daraus wird die Konsequenz abgeleitet, daB die Konsumfunk-
tion zinsunelastisch isti mit anderen Worten, der Konsum
1
reagiert auf Anderungen des Zinssatzes nur marginal ) i
er
hangt lediglich vom Einkommen und vom Preisniveau oder an-
2
ders ausgedrückt allein vom Realeinkommen ab ).
lm Keynesschen Gleichungssystem der Determinanten des Volks-
einkommens und der Beschaftigung gibt es eine einfache Re-
lation zwischen Einkommen und Sparen: Ersparnisse sind
nichtkonsumiertes Einkommeni
insofern sind die Bestimmungs-
faktoren der Ersparnisbildung die gleichen wiebeimKonsum-
tionsprozeBi hier wirkt der Zinssatz jedoch in umgekehrter
Richtung zum Konsum:
je hëher der Zinssatz, desto grëBer
die Ersparnisse.
Nach vorangegangener Erërterung steht fest,
daB die Be-
schaftigung eine abhangige Variable der Gesamtnachfrage
ist, und daB diese von drei Verhaltensweisen der Wirt-
1) VgI.
dazu: Klein, L.R., Die Keynessche Lehre, Das Neue
und das Alte,
in: Weber, W.
(Hrsg.), Konjunktur- und
Beschaftigungstheorie, a.a.O., S.
36.
2)
lm folgenden ist immer das Realeinkommen gemeint, wenn
vom Einkommen die Rede ist und keine Spezifikation hin-
zugefügt wird.

-
74 -
schaftssubjekte determiniert wird. Nachdem wir den ersten
Bestimmungsfaktor -
die Konsumneigung und ihre Umkehrung,
die Sparneigung -
dargestellt haben, sollen nun der Hang
zur Investition und die Liquiditatsvorliebe erortert wer-
,
den.
lm Zusammenhang mit der Investitionsneigung wird in
erster Linie die Nachfrage nach Investitionsgütern analy-
siert.
Die Investitionsentscheidung hangt im Keynesschen System
1
von der Grenzleistungsfahigkeit des Kapitals ab );
in die-
2
sem Rahmen ist der Unternehmer ein Gewinnrnaximierer.
)
Die Grenzproduktivitat des Kapitals ist ein Diskontsatz,
bei dem die Surnrne der diskontierten zukünftigen Einnahmen
den Anschaffungskosten neuer Kapitalgüter entspricht. Die
Grenzleistungsfahigkeit des Kapitals -
der Diskontsatz -
wird mit dem Marktzins verglichen;
liegt sie hoher, so kon-
nen nicht nur die Anschaffungskosten zurückgewonnen werden,
sondern es kann auch der Zins für aufgenommene Kredite zu-
rückgezahlt werden;
liegt sie darunter, so waren nur die
Anschaffungskosten, nicht aber die Zinsschulden aufzubrin-
gen.
Der Gewinn maximierende Unternehmer investiert sa lange,
bis die Grenzleistungsfahigkeit des Kapitals gleich dem
Marktzins ist.
Daraus konnte der SchluB gezogen werden, die Investitions-
güternachfrage hange vom Marktzins ab.
In empirischen Un-
tersuchungen konnte jedoch nachgewiesen werden, daB die In-
vestitionen zinsunelastisch sind; der Marktzins spielt nur
1) Siehe Fig. II.1 auf"Seite 44
2)
Zur Investitionsneigung vgl.: Keynes, J.M., AIIgemeine
Theorie der Beschaftigung, des Zinses und des Geldes,
a.a.O., Buch 4, S.
114 ff.

-
75 -
1
eine periphere oder gar keine Rolle.
) Dies hangt damit
zusammen,
daB in der Grenzleistungsfahigkeit des Kapitals
eine Risikovariable mitenthalten ist, die eine starkere
Wirkung auf die Investitionsentscheidung ausUbt als der
Zinssatz.
Nach empirischen Ermittlungen steht namlich fUr die Inve-
stitionsentscheidung der RUckfluB des zu investierenden Ka-
2
pitals innerhalb von 1 bis 5 'Jahren im vordergrund ) i
dies
bedeutet, daB die RUckfluBrate des Kapitals - Einnahrnen pro
Zeiteinheit -
die Investitionsentscheidung bestirnrnt.
Da im
Wirtschaftskreislauf Einnahrnen fUr die einen, Aus-
gaben fUr die anderen darstellen, und Ausgaben unrnittelbar
von der Hohe des Einkommens abhangen, kann der SchluB gezo-
gen werden, daB die Investitionshohe vom verfUgbaren Ein-
kornrnen abhangt.
FUr die weitere Untersuchung ist wichtig festzustellen,
daB
das Realeinkornrnen die Hauptdeterminante der Konsum- und In-
3
vestitionsneigung darstellt ) .
Auf eine eingehende Behandlung der Liquiditatspraferenz sei
im Hinblick auf den spezifischen Entwicklungsstand der Drit-
ten Welt verzichteti die verschiedenen Motive der Liquidi-
tatspraferenz sollen jedoch eine kurze Erwahnung finden,
um
das Keynesianische Bild der Bestirnrnungsfaktoren effektiver
Gesarntnachfrage abzurunden.
1)
Siehe dazu: Ebersole, J.F., The Influence of Interest
Rates upon Entrepreneural Decisions in Business, a Case
Study,
in: Harvard Business Review, Vol. XVII,
1958, S.
35.
Meade, J.E., Andrews, P.W., Surnrnary of Replies to Ques-
tions on Effects of Interest Rates,
in: Oxford Economie
Papers, Nr.
1, 1938, S. 14.
2) Mack, R.P., The Flow of Business Furides and Consumer Pur-
chasing Power, New York 1941, S.
255 ff.
3) Diese Simplifikation zurn Zwecke der Uberschaubarkeit wird
im Modell aufgehoben, da es.moglich ist, aufgrund des sy-
stemanalytischen Ansatzes die verrnaschten Beziehungen
zwischen verschiedenen DC'2rminanten gleichzeitig darzu-
stellen.

-
76 -
Drei Motive bestimmen die Liquiditatsneigung: das Transak-
1
tionsrnotiv, das Vorsichtsrnotiv und das Spekulationsrnotiv ).
Geht man davon aus, daB das Vorsichtsrnotiv ein Bestandteil
des Transaktionsrnotivs ist, ergeben sich nur zwei Grundmo-
tive: das Transaktions- und das'Spekulationsrnotiv.
Dernent-
sprechend unterscheidet Keynes bei der Kassenhaltung zwi-
schen Transaktions- und Spekulationskassen, die vorn Volks-
einkommen, von der Geldmenge'und vorn Zinssatz abhangen. Je
hëher das Volkseinkommen und/oder die Geldmenge, desto rnehr
Geld wird für die laufenden Transaktionen gebraucht. Nimmt
die Geldmenge zu,
so sinkt irn Normalfall der Zinssatz und
es besteht die Mëglichkeit, daB ein Teil der Spekulations-
kasse in die Transaktionskasse überwechselti der umgekehrte
ProzeB wird genau so plausibel dargestellt.
Darnit haben wir drei entscheidende Nachfragearten behandelt:
Konsumgüternachfrage, Investitionsgüternachfrage und Geld-
nachfrage
(für Transaktions- und Spekulationszwecke) .
Aus zurückliegenden Darstellungen ist bekannt, wie diese
A
t
f
d
P
d k
.
.
. k
2)
bl
. bt
ggrega e au
as
ro u tlonsprogramm elnWlr en
; es
el
nun zu analysieren, wie die Nachfrage nach bzw. das Angebot
an Arbeitskraft das tatsachliche Beschaftigungsniveau und
damit die Produktion
(Realeinkommen) rnëglich rnacht.
Das Realeinkommen ist nach Keynes eine Funktion der einge-
setzten Arbeitsrnenge; mit steigendern Einsatz an Arbeitskraf-
ten nimmt das Realeinkommen zu. Diese in der Wirtschaftsge-
schichte keineswegs erstrnalige Erkenntnis ist für die Ent-
wicklungslander von grundlegender Bedeutung. Es wird àabei
1) VgI.
dazu: Keynes, J.M., AIIgerneine Theorie der Beschâf-
tigung, des Zinses und des Geldes, a.a.O., vor allem
das 15. Kap., S.
163 ff.
Ders.: Vorn Geld, München, Leipzig 1932, besonders Kap.
3,
S.
27 ff.
2)
Das Schaubild II,1
(S.
44) bringt die Zusammenhange pla-
stisch zum Ausdruck; dabei wurde jedoch im Hinblick auf
die Entwicklungslander dL~ Nachfrage nach Geld nicht mit
aufgeführt.

-
77 -
jedoch unterstellt, daB die Produktionszunahrne dem Gesetz
des abnehrnenden Grenzertragszuwachses unterliegt: mit stei-
gendem Arbeitseinsatz sinken die Produktionszuwachse. Wie
die Grenzleistungsfahigkeit des Kapitals über die Investi-
tionshohe entscheidet, so bestirnrnt hier das Grenzprodukt
der Arbeit die Nachfrage nach Arbeitskraften. Monetar aus-
gedrückt entspricht der Geldlohn dem auf dern Markt erziel-
baren Wert des Grenzproduktesi es wird so lange nach Ar-
beitskraften nachgefragt, bis sich diese Gleichung ein-
stellt.
GemaB dieser Auffassung definiert Keynes die Arbeitslosig-
keit aIs jene Unterbeschaftigung, die durch die Senkung der
1
Reallohne beseitigt werden>konnte ). Bezogen auf die Ent-
wicklungslander würde dies bedeuten, daB die Masse der Ar-
beitslosen in der Dritten Welt durch eine entsprechende
Lohnsenkung beschaftigt werden konnte. Mindestens für den
Traditional-Sektor trifft diese Aussage nicht zu, da die
Lohne, sofern überhaupt welche gezahlt werden, nicht über
das Existenzminimurn hinausreichen.
In einer organisierten Verkehrsokonomie,
in der Arbeitslo-
sigkeit in einem begrenzten Umfang auftritt, mag plausibel
erscheinen, durch die Senkung der Reallohne eine Vollbe-
schaftigung zu erreichen. Dies bedeutet nicht, daB die Lohn-
politik in der Dritten Welt keinen EinfluB auf das Beschaf-
tigungsniveau hatte. Das Lohngefalle ist die Ursache für
die Verlegung der Produktionsstatten von Industrielandern
in Entwicklungslanderi daraus erfolgt ein beschaft~gungs­
wirksamer Effekt. Aber da die Lohne,
zlli~indest in Westafri-
ka, an der Schwelle des Existenzminimums liegen, kann ihre
Senkung nicht aIs Mittel zur Erreichung der Vollbeschafti-
gung angesehen werden.
1) Keynes, J.M., AIIgemeine Theorie der Beschaftigung, des
Zinses und des Geldes, a.a.O., S.
245.

-
78 -
Das Keynessche !'::mzept und die Wei terentwicklung der Be-
schaftigungstheorie haben jedoch klar gezeigt, daB zur Er-
reichung der Vollbeschaftigung das Grundproblem nach wie
vor darin besteht, die Ersparnisse in Investitionen zu über-
führen bzw. die fehlende Nachfrage durch erhohte Investi-
tionen zu kompensieren.
Da das analytische Instrurnentarium nicht in bezug auf die
Situation der Entwicklungslander geschaffen wurde, müssen
wir urndenken, wenn Teilergebnisse der theoretischen For-
schung für die Dritte Welt nutzbar gemacht werden sollen.
Wenn z.B.
aus der Feststellung, daB in den Entwicklungslan-
dern eine Nachfragelücke besteht, die Empfehlung ausgespro-
chen wird,
sie durch erhohte Investitionen auszugleichen,
welche Investitionen sind dann gemeint? Welches sind die
Ersparnisse der Dritten Welt, die es in Investitionen urnzu-
wandeln gilt? Wie ist überhaupt in einer "Mangelgesell- :
schaft",
in der die elementarsten Bedürfnisse wie Nahrung,
Bekleidung, Behausung nur minimal befriedigt werden, Ar-
beitslosigkeit moglich?
4.2. Die Arbeitslosigkeit in der Dritten Welt
Joan Robinson schrankte als erste den Geltungsbereich der
Aussagen Keynes hinsichtlich der Arbeitslosigkeit ein. Ein
MindestmaB an Arbeitsteilung und Tauschprozessen, so meinte
sie, müBte eine Volkswirtschaft aufweisen, in der diese ana-
lytischen Erkenntnisse Gültigkeit haben konnten. Bereits
1936 schrieb sie: "An economy consisting of self-supporting
families each working their own land must always enjoy full
employment,
since each individual i5 free to vlork as long
as he considers the real reward he obtains a sufficient in-
ducement for his efforts,,1). Kennt dann eine Selbstversor-
gungsgesellschaft keine Arbeitslosigkeit?
1)
Robinson, J., Disguised Unemployment,
in: The Economie
Journal, Vol.
6,
1936, S.
225.

-
79 -
4.2.1. Subsistenzwirtschaft und Arbeitslosigkeit
Der arbeitsteilige WirtschaftsprozeB ist eine neue Erschei-
nung in der Geschichte; die Urgemeinschaften waren aIle zu-
nachst Selbstversorger. Dabei zeigt sich, daB die okonomi-
schen Beziehungen nichts anderes darstellen aIs eine sekun-
dare Form der gemeinschaftlichen Interaktionen: Nicht der
sog. homo oeconomicus, sondern der homo sociologicus domi-
nierte und bestimmte das soziale Leben; dazu Emile Durkheim~
"Dans tous ces exemples, le plus remarquable effet de la di-
vision du travail n'est pas qu'elle augmente le rendement
des fonctions divisées, mais qu'elle les rend solidaires.
Son role dans tous ces cas n'est pas simplement d'embellir
ou d'améliorer des sociétes existantes, mais de rendre pos-
1 \\
sibles des sociétés qui,
sans elle, n'existeraient pas"
J.
Die afrikanische Landbevolkerung beispielsweise arbeitet in
der Regel nur drei bis fünf Monate -
100 bis 150 Tage -
im
Jahr, in den Urwaldgebieten sogar noch weniger aIs ein Vier-
2
teljahr:
60 bis 80 Tage ). In Obervolta wird geschatzt, daB
dem Land pro Jahr mehr aIs 300 Millionen Arbeitstage verlo-
3
rengehen ). Welche Verwendung findet diese Zeit? Zeit ist
eine objektivierte Dimension, in der sich menschliches Tun
und Verhalten abspielt;
sie ist deshalb immer dazu geeignet,
aIs Bezugseinheit zu dienen.
Wir haben gesehen, daB der Mensch natürliche und kulturelle
Bedürfnisse hat. Um diese Bedürfnisse befriedigen zu kon-
1) Durkheim, E., De la division du travail social,
4. Aufl.,
Paris 1922, S.
24; Durkheim- bezieht sich. hier auf Bèi-
spiele aus Primarformen zwischenrnenschlicher Arbeitstei-
lung, siehe besonders S.
19 ff.
.
2)
Dumont, R., L'Afrique Noire est mal partie, Paris 1962,
S.
209.
3) Siehe dazu: Republ. de Haut~ Volta, Plan Quinquennal de
Développement Economique et Social 1972-1976, Ouagadou-
gou 1972, S. 36.

-
80 -
1
nen, muB er Aktivitaten entwickeln, die Zeit erfordern ).
Wird er daran gehindert, genügend Zeit für diejenigen Ta-
tigkeiten einzusetzen, die wir Arbeit nennen,
so ist er
total oder partiell arbeitslos; die individuelle bzw. ge-
sellschaftliche Zeitnorm (Zn)
wird zum MaBstab des Be-
schaftigungsgrades
(vgl. dazu: Fig. 1,1).
Fig. 1,1: Zeitnorm und Beschaftigungsgrad
Beschafti-
gungsgrad
100
,
1
1
50
Unterbeschafti-
gungsbereich
40
20
Arbeitsstunden
2
4
6
8
Wahrend der lndustriellen Revolution,
aIs pro Tag mehr aIs
zehn Stunden gearbeitet werden muBte, waren jene partiell
arbeitslos, die nuracht Stunden taglich beschaftigt wur-
den. Diese Form der offenen partiellen Arbeitslosigkeit ist
in geschlossenen Selbstversorgungswirtschaften selteni sie
t r i t t in den Entwicklungslandern nur dort auf, wo landwirt-
schaftliche Anbauflachen durch Besitzverhaltnisse begrenzt
sind bzw. wo eine im Vergleich. zur Nutzflache zu hohe Be-
1) Siehe S.
15 ff.;
siehe a1..1(·h die Fig. II,5 auf S.
63.

.- 81 -
volkerungsdichte vorliegt.
In Süd-Togo umfassen etwa 50 %
der landwirtschaftlichen Betriebe weniger aIs 1 Ha; es sind
aber keineswegs Ein-Mann-Betriebe! Die Beschaftigungszeit
entspricht nicht der Norm anderer Regionen, wo groBere An-
bauflachen verfügbar sind. Eine Umfrage, die ich 1973 in 6
Dorfern der Küstenregion dieses Landes durchgeführt habe,
ergab, daB 95 % der Befragten zwischen 18 und 40 Jahren mehr
1
arbeiten würden, wenn ihnen mehr Land zur Verfügung stande ).
Hier liegt eine objektiv feststellbare Meinung der Betrof-
fenen zur offenen Unterbeschaftigung vor.
Eine totale Arbeitslosigkeit kommt aUBer durch Naturkata-
strophen -
Dürre -, soziale Umwalzungen bzw. Kriege in
Selbstversorgungsgesellschaften nicht vor. Wie ich in West-
afrika beobachten und z.T.
auch miterleben konnte, helfen
aIle, die es konnen, auch Kinder, bei der Arbeit auf dem
Land mit.
Nicht die kapitalistische Ethik des "Summum Bonum", wie
Max Weber es ausdrückt, bildet hier das Fundament des Wirt-
schaftensi es geht vielmehr darum, daB jeder, der mitkonsu-
miert, nach seinen Kraften mitproduziert; dabei ist das Wie-
2
viel sekundar ). Insofern ist die Arbeitslosigkeit aIs ein
nicht mehr die Gemeinschaft, sondern primar den einzelnen
betreffendes Schicksal eine neue Erscheinung in der Wirt-
schaftsgeschichtei sie ist das Produkt des auf Leistung und
Interessenausgleich basierenden Gesellschaftsverstandnis-
ses.
1) Die Anzahl der Befragten betrug 135 Personen zwischen 18
und 40 Jahren; es sind die Dorfer Bagida, Gbodjome, Dague,
Agbodan, Togokomme und Kpessi;
in diesern Gebiet, über-
haupt zwischen Lomé und Anecho,
ist die Anbauflache wahr-
scheinlich am knappsten in Togo, und nicht
im
Kara-Ge-
biet, wie allgernein angenommen wird.
2) Siehe zur kapitalistischen Ethik: Weber, M., Die prote-
stantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, Tübingen
1934.
'

-
82 -
4.2.2.
Zur Theorie der Unterbeschaftigung in Selbstversor-
gungsgesellschaften
In der Entwicklungslander-Forschung ist die Meinung geteilt,
ob im Traditional-Sektor der Entwicklungslander Unterbe-
schaftigung besteht, was man darunter verstehen konnte, wie
sie zu erfassen ware. Partielle Arbeitslosigkeit kann erst
festgestellt werden, wenn dié Norm der Vollbeschaftigung
bekannt ist; die Unterschreitung dieser Leistungskapazitat
(der Norm)
dokumentiert dann die Unterbeschaftigung.
Ein Mensch, der sechs Stunden am Tag arbeiten kann~ aber
nur drei Stunden beschaftigt wird,
ist unterbeschaftigt,
ebenso wie eine Maschine, deren tagliche Produktionskapazi-
tat bei hundert Einheiten liegt, die aber nur zu 50 % aus-
gelastet ist. Man kann auch die Leistungsfahigkeit eines
Mitarbeiters bei verschiedenen Arbeitsprozessen feststel-
len, die Ergebnisse miteinander vergleichen, einen einfa-
chen bzw. gewogenen Durchschnitt bilden und aIs Norm fest-
setzen.
Auch die marginale Arbeitsproduktivitat kann aIs Norm her-
angezogen werden. Ein Ingenieur, der durch eine Struktur-
krise gezwungen wird,
Zeitungen zu verkaufen statt seinen
Beruf auszuüben, ware zwar nicht arbeitslos, aber unterbe-
schaftigt, wenn nachgewiesen werden kann, daB seine margi-
1
nale Produktivitat aIs Zeitungsverkaufer niedriger ist.
)
Wie auch immer die Arbeitsnorm zustande kommen mag, bedeu-
ten aIle im Vergleich zu ihr niedrigeren Leistungen Unter-
beschaftigung im Sinne Robinsons. Sie spricht in diesern Zu-
2
sammenhang von versteckter Arbeitslosigkeit.
)
1) Diese Auffassung wird von der internationalen Arbeitsor-
ganisation - ILO -
in Genf vertreten;
siehe dazu die
FuBnote 4 auf S. 83 dieser .Arbeit.
Siehe auch Verniéres, M., Travail et Croissance, Paris
1972, S.
30.
2) Robinson, J., Disguised ünemployment, a.a.O., S.
225 f.

-
83 -
Die gewahl,te Norm der Arbei tskapazi tat entscheidet also dar-
über, welcher Zustand aIs Unterbeschaftigung gilt und wel-
cher nicht. Da es hier keine objektive Norm gibt, ist der
Streit ebenso unvermeidbar wie unfruchtbar. Wahrend Nurkse
die partielle Arbeitslosigkeit in Entwicklungslandern po-
1
stuliert und darauf seine Sparpotential-Hypothese gründet ),
2
pladieren Loughlin ) und Godfrey3)
für die Annahme einer
Arbeitskrafteknappheit in der Dritten Welt, vor allem in
Afrika.
Will man wie die Internationale Arbeitsorganisation die Wil-
ligkeit der zu beschaftigenden Personen aIs Komponente der
Unterbeschaftigung berücksichtigen, so stellt sich nicht nur
die Basisentscheidung des Forschers, sondern auch die sub-
4
jektive Einstellung der Betroffenen aIs Problem dar.
) Dem-
nach ist ein afrikanischer Bauer, der vom Hungertod bedroht
ist, aber nicht arbeiten will, nicht unterbeschaftigt. Wir
werden von einer Zeitnorm ohne Berücksichtigung der Willig-
keit ausgehen.
1) Nurkse, R., Problems of tapitalFormation in Underdevel-
oped Countries, Oxford 1953.
2) Loughlin, P.F., The Need for a "Full Employment" and not
a "Disguised Unemployment Assumption in African Develop-
ment Theorizing, in:
Zeitschrift für Nationalokonomie,
Bd.
22,
1962, S.
361
ff.
3) Godfrey, E., Labour Surplus Models and Labour Deficit
Economies: The African Case,
in: Economie Development
and Cultural Change, Vol.
7, 1959, S.
382 ff.
4)
"Underemployment exists when persons in employment who
are not working full time would be able and willing to
do more than they are actually performing, or when the
income or productivity of persons in employment would
be raised if they worked under improved conditions of
production or transfered to another occupation, account
being
taken
of their occupational skills": Internatio-
nal Labour Office, Employment and Economie Growth, Stud-
ies and Reports, Nr.
67, Genf 1964, S.
25; die Hervorhe-
bung ist von uns.

-
84 _.
Nach Auguste Comte ist die Arbeitsteilung ein soziales Bin-
deglied in der Gesellschaft; sie ist das Fundament der ge-
sellschaftlichen Solidarit~t: "C'est seulement quand la r~­
partition régulière des travaux s'est convenablement éten-
due que l'état social acquiert une consistance et une sta-
bilité supérieures aux exigences particulières ... On est
alors conduit à regarder non seulement les individus et les
classes, mais encore les peuples, comme participant à une
oeuvre immense dont le développement rattache les coopéra-
teurs actuels à la série de leurs prédécesseurs et à la
suite de leurs succeurs."1)
Mit dieser zunehmenden Komplexit~t des sozialen Gebildes
aber verlieren die interdependenten Beziehungen an Uber-
schaubarkeit; die auf der Arbeitsteilung beruhende Solida-
rit~t ger~t ins Schwanken und schl~gt sogar für einzelne
Mitglieder der Gruppe ins Gegenteil um: die Arbeitslosig-
keit wirft das Individuurn aus der sozialen Bahn; sie wirkt
desintegrativ. Sie entwickelt sich jedoch zu einem gesell-
schaftlichen Schicksal, wenn in einem Lande mehr als drei-
viertel der Bevolkerung in diesem marginalen Dasein leben
müssen.
Dieses MiBverh~ltnis zwischen Voll- und Unterbesch~ftigten
nehrnen wir zurn AnlaB, die dargestellte Form der Unterbe-
sch~ftigung in Selbstversorgungsgesellschaften als Funda-
mentalarbeitslosigkeit zu bezeichnen, im Gegensatz zu
struktureller Arbeitslosigkeit in arbeitsteiligen sozialen
2
Gebilden ). Diese Zweiteilung ist für die Untersuchung der
1) Comte, A., La Philosophie Positive, Torne III, Paris 1910,
S. 145.
2) Wir gehen von der Arbeitslosigkeit als Oberbegriff aus;
Unterbesch~ftigung ist deshalb für uns nur eine Form der
Arbeitslosigkeit. Siehe auch:
Timmermann, W., Strukturelle Unterbesch~ftigung als Pro-
blem der Dritten Welt, Meisenheim/Glan 1974, S.
28 ff.,
vor allem die Ubersicht S.
38.

-
85 -
anstehenden Probleme in der Dritten Welt wichtig;
sie zielt
darauf ab, deutlich zu machen, daB Unterbeschaftigung in
der Hauswirtschaft ganz anders zu beurteilen ist aIs Arbeits-
losigkeit in einer arbeitsteiligen Welt.
Die Beschaftigungslosigkeit ist fundamental, wenn sie nicht
durch den Abbruch bestehender ëkonomischer Beziehungen ent-
steht. Die Individuen einer Gemeinschaft, deren ëkonomische
Tauschaktivitaten kaum über die Nachbarschaftshilfe hinaus-
gehen, hangen wirtschaftlich, auBer in Krisenzeiten, nicht
voneinander ab;
jedes Mitglied der Gesellschaft kënnte oh-
ne die Gruppe materiell existieren. Unterbeschaftigung hat
in diesem Zusammenhang keinen Sinn, weil jeder seine Vollbe-
schaftigungsnorm autonom und flexibel festlegt, ebenso wie
die Art seiner Tatigkeit. Die Produktivitatsnorm bestin~t
ebenfalls jeder selbst.
Wir meinen, daB in solchen Situationen das Gefühl, unterbe-
schaftigt zu sein bzw. mehr arbeiten zu müssen, überhaupt
nicht aufkommt, solange man die einem zugefallene Rolle in
der Gesellschaft erwartungsgemaB erfüllt. Diese soziale Po-
sition gilt es zu halten; normalerweise wird nicht von ei-
nem erwartet, sich selbst zu übertreffen im Sinne einer Her-
ausstellung aus der Gruppe.
Zwar wird die Individualitat nicht unterdrückt, aber der
Spielraum ihrer Entfaltungs- und Ausdrucksmëglichkeiten
wird der Gruppensolidaritat wegen eingeengt. Je enger die-
ser Spielraum, desto grëBer ist das AusmaB der sozialen
Statik, die solche traditionellen Strukturen kennzeichnet.
Dem Gruppenzusammenhalt ist es auch zu verdanken, daB das
Gefühl der Unterbeschaftigung erst bei.Land- und Nahrungs-
mittelknappheit auftaucht.
Damit gelangen wir zu einer bedeutsamen Feststellung: Fun-
damentale Arbeitslosigkeit vlird erst fühlbar und zum Pro-

-
86 -
blem, wenn sie mit Nahrungsmittelknappheit verbunden ist.
Erst durch Überbevolkerung, Landknappheit in bestimmten Re-
gionen und durch die mangelnde Mobilitat der Bevolkerung
1
ist die Unterbeschaftigung in Westafrika spürbar geworden ).
Hungerkatastrophen müssen für die nachsten Jahrzehnte be-
fürchtet werden, wenn keine Abhilfe geschaffen werden kann.
Nach den Modellrechnungen ist die Lage in Dahomey
(Benin)
und vor allem in Niger und Obervolta prekar.
Angesichts dieser Situation hangt die Beseitigung der Un-
terbeschaftigung nicht von der Lohnhohe ab. Man muB hier
an die Tradition anknüpfen, nicht der Lohn im modernen Sin-
ne des Wortes entscheidet in Selbstversorgungsgesellschaf-
ten darüber, wer mitbeschaftigt wird. Jeder wird nach sei-
nen Kraften zur Mitarbeit herangezogen, weil jeder Anspruch
mindestens auf Ernahrung, Behausung und dem sozialen Status
angemessene Bekleidung hat. Es ist nicht nur eine individu-
elle Aufgabe,
sondern auch eine gesellschaftliche Pflicht,
dafür Sorge zu tragen, daB diese Ansprüche erfüllt werden.
Es gibt in Traditionalgesellschaften nicht den Individual-
lohn, über den der einzelne allein verfügen darf; hieraus
resultieren unüberbrückbare Konflikte zwischen denen, die
aus dem Modern-Sektor Individuallohne beziehen und denen,
die im Traditional-Sektor leben. Daraus ergibt sich, daB
die Lohnpolitik als Teil der Beschaftigungspolitik in der
Dritten Welt mehr Aspekte berücksichtigen muB als in einer
funktionsfahigen arbeitsteiligen Industriegesellschaft.
Eine au ch empirisch dokumentierte Untersuchung Leibensteins
macht deutlich, daB diese Probleme erst durch die Beschaf-
1)
Zur Mobilitat der Landbevolkerung siehe eine empirische
Studie von:
Kropp, E.,
Zur Mobilisierung landlicher Arbeitskrafte im
anfanglichen IndustrialisierungsprozeB, Wiesbaden 1975,
S.
25 ff.

-
87 -
1
tigung aller gelost werden ). Diese Auffassung ist nicht
2
ohne Kritik geblieben ). Der Grundgedanke Leibensteins ist
dennoch kein theoretisches Konstrukt ohne Realitatsbezug.
Unsere Beobachtungen in Westafrika bestatigen ihn; wir wol-
len deshalb seinen Informationsgehalt naher exemplifizie-
ren.
Der Verfasser geht bei seiner Untersuchung zunachst von der
Haupthypothese aus, daB zwischen Ernahrung und Produktivi-
tat eine enge Korrelation besteht; dabei stützt er sich auf
3
arbeitsphysiologische Studien ). Der Lohnsatz ist in diesem
Zusammenhang kein Datum,
sondern Entscheidungsparameter:
welcher "Mindestlohn" ist erforderlich, um eine gewünschte
4
Produktivitat zu erreichen )?
Verschiedenen Lohnsatzen kann man spezifische Grenzproduk-
tivitatskurven in bezug auf die Zahl der beschaftigten Mit-
arbeiter zuordnen. GemaB der Annahme Leibensteins steigt
mit dem Lohnsatz die Arbeitsintensitat (Energieeinsatz);
gleichzeitig aber macht sich mit steigender Arbeitsinten-
sitat das Gesetz des abnehmenden Ertragszuwachses bemerk-
bar. Die gewinnoptimalen Arbeitsmengen sind dort erreicht,
1) Leibenstein, H., The Theory of Underemployment in Back-
ward Economies, in: The Journal of Political Economy,
VoL LXV,
1 9 57, S.
9 1 f f .
Leibenstein, H., Underemployment in Backward Economies,
Sorne Additional Notes,
in: The Journal of Political Eco-
nomy, Vol. LXVI,
1958, S.
256 ff.
2)
Siehe dazu: Oshima, H., Underemployment in Backward Eco-
nomies, An Empirical Commen-t, in: The Journal of Poli t-
ical Economy, Vol. LXVI,
1958, S.
259 ff.,
siehe auch
S.
264 die Replik von Leibenstein.
3) Leibenstein, H., The Theory of Underemployment in Back-
ward Economies, a.a.O., S. 94 ff.;
siehe vor allem die
FuBnote 16, S.
96.
4)
Da die Produktivitat von verschiedenen Faktoren abhangt,
ist die Fragestellung hier nur arbeitsphysiologisch ge-
meint.

- 88 -
wo die Lëhne und ihre entsprechenden Grenzprodukte gleich
sind. Die Verbindung der Schnittpunkte zwischen Lohnsatzen
und zugeordneten Grenzproduktivitatskurven ergibt eine Be-
1
schaftigungSkurve ). Wie kann nun der optimale Lohnsatz er-
mittelt werden?
Unterstellt man Gewinnprinzip und funktionale Abhangigkeit
zwischen Lohn und Arbeitsintensitat,
so geht es darum, die
einzusetzende Arbeitsenergie zu maximieren; dabei muE das
Problem Berücksichtigung finden,
das wir bereits angespro-
chen haben: der Gruppencharakter des Lohnes in Traditional-
gesellschaften; der individuelle Optimallohn, bei dem Lohn-
satz und Grenzprodukt gleich sind,
führt nicht zur maxima-
len Nutzung des Arbeitskrafteeinsatzes, solange nicht aIle
Arbeitsfahigen beschaftigt werden.
Nach Auffassung Leibensteins, die wir, wie gesagt auf Grund
unserer Erfahrungen in Afrika teilen, wird der Individual-
lohn über verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Beschaf-
tigten und Unterbeschaftigten bzw. Arbeitslosen aufgeteilt.
Damit wird nicht -behauptet, daB arbeitsunfahige bzw.
arbeits-
lose Verwandte bei der Aufteilung des marktwirtschaftlichen
Individuallohnes genauso viel erhalten wie der Lohnbezieher.
In der Aussage kommt nur zum Ausdruck, daB das Prinzip der
Gruppensolidaritat, mindestens den naher verwandten Gruppen-
mitgliedern,
einen Anspruch auf den verdienten Individual-
lohn einraumt.
Das war früher in den Industrielandern nicht anders. über-
aIl, wo soziale Fürsorge und Arbèitslosenversicherung in
existentielle Bedrangnis geratene Mitglieder der Gruppe
nicht unterstützen kannen, werden verwapdtschaftliche Ver-
haltnisse wirksam.
In solchen Fallen muB also der übliche
1)
Siehe dazu auch die graphischen Darstellungen Fig.
3 und
Fig.
4 bei Leibenstein, H., The Theory of Underemploy-
ment in Backward Economies,
d.a.O., S.
97 bzw. S.
99.

-
89 -
gewinnoptimalc L~hn hëher liegen aIs das Grenzprodukt. Die
günstigste Konstellation sieht Leibenstein darin, daB die
Unternehmer (Landlords)
aIs Gruppe aIle verfügbaren Arbeits-
krafte einstellen und den Lohn anheben.
Der Lohnsatz wird unter diesen Bedingungen grëBer sein aIs
das Grenzprodukt, das sogar null werden kann, wenn der Ar-
1
beitskrafteüberschuB sehr groB ist ) i
dabei erhalt ein Teil
der Arbeitskrafte mehr Lohn alsseinemProduktionsbeitrag
entsprichti diese Situation ist jedoch für die Unternehmer
aIs Gruppe vorteilhafter aIs die des gewinnoptimalen Indi-
viduallohnes, da die Lohnsumme geteilt wird und die Arbeits-
intensitat gemaB der Annahme sinken muB.
Der Vollbeschafti-
gungsgewinn wird nicht erreicht, wenn Arbeitskrafteüber-
schuB nach wie vor besteht. Bei der Beschaftigung aller
kann jedoch die Produktion durch den Beitrag aller maxi-
miert werdeni die Unternehmer aIs Gruppe gelangen nun über
2
den Vollbeschaftigungsgewinn hinaus ) •
Die Befolgung dieser Systemrationalitat in Selbstversor-
gungsgesellschaften führt zur versteckten Arbeitslosigkeit,
wenn nicht durch systematischen Arbeitseinsatz dem Gesetz
des abnehmenden Ertragszuwachses entgegengewirkt werden
kann.
Dies war Ausgangspunkt Joan Robinsons bei ihrer Ana-
3
lyse des "disguised unemployment"
) •
Aus diesen überlegungen sind für die Fortsetzung unserer
Untersuchung folgende Feststellungen von Bedeutung:
Erstens:
Der Lohn muS in Entwicklungslandern mindestens dem
Zweck der Arbeitskrafterhaltung genügeni in diesem Zusammen-
hang ist der Lohn kein Datum,
sondern ein Entscheidungspara-
meter.
1) Siehe dazu die graphischen Darstellungen Fig.
3 und Fig.
4 bei Leibenstein, H., The Theory of Underemployment in
Backward Economies,
a.a.O., S.
102.
2) Ebendort,
siehe die graphische Darstellung S.
101.
3) Robinson, J.,
Disguised Unemployment, a.a.O., S.
225 f.

- 90 -
Zweitens: Die Lohnsumme wi.rd in der Dritten Welt über ver-
wandtschaftliche Beziehungen verteilti die Optimierung der
Arbeitsenergieabgabe wird dadurch in Frage gestellt, eben-
so wie die Erreichung eines gruppenbezogenen Gewinnoptimurns.
Drittens: Dm die Arbeitsintensitat aufrechtzuerhalten, muB
der Lohnsatz haher liegen als das Grenzprodukt der Arbeiti
dadurch wird der ArbeitskrafteüberschuB praktisch mitent-
lohnt.
Viertens:
Wenn alle entlohnt werden müssen, dann kannen
auch alle beschaftigt werden.
Fünftens:
Dm dabei die versteckte Arbeitslosigkeit zu urnge-
hen, muB dem Gesetz des abnehrnenden Ertragszuwachses entge-
gengewirkt werdeni
ein zweckmaBiger Weg ist die Organisati-
on des Arbeitseinsatzes, die irnrner bei der gemeinschaftli-
chen Lasung auBergewahnlicher Aufgaben notwendig ist. Ein
typisches Beispiel hierfür ist der Krieg.
Der ein ganzes Land erfassende organisierte Arbeitseinsatz
wirft Fragen der natürlichen Mobilitat und der Abziehbar-
keit von Arbeitskraften aus Dnterbeschaftigungsbereichen
auf. Da der Mensch in einem Netz sozialer Beziehungen und
Bindungen steht, deren Intensitat mit der raumlichen Ent-
fernung in der Regel abnimmt,
ist der Spielraum für seine
Mobilitat beschrankt.
In Traditionalgesellschaften sind
seine Fesseln am wirksamsten, vor allem, wenn sie durch re-
1
ligiase Tabus statuiert werden ) i
hier ist die Gruppenrnobi-
litat,
ausgelast durch soziale bzw. natürliche Zwange, der
Normalfall.
Insofern werden in solchen Fallen ganze Darfer
bzw.
GroBfamilien leichter von einem Gebiet in ein anderes
zu transferieren sein als Einzelpersonen.
1) Vgl.
dazu:
Srinivas, M.N., India's Villages, Bombay 1963,
S. 7 ff.

-
91 -
Diese Situation ist typisch für die Sahelzone in Westafrika,
wo die Halbnomaden nur unter dem Zwang des Hungertodes be-
reit
waren,
ihre vertrauten Milieus zu verlassen. In abge-
wandel ter Form stell t siéh das Problem für die übrige Landbe-
vëlkerung aus den anderen Gebieten. Die durch den Schulbe-
such gewonncnen Leitbilder decken sich nicht mit der Lebens-
1
weise des sozialen Milieus ).
"Même ceux qui ne passent que
fort peu d'années à l'école
(l'écrasante majorité en Améri-
que Latine, en Asie, en Afrique)
apprennent à se sentir cou-
pables par suite de leur "sous-consonunation" scolaire,,2).
"Das Leitbild ist stadtisch, es fehlt eine bauerliche Sub-
3
kultur, die die spezifischen Konfliktsituationen ) des Bau-
ern auf eine Weise deuten kënnte, die ihm ein positives
Selbstbild aIs eigenstandiges aber gleichwertiges Mitglied
der Gesellschaft ermëglicht"4) .
Damit wollte Lepsius nicht afrikanische, sondern süditalie-
nische Verhaltnisse, vor allem die in Kabrien und Lakanien
beschreiben. Die Analyse erweist sich jedoch aIs eine pra-
gnante Beschreibung der vorherrschenden Gesinnung in West-
afrika; die Folge ist allen bekannt; der Exodus in die Stad-
te:
"So wandern viele praktisch ins Nichts, werden existenz-
los und von wachsenden Slums aufgesogen. Aus dem Flugzeug
1)
Ivan Illich hat dieses Phanomen sowohl für die Dritte
Welt aIs auch für die Industrielander eingehend unter-
sucht und unter dem Titel: Deschooling Society, New York
1971, herausgegeben. Siehe die franzësische Ausgabe: Une
société sans école, Paris 1971, S.
11 ff.,
siehe auch:
Kuhnen, F., Landliche Beschaftigungsprobleme im tropi-
schen Afrika,
in:
Zeitschrift für ausl. Landwirtschaft,
Jg.
7,
1968, S.
154 ff.
2) Illich, 1., Une société sans école, ebendort, S. 80.
3) Konfliktsituation definiert aIs Diskrepanz zwischen Ziel-
vorstellung und verfügbaren Mitteln.
4)
Lepsius, M.R., lnunobilismus: das System der sozialen
Stagnation in Süditalien, in: Jahrbücher für Nationalë-
konomie und Statistik, Bd.
177, Stuttgart 1965, S.
309.

- 92 -
sehen viele Stadte in den Entwicklungslandern so aus, als
Il1
seien sie von Belagerungsarmeen umgeben
).
Durch den organisierten Arbeitseinsatz laBt sich diese in
die Stadte rollende Menschenlawine kanalisieren; aber um
die Dërfer, die landwirtschaftlichen Betriebe und die liber-
bevëlkerten Elendsviertel der GroBzentren zweckmaBig zu
entlasten,
ist die Kenntnis darüber notwendig, wer in die-
sem Kontext lI ü berflüssig ll ist. Es muB also eine Arbeitsnorm
festgelegt werden, an der partielle bzw. absolute Arbeits-
2
losigkeit gemessen wird ) .
4.2.3.
Die Quantifizièrung partieller Arbeitslosigkeit und
die Abziehbarkeit von Arbeitskraften aus Unberbe-
schaftigungszonen
Nach Rosenstein-Rodan gibt es zwei Grundverfahren zur Mes-
sung der Unterbeschaftigung: erstens die empirische Daten-
erfassung durch eine Individualbewertung der Arbeitsablau-
fe mit Hilfe von Fragebëgen;
zweitens die indirekte Metho-
de, die durch die Aggregation verschiedener Daten eine Ar-
3
beitsnorm zu finden sucht ). Ob das direkte oder indirekte
Verfahren bzw.
eine Kombination beider r-iethoden angevlendet
wird,
ist eine situationsabhangige Entscheidung; dennoch
muB hervorgehoben werden, daB unabhangig von der methodolo-
gischen Wahl die Arbeitsbewertung in Entwicklungslandern
aufgrund der Instabilitat relevanter Faktoren wie die sozi-
alen Beziehungen im Betrieb, die Erwerbsmotive, die Ernah-
1)
Matzke, O., Priebe, H., Entwicklungspolitik ohne Illusi-
onen, a.a.O., S.
12; Hervorhebung durch die Autoren
selbst.
2)
Siehe dazu auch die graphische Darstellung S.
48.
3) Siehe dazu:
Rosenstein-Rodan, Disguised Unemployment and
Underemployment in Agriculture,
in: Monthly Bulletin of
Agricultural Economies and Statistics, Vol.
6,
1957, Nr.
7/8, S.
2 ff.
.

-
93 -
rungssituation eine problematische Aufgabe darstellt; die
Multiplizitat der Messungsansatze und ihre divergierenden
Ergebnisse dokumentieren die Variabilitat des zu quantifi-
zierenden Objektes.
lm nachfolgenden stellen wir drei Ver-
fahrensarten vor, um die Zusammenhange zu konkretisieren.
Da mehr aIs 95 % der Untersuchungen über unterbeschaftigung
in Entwicklungslandern sich auf die Situation in der Land-
wirtschaft beziehen, dominieren auch die Versuche, die von
einer Land-pro-Mann-Einheit aIs Beschaftigungsnorm ausge-
1
hen ).
In diesem Zusammenhang ist die "Work-Norm" Mujumdars
kennzeichnend; der Autor definiert sie aIs eine Betriebs-
groBe
(landwirtschaftliche Nutzflache), die bei gegebener
Produktionsmethode einer durchschnittiichen Familie Vollbe-
schaftigung gewahrt und einen angemessenen Lebensstandard
ermoglichti dabei kam er auf einen durchschnittlichen Ar-
2
beitskrafteüberschuB von 31
% für Indien ). ~hnlich ist die
Argumentation von Moti LaI Gupta, der jedoch jede Angabe
über "reasonable comfort",
"minimum standard of life con-
3
sidered satisfactory" aIs unprazise ablehnt ).
Methodisch interessanter aIs diese Versuche ist die Singh-
sche Pflugeinheit, die im Rahmen einer Reorganisation der
Landwirtschaft in Form von Kooperativen auf Dorfebene aIs
BeschaftigungsmaB gelten sol14). Singh fragt nun nach den
Arbeitskraften, die unter diesen Bedingungen für die reine
Agrarproduktion benotigt werden; alles, was nicht hierfür
1)
Die quantitative Angabe -
95 % -
habe ich nach Auswer-
tung der Literatur ermittelt.
2) Mujumdar, N.A., Sorne Aspects of Underemployment,
in: The
Indian Economie Journal, Vol.
5,
1957, S.
1 ff.;
siehe
auch seinen früheren Aufsatz: The Technique of Measuring
Rural Unemployment,
in: The Indian Journal of Agricultur-
al Economies, Vol.
9,
1954.
3)
Gupta, M.L., Problems of Unemployment in India, Neder-
landsche Economische Hogges~hool, Rotterdam 1955, S. 26.
4)
Singh, T., Poverty and Social Change, A Study in the Eco-
nomie Reorganization on l .dJan Rural Society, London 1945.

-
94 -
eingesetzt werden kann, gehart zum "labour surplus".
Zur Quantifizierung des Arbeitsüberschusses geht der Ver-
fasser von sog. Pflugeinhei ten aus, die nichts anderes dar-
stellen aIs "an area of cuZtivated Zand which, in given
conditions, a plough or a pair of animaIs can manage,,1).
Es wird, nun angenommen, daB für jede Pflugeinheit 1,5 Ar-
r
beitskrafte eingesetzt werden kannen;
durch die Multipli-
kation der Pflugeinheiten mit 1,5 wird die Anzahl der voll
zu beschaftigenden Personen errechnet.
Durch Schatzungen unter besonderer Berücksichtigung ver-
schiedener Beschaftigungsgruppen wie Selbstandige, Pachter,
Wanderarbeiter, Frauen, wird das Potential der Erwerbsper-
sonen ermittelt. Aus der Differenz zwischen Arbeitsfahigen
und den
vollzubeschaftigenden
Personen ergibt sich der
"labour surplus".
In den einzelnen Regionen Indiens liegt
der UberschuB zwischen 0 % und 43 % (Bengalen).
Eine Untersuchung, welche die Arbeitslosigkeit im gesamten
Traditional-Sektor erfassen will, kann nicht von den Mes-
sungsmethoden der Land-pro-Mann-Einheit aIs Vollbeschafti-
gungsmaBstab ausgehen, denn dabei werden die Kleinhandwer-
ker und -handler, der gesamte traditionelle Dienstleistungs-
sektor wie Schuhputzer, StraBenbankiers
(Geldwechsler),
2
Hauspersonal,
nicht berücksichtigt ). Nimmt man, wie es in
diesem Modell der Fall ist, die Hahe der Kapitalintensitat
aIs Unterscheidungsmerkmal zwischen Modern- und Traditional-
Sektor an, so müssen aIle die se Berufe dem Traditional-Sek-
tor zugerechnet werden.
Die Land-pro-Mann-Einheit ist für
uns demzufolge kein zweckmaBiger MaBstab.
1) Singh, T., Poverty and Social Change, a.a.O., S. 108;
Hervorhebung nicht im Original.
2)
Diese Bemerkung gilt auch für Allans Versuch zur Ermitt-
lung einer sog.
"critical population density", siehe da-
zu:
Allan, W., The African Hush~ndman, Edinburgh, London 1965.

- 95 -
Einen Ausweg bietet das sog.
"Labour-Productivity-Approach".
Bei dieser zweiten Verfahrensweise werden z.B. marginale
Faktorproduktivitaten durch okonometrische Parameterschat-
zungen von Produktionsfunktionen gewonnen. Der Einfachheit
halber geht man vorzugsweise von den Funktionen der bekann-
1
ten Cobb-Douglasschen pragung ) aus. Eine vollkommene Markt-
situation wird angenommen und dann von positiver Grenzpro-
duktivitat auf die Nichtexistenz von absoluter Unterbeschaf-
tigung geschlossen. Die optimale Allokation liegt vor, wenn
Lohnsatz
(Ls)
und Wertgrenzprodukt
(Gp)
der Arbeit gleich
sindi erst bei Ls > GP wird eine Unterbeschaftigung ange nom-
men.
Diese Vorgehensweise laBt sich auch mit einigem Aufwand auf
den gesamten Traditional-Sektor übertrageni dabei verleiht
ihr das mathematische Gerüst sogar einen Hauch von Wissen-
schaftlichkeit, der aber in Wirklichkeit nur ein Zerrbild
der Realitat vermittelt. Durch die mehr formallogischen aIs
realen Annahmen erweisen sich die formulierten Aussagen aIs
nichtempirische Satze. Es hat sich auBerdem aIs auBerst
fragwürdig erwiesen, Phanomene mit vermaschten Strukturen
mittels okonometrischer Methoden erfassen zu wollen; einen
Nachweis dafür liefert uns der sog. Influenza-Test von
Schultz 2 ) .
Nach den Epidemie-Jahren 1918 und 1919 sank die indische Be-
volkerung und ebenso die landwirtschaftliche Produktion. Mit
Hilfe einer Regressionsanalyse über zehnaus dreizehn Pro-
vinzen errechnete Schultz eine statistisch gesicherte Produk-
tionselastizitat von 0,349. Daraus folgert er, daB es keine
Unterbeschaftigung auf dem Lande gibt. Die okonometrisch ver-
einfachte Betrachtung konnte die Ernahrungssituation der am
1)
Siehe die Darstellung bei: Yotopoulus, P.A., Allocative
Efficiency in Economie Development, A Cross Section Ana-
lysis of Epirus Farming, Athen 1967, S.
46 ff.
2) Siehe dazu: Schultz, T.W., ~ransforming Traditional Agri-
culture, New Haven, Londoli 1964, besonders S.
53 ff.

-
96 -
Leben gebliebenen Bevëlkerung nicht berücksichtigen, eben-
sowenig die durch die Epidemie hervorgerufenen Eigentums-
1
und Arbeitsverhaltnisse ).
Die Nichtberücksichtigung dieser und ahnlicher Faktoren,
wie u.a. des ganzen motivationalen Bereiches, führt dazu,
daB der! produktivitatsorientierte Ansatz zur Erfassung der
Unterbeschaftigung unzweckmaBig ist. Da der Zeitfaktor in
der Regel nicht berücksichtigt wird, ist die Betrachtung
auBerdem statisch.
Eine allgemeine Vollbeschaftigungsnorm, die trotz ihrer
Einfachheit in der ganzen Welt Verwendung findet,
ist die
Zeit.
In bezug auf die Entwicklungslander besteht das Pro-
blem in der Festlegung der Arbeitszeit: wie lange kënnen
die Menschen im Traditional-Sektor angesichts der aufge-
führten Imponderabilien pro Tag beschaftigt werden? Für
südkoreanische Verhaltnisse geht Cho von einem 8-Stunden-
2
Tag aIs maximale Beschaftigungsdauer aus ). In Perioden ho-
her Beanspruchung der Arbeitskraft -
z.B.
in Erntezeiten -
weist der Verfasser ein Arbeitskraft-Defizit von bis zu 4 %
nach;
auf der anderen Seite gibt es auch eine "tote Zeit",
wahrend der Unterbeschaftigung bis zu 78 % auftritt.
Die daraus resultierende Freizeit stellt in der Traditional-
gesellschaft solange kein Problem dar, aIs zwischen Agrar-
produktion und BevëlkerungsgrëBe ein Gleichgewicht besteht,
das den Verhaltnissen angepaBt ist. Die übrig gebliebene
Zeit kann ohne daB der Lebensstandard absinkt, zur Intensi-
vierung der sozialen Beziehungen oder einfach für musische
Beschaftigungen eingesetzt werden. Wie lange man arbeiten
will, bleibt jedem überlassen.
1) Dazu: Sen, A.K., Surplus Labour in India: A Critique of
Schultz's Statistical Test, in: The Economie Journal,
Vol.
77,
1967, S.
154 ff.
2) Cho, Y.S., Disguised UnempJ.oyment in South Korean Agri-
culture, Berkeley 1963.

-
97 -
Durch das zun('~;:nde Bevalkerungswachstum und die Entste-
hung des Modern-Sektors andert sich die Situation radikal.
Der Umfang und die Dringlichkeit der Problerne überfordern
die Menschen auf dem Lande. Die Lasung, die wir vorschla-
gen,
ist der organisierte Arbeitseinsatz.
In diesem Kon-
text bestimmt nicht mehr der einzelne, ob und wie lange er
arbeiten will, sondern es wird in einem arbeitsteiligen Pro-
ze2 von jeder arbeitsfahigen Pers on ein Arbeitseinsatz von
x Stunden erwartet.
Wir pladieren nicht für Arbeitslager. Nicht die organisier-
te Zwangsarbeit ist hier gemeint, sondern jene Forro des
menschlichen Tuns, die sowohl die Existenzsicherung garan-
tiert als auch die Persanlichkeitsentwicklung fardert:
lm
1
Betrieb wird der Mensch als ganze Person tatig ). Die Selbst-
erzeugungsfunktion der Arbeit kann,
so glaube ich, nur der-
jenigen Tatigkeit zugerechnet werden, die mit Einsicht ver-
richtet wird. Es gibt keine Zwangsarbeit, die der Entfaltung
der Persanlichkeit dienen kannte.
lm Traditional-Sektor Westafrikas betragt die durchschnitt-
liche effektive Arbeitszeit 3 Stunden pro Tag; das ist zu
wenig. Der Grund dafür ist nicht darin zu suchen, daB die
Betroffenen nicht mehr arbeiten wollen;
sie wissen nicht~
wie sie mehr arbeiten konnen.
Hier kann das Konzept des or-
ganisierten Arbeitseinsatzes ansetzen. Mindestens die dop-
pelte Arbeitszeit -
6 Stunden pro Tag - kann dadurch abver-
langt werden. Aufgrund einer empirischen Untersuchung, die
wir in einem Betrieb in Togo durchgeführt haben, halten wir
jedoch den 8-Stunden-Rhythmus für physische Arbeit in Afri-
2
ka für zu lang ). Der organisiertè Arbeitseinsatz, den wir
1) Gaugler, E., Die menschliche Arbeit in der Wirtschaft,
München 1961, S.
1686. Hervorhebung nicht im Original.
2)
Siehe den zusammenfassenden Bericht unter dem Titel:
Konfliktherde und Konfliktlasung in internationalen
Tochtergesellschaften in Afrika,
in: Afrika Spektrum,
9. Jg.,
1974, S.
6 ff.

- 98 -
vorschlagen,
ist für die Bevolkerung primar physische Ar-
beitsleistung.
Mit Finanzmitteln ist das Problem der Integration der Mas-
sen in den ProduktionsprozeB nicht zu losen, denn nicht die
knappen Investitionsmittel verhindern die Eingliederung der
Landbevolkerung in die moderne okonomische Arbeitsteilung,
sondern der Entwicklungsstand und vor allem die Dispropor-
1
tionalitat zwischen Modern- und Traditional-Sektor ) ~ Erst
nach AbschluB der Integrationsphase werden Finanzmittel in
zunehmendem MaBe benotigt werden.
liMan würde niemals versuchen, ein Raumschiff auf den Mond
zu schicken, ohne zuerst die Ausrüstung mit Hilfe von Pro-
totyp-Modell-Konstruktionen und von Computer-Simulationen
der vorausberechneten Raumbahnen zu prüfen. Keine Gesell-
schaft würde ein neues Haushaltsgerat oder eine elektro-
technische Rechenanlage in Produktion geben, ohne zuvor
Laborversuche zu machen. Solche Modelle und Laborversuche
sind keine Garantie gegen Fehlschlage, aber sie zeigen vie-
le Schwachen auf,
die korrigiert werden konnen, bevor sie
einen MiBerfolg auf der ganzen Linie verursachen.
Unsere
sozialen Systeme sind viel komplexer und viel schwieriger
2
zu verstehen aIs unsere technologischen systeme"
). Sie be-
dürfen also einer sorgfaltigen Modellierung,
simulativen
Erprobung und intensiver Laborversuche, eheneue Gesetze er-
lassen, Regierungsprogramme in die Tat umgesetzt werden.
1)
Sowohl in Gabun -
etwa eine Million Einwohner -
aIs au ch
im volksreichsten Land Afrikas, Nigeria, bleiben die Mas-
sen am Rande der wirtschaftlichen Entwicklung trotz der
gewaltigen Einnahmen aus dem Verkauf ihrer Primargüter:
Erdol, Uran, Mangan.
2)
Forrester, J.W., Das Verhalten sozialer Systeme,
in:
Kade,
G., Hujer, R., Sozialkybernetik, Düsseldorf, Wien
1974, S.
203.

-
99 -
Diesem Rat Forresters folgend, wollen wir in dem nachste-
henden Modell die analytisch untersuchten Probleme und die
uns dafür vorschwebenden Lësungsparadigmen konstruieren
und simulieren.
Für das untersuchte Gebiet -
die Entente-
Lander -
stellt dieses Modell den ersten Versuch dieser
Art dar.

-
100 -
Teil II
Aufbau eines dynarnischen
Rückkopplungsmodells
für die Entente-Lander

-
101 -
1.
Loopstrukturf.l und Gleichungssysteme des Modells
Dem Aufbau des' Modells liegt eine organische Konzeption
der wirtschaftlichen Entwicklung zugrunde. Nach Mihailo
Mesarovi~ und Eduard Pestel ist das "unausgeglichene und
undifferenzierte Wachstum die eigentliche Ursache der
dringlichsten Probleme, vor denen die Menschheit steht -
n1
organisches Wachstum weist den Weg zu ihrer L8sung
).
Zur Verdeutlichung des Vorstellungsinhaltes der Begriffe
undifferenziertes und organisches Wachstum wird die Natur
aIs Analogie herangezogen. Eine fortgesetzte Vermehrung
gleichartiger Zellen ware undifferenziert.
"Beim organi-
schen Wachstum dagegen spielt der DifferenzierungsprozeB
eine ausschlaggebende Rolle: Es bilden sich artverschiede-
ne Zellgruppen, die organspezifische Eigenschaften entspre-
chend dem EntwicklungsprozeB des Organismus besitzen"2).
Bereits 1972 habe ich darauf hingewiesen, daB die Entwick-
3
lung in der Dritten Welt organisch verlaufen müsse ). Eine
rein exponentielle Zellenvermehrung ist nach unserer Auf-
fassung auch noch organisch, wenn sie die Existenz des Or-
ganismus aIs Ganzem nicht in Frage stellt. Sobald die Zel-
lenproduktion und -erneuerung unseres Kërpers nicht mehr
ausreicht, um deren Verbrauch zu kompensieren, beginnt für
uns der ProzeB des Todes. Das Wachstum ist nicht mehr or-
ganisch. Kalveram, der Wirts~haftsstufentheoretiker,sagt:
Eine Entwicklung ist organisch~ wenn im EntwicklungsprozeB
"
der nachste Zustand eine Fortsetzung des vorhergehenden
ist, aus diesem ,allein gezeugt wird und der ganze Entwick-
1) Mesarovié, M., Pestel, E., Menschhei t
am Wendepunkt,
2.
Bericht an den Club of Rome zur Weltlage, Stuttgart 1974,
S.
15. lm Original ist der ganze Text des Zitats hervor-
gehoben.
2) Mesarovi~, M., Pestel, E., Menschheit am Wendepunkt,
ebendort,S.
13 f.
3) Agbodan, M., Organische und anorganische Entwicklungs-
theorie zur Neudeutung des auslandischen Entwicklungs-
beitrages. Eine modelltheoretische Darstellung, in: Die
Dritte Welt, Nr. 4, 1972, S.
379 ff.

-- 102 -
lungsgang auf ein Ziel,
zur Vollendung eines Ganzen hin-
strebt" 1) .
\\\\1as mit "Vollendung" zum Ausdruck gebracht werden solI,
geht nicht aus den Ausführungen Kalverams hervor. Ent-
scheidend für das organische Wachstum ist nach unserer
Auffassung jedenfalls, daB die Entwicklungsschritte so
aufeinander abgestinunt sind, .daB der erreichte Zustand
des Organismus aIs einem Ganzen nicht in Frage gestellt
wird. Erfolgt der WachstumsprozeB eines Teiles derart, daB
die Existenz des Ganzen gefahrdet ist, dann ist die Entwick-
lung nicht organisch, sondern anorganisch.
Das Modell gründet auf dieser Konzeption und setzt sich aus
vier Subsystemen, genannt Sektoren,
zusanunen: Bevolkerungs-
sektor, Bildungssektor, Traditionalsektor und Modern-Sektor.
Abgesehen von dem spezifischen Problem der Sahelzone ist
die Modellstruktur für aIle fünf Entente-Lander gleich, wir
werden deshalb die Darstellung der Loopstrukturen und Glei-
chungssysteme des Modells nicht monographisch, d.h. nicht
gesondert für jedes Land vornehmen.
Da die vorliegende Untersuchung sich auf fünf Lander er-
streckt, ist es leicht, den Darstellungsrahmen auszuweiten.
Es geht uns jedoch nicht um eine Ansarnmlung von Einzelin-
formationeni wir suchen vielmehr nach Zusammenhangen, die
ein organisches Wachstum in Westafrika erklaren bzw.
des-
sen Evolution prognostizierbar machen. Wir werden deshalb
nur die uns wesentlich bzw. problematisch erscheinenden
Loopstrukturen und Gleichungssysteme behandeln.
1.1. Tendenzen der Bevolkerungsvermehrung
Uber das Bevolkerungswachstum in der Dritten Welt ist seit
Anfang der sechziger Jahre so viel geschrieben worden, daB
wir es nicht für notig halten, ausführlich auf diesen Fra-
1) Kalveram, G., Die Theorie von Wirtschaftsstufen, Leipzig
1933, S.
73.

-
103 -
genkreis einzugehen.
In bezug auf die Entente-Lander wol-
len wir jedoch folgendes festhalten:
es gibt keine Uberbe-
volkerung im üblichen Sinne des Wortes in diesem Raum, der
groB und fruchtbar genug ist, um eine groBere Bevolkerungs-
zahl zweckmaBig beschaftigen und ernahren zu konneni
aller-
dings trifft hier auf einen traditional organisierten Ar-
beitseinsatz ein nie gekanntes Bevolkerungswachstum.
Die Aussage Says bestatigt sich:
lILa nature, abandonnée à
elle-même, ne fournit qu'imparfaitement à l'existence d'un
petit nombre d'hommes. On a vu des pays fertiles, mais dé-
serts ne pouvant nourrir quelques infortunés que la tempê-
te y a
jetés par hasard,,1). Worauf ist es zurückzuführen,
daB die Menschen in diesem Gebiet
trotz der Fertilitat des
Bodens
in zunehmendem MaBe in Ernahrungsschwierigkeiten
geraten?
Die Interaktion zwischen positiven und negativen Rückkoppe-
lungsschleifen ist nach Forrester der eigentliche Kontroll-
mechanismus von Wachstums- bzw. Schrumpfungsprozessen. Hin-
sichtlich der Bevolkerungsentwicklung ist das klassische
Grundschema, wie aus der Loopstruktur
(Loop 2)
hervorgeht,
gelaufig. Die Geburtenzahl wirkt erhohend (positiv)
auf die
Zahl der Gesamtbevolkerung; die Sterbezahl vermindert sie.
Das AusmaB der Bevolkerungsentwicklung hangt von der Diffe-
renz zwischen Sterbe- und Geburtenzahl ab.
1) Say, J.B., Traité d'Economie politique,
1966, a.a.O.,
S. 60.

-
104 -
Loop 2: Wachstums- und Kontrollmechanismus der
1
Bevëlkerungsentwicklung )
Konstante
Geburtenrate
in % (C)
Sterbezahl
Gebur'tenzahl
pro Periode
pro Periode
(R)
(R)
Ù Gesamte
--
Bevëlkerung
(L)
Konstante
Sterberate
in % (C)
Krankheiten, Seuchen und sporadische .kriegerische Auseinan-
. dersetzungen bildeten seit jeher die Kettenglieder der ne-
gativen Rückkopplungsschleife zur Regulierung des Bevëlke-
2
rungswachstums ). Die Zeit liegt nicht lange zurlick, aIs in
3
Westafrika die Kindersterblichkeit noch 40 -
70 % betrug );
sie betragt heute weniger aIs 15 %.
Die enorme Reduzierung der dampfenden Effekte des negativen
Regelkreises : Gesamtbevëlkerung -
Sterbezahl -
Gesamtbevol-
kerung hat z~r Folge, daB der positive Regelkreis: Gesamt-
bevëlkerung -
Geburtenzahl - Gesamtbevëlkerung eine domi-
1)
lm Modell wird die gesamte Bevëlkerungszahl mit der Ab-
kürzung B nicht aIs Level, sondern aIs Hilfsvariable
ausgewiesen.
2)
Ehrlich, P.R., Ehrlich, A.H., Bevël~erungswachstumund
Umweltkrise, Die Okologie des Menschen, Frankfurt/M.
1972, S.
10 ff.
3) Mackenroth, G., Bevëlkerungslehre, Theorie, Soziologie
und Statistik der Bevëlkerung, Berlin, Gëttingen, Hei-
delberg 1953, S.
190;
im folgenden wird das Werk aIs
Bevëlkerungslehre zitier i

-
105 -
nante Stellung einnimmt. Die Bevolkerung wachst stark ex-
ponentiell, da der Kpntrollmechanismus des negativen Regel-
kreises geschwacht ist. Die sich daraus ergebenden Forde-
rungen an die Menschen sind zu hoch
als daB sie ihnen kurz-
t
fristig genügen konnteni von hier aus ist es nicht mehr
schwierig, Gefahren am Horizont zu sehen. Das war auch die
Position des ersten umstrittenen Berichtes des Club of Rome
1
zur Lage der Menschheit ). Aber in Westafrika wie auch in
vielen Landern der Dritten Welt geht es nicht um eine Zu-
kunftsvision, sondern um gegenwartigen Hunger im physiolo-
gischen Sinne des Wortes. Das Phanomen laBt sich am deut-
lichsten in indischen GroBstadten oder in der Sahelzone Af-
rikas beobachten.
2
Aufbauend auf Mackenroth ), stellt Pulte folgende stati-
stisch erfaBbaren Daten hinsichtlich der Bevolkerungsent-
wicklung zusammen: Heiratsstruktur, Struktur der Fruchtbar-
3
keit und der Sterblichkeit ). Diesem Schema folgend,:haben
wir die gesamte Bevolkerung (mit der Abkürzung B)
in drei
Kategorien aufgegliedert.
4
G1.
A
B.K=B5.K+B14.K+BAE.K )
1) Meadows, D., Die Grenzen des Wachstums, Bericht des Club
of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972, vgl.
vor allem S.
141 ff.
2) Mackenroth, G., Bevolkerungslehre, a.a.O., siche beson-
ders S.
338 ff.
Die Seitenangabe Peter Pultes auf S.
71
seines nachstehend angeführten Werkes stiromt nichti es
müBte richtig heiBen: S.
325 ff.
und nicht S.
315 f. Sie-
he dazu die folgende FuBnote 3.
'
3) Pulte, P., Bevolkerungslehre, München, Wien 1972, S.
72.
4)
GemaB der Notation Forresters werden wir die Gleichungen
mit den Buchstaben A, C, L, N oder R versehen.
A steht für Auxiliary (Hilfsvariable)
C für Konstante
L für Level
(Zustandsvariable
N für Initial (AnfangsgroBe) wie z.B. die Bevolkerung
der 0-5jahrigen zu Beginn der Simulation
R steht für Rate wie Wachstumsrate oder Sterberate.
Diese unmittelbaren Angaben'sollen es auch Nichtdynamo-
programmierern ermogliche~, den Gleichungstyp sofort zu
erkennen, ohne nachschlaS1 2U müssen. Die ltickenlose
Dokumentation aller Gleichungen wird im Anhang aufge-
führt.

-
106 -
B5
= Bevolkerung der 0-5jahrigen (etwa 25 %)
B14 =
6-14jahrige; durchschnittlich 23 % in allen
fünf Landern des Untersuchungsraurnes
BAE =
Bevolkerung ab 15 Jahre
BAE ist allein entscheidend für die Bevolkerungsentwicklung.
Wegen der weit verbreiteten Polygamie fallt eine weitere
Differenzierung dieser Gruppé hinsichtlich der Fruchtbar-
keitsstruktur der Manner nicht ins Gewicht. In Westafrika
gibt es kein Gesetz, das ein Mindestheiratsalter vorschreibt
wie in Europa. Die Ausbildungsdauer ist für mindestens 90 %
der Bevolkerung sehr kurz bzw. existiert aIs solche gar
nicht, da es sich um ein "On-the-Job-Training" handelt. Es
wird deshalb sehr früh geheiratet, sobald die physiologi-
schen Bedingungen erfüllt sind. Da das Gebaralter etwa mit
dem Heiratsalter zusarnrnenfallt, betragt die durchschnittli-
che Fruchtbarkeitsperiode bei Frauen 30 Jahre und bei Man-
nern50 Jahre; ungewohnlich hoch ist entsprechend die Gebur-
tenrate.
Die wesentlichen Gleichungen lauten:
G2.
L
B5.K=B5.J+DT*(GR.JK-STR5.JK-AR5.J) 1)
GR
=
Geburtenziffer (absolut)
STR5 =
Sterbeziffer der 0-5jahrigen (absolut)
G3.
R
GR.KL=BAE.K*KGR
KGR = Konstante Geburtenrate in 9-, •
o '.
1)
In der Symbolik Forresters bedeuten die hinter dem Namen
einer Variable stehenden Abkürzungen J, K bzw. JK und KL
Zeitpunkte in der Vergangenheit (J),
in der Gegenwart
(K); JK und KL sind Zeitintervalle: JK von der Vergangen-
heit bis zur Gegenwart, KL von der Gegenwart bis in die
Zukunft.
"the symbol DT for 'difference in time'
is used
for a lengt.h of the time interval computations".
Dazu Forrester, J.W., Principles of Systems, a.a.O., S.
5-1 bzw.
5-2.
.

-
107 -
1
KGR betrâgt durchschnittlich 11 % in Westafrika }
G4.
R
STRS.KL=BS.K*KSTRS
KSTRS = Konstante Sterberate der O-Sjahrigeni sie
betrâgt im Durchschnitt 9 %
GS.
L
B14.K=B14.J+DT*(ARS.J-STR14.JK-AR14.J}
ARS = Alterungsrate der Sjâhrigen, d.h. die Anzahl
der Fünfjâhrigen pro Rechenperiode
G6.
A
ARS.K=BS.K/AD1
C
AD1 = Alterungsdauer der Sjâhrigeni sie betrâgt
S Jahre.
Die Bestimmung von ARS.K ist zwar rechentechnisch eindeu-
tig, aber ungenau in der Aussagei das gilt ebenfalls für
AR14, die Alterungsrate der 14jâhrigen.
STR14, die Sterbeziffer der 6-14jâhrigen, wird ana log zu
STRS
(G4.)
ermittelti die konstante Sterberate - KSTR14 -
dieser Altersgruppe betrâgt durchschnittlich nur noch 3 %
gegenüber der bei den O-Sjahrigen (KSTRS).
G7.
L
BAE.K=BAE.J+DT*(AR14.J-DSTR.JK}
DSTR = Durchschnittliche Sterbeziffer der Bev6lke-
rung ab 1S Jahre
G8.
R
DSTR.KL=BAE.K*KDSTR
KDSTR = Konstante Sterberate der Bevolkerung ab
1S Jahre.
KDSTR liegt knapp unter der Sterberate der 6-14jâhrigen.
Daraus folgt,
daB die Sâuglingssterblichkeit das einzige
wirksame Regulativ der Bevolkerungsentwicklung darstellt.
Dank der verstârkten medizinischen Versorgung, unterstützt
durch inlândische Forschungsprogramme,geht diese Sterbe-
1} Wir machen darauf aufmerksam, dan es sich nicht um die
globalen, auf die gesamte Bevolkerung bezogene Geburten-
rate handelti
in den statistischen Dokumenten schwankt
diese um 3 %. Unsere Ang:' c' ~ezieht sich auf die Alters-
gruppe 1S Jahre und darüber.

-
108 -
1
rate immer mehr zurück ). Der Bevolkerungsdruck wird des-
halb bis zum Jahre 2010 -
Zeithorizont der Untersuchung -
eher zu- aIs abnehmen.
Laut statistischen Angaben der Regierungen in Westafrika
und auch der Vereinten Nationen betragt die durchschnitt-
liche Wachstumsrate der Bevolkerung in den Entente-Landern
maximal 3 %i das entspricht einer Verdoppelungszeit von
hochstens 24 Jahren. GemaB dieser Angabe dürfte sich von
1970 bis 2010 die Bevolkerung knapp verdoppeln. Schon die
grobe Differenzierung, die wir hier eingeführt haben -
sie-
he die nachstehende Darstellung Fig. II,5 -
laBt ein ganz
anderes Bild der Bevolkerungsvermehrung vermuteni mogli-
cherweise muB mit einer Verdreifachung gerechnet werden.
Schon die Bildung von Durchschnittswerten - STR5, STR14,
DSTR, KGR, KSTR5 bis KDSTR -
erlaubt keine gen~ue Prognose
über die Bevolkerungsentwicklung. Das geschichtliche und
das statistische Haterial, schreibt Mackenroth, spricht eine
eindeutige Sprache: "innerhalb des physiologischen Rahmens
baut sich ein unendlich differenziertes generatives Verhal-
ten der Menschen auf. Diesem Phanomen gegenüber ist jede
Naturwissenschaft hilflos,
ihre Kategorien verfangen nicht
mehri sie rettet sich in Fiktionen. Es ist ein naturali-
stisches Vorurteil zu glauben, daB der Mensch auch invari-
ant reagieren würde, wenn man nur die" Si tuation" experimen-
tell hinreichend konstant halten würde"2) iman htitte da-
durch, so Mackenroth, hochstens eine "Art'soziologischen
Homunculus", der nicht mehr real ware.
In der konkreten
geschichtlichen Situation konnen wir jedoch die Tendenzen
1) Das wurde uns - Herrn Professor v. Kortzfleisch und ~ir
-
auf einer Informationsreise in Westafrika mehrmals be-
statigt.
2) Mackenroth, G., Bevolkerungslehre, a.a.O., S.
326, Tei-
le dieser Zitate sind im Original hervorgehoben.

-
109 -
der Bevëlkerungsentwicklung aufzeigeni nach den vorlaufi-
gen Rechenergebnissen zeichnet sich eine Verdreifachung
der Bevëlkerungszahl i.n diesem Raum ab.
Fig.
II,5: Physiologischer Rahmen und Bevëlkerungs-
vermehrung
~OSTR
Jri,on~tante
StltrtJerate C!~r
über 14-jolihr19P.r.
!
(
1
......- - , - - - - - - '
\\
\\ 0
\\
'""-
~~
\\
iOiistante
AIl!
\\
Geburtenrate
~~STR5
Alteru.nqida"er
"" ~ante
'"'\\
Alli
\\
AlterW19~­
d-luer
Ster~rate
der !a>- j~hric;en
Die gegenwartigen sozialen Strukturen, religiësen Einstel-
lungen und Brauche in den Entente-Landern,stehen einer wirk-
samen Familienplanung im Wege.
In Westafrika gehëren zu
jeder Familie mehrere Kinderi das ist eine sozialreligiëse
Forderung, der sich das Individuum in der Traditionalge-
sellschaft nicht entziehen konnte. Kinder sind ein Geschenk
der Gëtter, das man nicht ablehnen darfi
eine ahnliche Auf-
fassung wird auch von der katholischen Kirche vertreten. 3u
dieser religiësen Einstellung ·kommt die ëkonomische Funktion
hinzu, die Kinder in der SeJhstversorgungsgesellschaft ihren

-
110 -
Eltern gegenüber oft übernehmen. Die Familienplanung kann
nicht erfolgreich durchgeführt werden, ohne daB man diese
Zwange gleichzeitig abbaut.
Die Regierungen der Entente-Lander lehnen aus politischen
und wirtschaftlichen Gründen eine geplante Begrenzung des
1
Bevëlkerungswachstums ab ). Die " po litische GrëBe" eines
Landes wird ja auch in "Divisionen" gemessen. Unverkennbar
ist auBerdem, daB die Bevëlkerungszahl ein wirtschaftli-
cher Wachstumsfaktor ist, wenn bestimmte Bedingungen er-
füllt sind. Da diese Bedingungen nur ungenau bzw.
nicht
bekannt sind, neigen die Regierungen dazu, erst einzugrei-
fen, wenn nachgewiesen wird, daB mit der Bevëlkerungsent-
wicklung schwerwiegende negative Folgen für das Staatswe-
sen verbunden sind. Dieser Nachweis kann zur Zeit nicht
für die Entente-Lander erbracht werden. Die Untersuchung
enthalt deshalb kein Szenario für eine mëgliche Bevëlke-
rungsreduzierung.
1.2. Bildung und Entwicklung: der Bildungssektor im Hode1l
Bildung wird in diesem Rahmen nur im technischen, nicht aber
im humanistischen Sinne verstandeni Bildung ist demzufolge
Ausbildung und reflektiert den technischen Entwicklungsstand
einer Gesellschaft.
Die Quantifizierung des Bildungsstandes ist wegen verschie-
dener Imponderabilien seiner Elemente auBerst problematisch.
Wir wollen hier nicht auf die theoretische Diskussion ein-
1)
Das ergab sich aus Umfragen, die ich bei den zustandigen
Ministerien 1974 durchgeführt habei die Auffassung wurde
aber auch auf der Bukarester Weltkonferenz
(1974)
zur
Bevëlkerungsentwicklung von den Vertretern westafrikani-
scher Regierungen ëffentlich bekundet.

-
111 -
1
gehen ) i der Rechenvorgang wird jedoch detailliert darge-
stellt.
Das Bildungssystem ist, wie aus der Praxis hervorgeht,
hierarchisch gegliedert. Drei Bildungsstufen werden unter-
schieden: die Primarschule (Volksschule) mit einer Dauer
von neun Jahren, die Sekundarschule (Mittelschule)2) ,
zu
3
der wir die vier Jahre dauernde Berufsausbildung )
zahlen,
und die daran anschlieBende Phase, die wir "Oberstufe"4)
nenneni sie dauert drei Jahre. Die typische akademische
Ausbildung wird hier nicht unmittelbar berücksichtigti sie
fallt quantitativ nicht ins Gewicht und spielt hinsicht-·
S
lich der Arbeitslosigkeit in Westafrika keine Rolle ). Al-
le drei Bildungsstufen sind in einem Inflow-Outflow-Systeu
miteinander verbundeni die Absolventen einer Stufe gehen
entweder in die nachste Bildungsstufe über oder wandern in
den ArbeitsprozeB bzw.
in das Reservoir der arbeitsuchen-
den Personen ab.
1.2.1. Die erste Bildungsstufe
Sie beginnt, wie das nachstehende Schaubild darstellt, mit
dem "Ansturm" der Fünfjahrigeni
je weiter die Kindersterb-
lichkeit sinkt, desto groBer wird der Drang zur volksschule
sein.
1)
Zwei Sammelbande Klaus Hüfners geben den Stand der Dis-
kussion wieder:
Hüfner, K.
(Hrsg.), Bildungsinvestitionen und Wirtschafts-
wachstum, Stuttgart 1970.
Hüfner, K., Naumann, J.
(Hrsg.), Bildungsplanung, Ansat-
ze, Modelle, Probleme, Stuttgart 1971.
2)
Die ersten vier Jahre im Gymnasium (de la sixième jus-
qu'en troisième).
3)
"La formation professionnelle"
(4 Jahre).
4) Spezialausbildung, Meisterprüfung, Abitur.
S)
In allen Entente-Landern werden Universitaten errichteti
von den Programmen dieser Hochschulen hangt es ab, ob
ein sog. Akademisches Proletariat herangebildet wird
oder nicht.

_. 112 -
Mit Hilfe moderner Unterrichtsmethoden - Fernsehmonitor -
hofft man in Westafrika in absehbarer Zeit aIle schul-
pflichtigen Kinder einschulen zu kannen. In der Elfenbein-
küste solI schon ab 1986 eine 100 %ige Einschulungsquote
1
erreicht werden ). Die erste Stufe des Bildungssektors ist
so konzipiert, daB wir zur Beantwortung der Frage, ob dies
maglich sein wird, beitragen kannen.
Fig. II,6: Bildungsnachfrage, Bildungsinvestitionen und
Einschulungsquote
AD!
B5
Alterungs-
~
~
~~~Bev61kerung
dauer
........ "
J:GR
1 der 5-jah-
I(,onsta.nte
(
r igen
Geburter:rate
"""
""
(>.,..,
.. c
\\
...
(>
--""
,.
\\
"1
"
\\
5 T R 5
Sterberate
"
Jl:STRS>
der S-ja~ric;en
xonstante
_ _
St.erberate d~r
S-j;lhr1qen
-
/
/
RAN~
(1970 )
RAtIP
( 1 970)
\\.
RSTP
-
( .003 )
\\
\\
(
\\
ill~ 1
DU.Ic~!':chnlttl.
InvcstJtlonen
~,
Pro Schiller
-
Wie aus Fig. II,6 hervorgeht, hangt die Einschulungsquote
(EQ) von der Zahl der Fünfjahrigen (ARS)
und von den Bil-
dungsanfangern
(BA)
ab;
letztcre sind diejenigen, die tat-
1) République de Côte d'Ivoire, Plan Quinquennal de Dévelop-
pement Economique, Social et Culturel 1971-1975, S.
46.

-
113 -
sachlich in die Schule aufgenommen worden sind. 1hre Zahl
hangt einmal von den 1nvestitionsmitteln ab, die für die
Bildungsdauer zur Verfügung stehen (1BA), und zum zweiten
von den Ausgaben pro Schüler (IPS). Die Gleichungen zu EQ
und BA sind leicht erkennbar und konnen schnell nachvoll-
zogen werden, so daB wir sie nicht darzustellen brauchen.
Problematisch dagegen ist die Ermittlung der gesamten 1n-
vestitionen für die Bildungsanf§nger, die Feststellung der
Bildungsausgaben pro Schüler und vor allem ihre Evolution
in der Zeit.
Die Volksschulen und ein erheblicher Teil des Gyrnnasialun-
terrichts werden in den Entente-Landern neben dem Staat
auch von religiosen Gruppen getragen: katholische, evange-
lische und islamische Schulen. 1hr 1nvestitionsbeitrag
(MPBA) wird aIs ein prozentualer Anteil der staatlichen
1nvestitionen für Bildungsanfanger (S1BA)
ausgewiesen. Die-
se Zusa~nenhange werden in Forro einer Loopstruktur darge-
stellt (Loop 3) 1)
1)
Die Alternierung der reinen Loopstruktur wie Loop 3 mit
der symbolischen Darstellung des Typs Fig. II,6 ist in
System-Dynamics-Modellen nicht üblich. Sie eignet sich
jedoch zur Vermeidung der Aneinanderreihung derselben
Darstellungsform, wie es normalerweise 'der Fall ist.
Fügt man zu den Namenskürzungen die entsprechenden cha-
rakteristischen Buchstaben A (Auxiliary), C (Konstante),
L (Level) und R (Rate)
in KI~nmern hinzu, so erfüllt die
Loopstruktur aIle Funktionen der symbolischen Darstel-
lung; auBerdelll ist sie zeitokonomisch zweckmaBiger.

-
114 -
Loop 3: lnvestitionsausgaben der ersten Bildungsstufe
DIPS
(C)
BA (A)·....
Durchschni tt- "-
KIl' Bildungs-
liche Investi- "-
,/
anfanger
"'" \\ tionen pro
/
Schüler
\\
\\ \\
\\
/
\\ '
/ , /
\\
\\
IBA (A)
Investitionen
""
SIBA \\ (A)
""
Staatl. Investi-
'-...
IPS
(A)
,
für Bildungs-
tionen f.
Bil-
anfanger
dungsanfanger~
Investitionen
pro Schüler
\\
~
\\
\\
\\
\\
\\
\\
11PBA (A)
\\
\\
Multiplikator
~SIBA (A) J
1
des priv. Bei-
trages f. Bil-
1Anteil der
BIP (A)
1
staatl.
Investi-
Bruttoinlands-
dungsanfanger
( tionen f. Bil-
produkt
dungsanfanger '
...
/
4
\\
\\
-~. _ TREP
(A)
\\
Treppen-
funktion
'--""
/
-..:\\-- -- -
\\
"'-
""
DMPBA\\ (C)
Konstanter
DAW (C)
Durchschnitts-
Durchschnittl.
RA~ (A)/
Rampenfunktion
wert des MPBA
Anfangswert
des ASIBA
SlBA, die staatlichen lnvestitionen für die Bildungsanfan-
ger, werden abhangig gernacht vorn Bruttoinlandsprodukt (BlP)
und vorn Anteil der Bildungsanfanger (ASlBA)
an dieser GraBe.
ASlBA,
der Anteil der staatlichen lnvestitionen für Bil-
dungsanfanger, entwickelt sich treppenfarmig nach der Funk-
tion TREP
(BlP, SBIP, PROZ, DELTA, V, TH-lli). GernaB dieser
Funktion, auf die wir gleich naher eingehen werden, kannen
wir schreiben:

-
115 -
G9.
A
ASIBA.K~~AW+TREP(BIP.K,SBIP,PROZ,DELTA,1,TI~~.K)
C
DAW = Durchschnittlicher Anfangswert des ASIBA
Nach Auswertung der verfügbaren Unterlagen und nach den
Ergebnissen unserer Gesprache mit den zustandigen Ministe-
rien in Westafrika, variiert der prozentuale Anteil der
staatlichen Investitionen für die Bildungsanfanger je nach
Land zwischen 0,5 und 0,3 des Bruttosozialproduktes. Diese
Zahlen schienen uns zunachst zweifelhaft. Bei der Erfas-
sung der Bildungsanfanger wird aber die Summe der gesam-
ten Investitionen für die Bildungsanfanger durch die Inve-
stitionen pro Schüler dividiert. Da das Ergebnis dieser
Operation mit den offiziellen Angaben etwa übereinstimmt,
dürften die Werte von DAW mit der Realitat übereinstimmen.
Die Hauptdeterminante der Treppenfunktion ist das Verhalt-
nis zwischen dem Bruttosozialprodukt zu jedem beliebigen
Zeitpunkt K (BIP.K)
und seinem jeweiligen Sollwert (SBIP),
der intern berechnet wird. PROZ gibt die prozentuale Erho-
hung des Sollwertes, DELTA die Stufenhohe an. Jedesmal,
wenn BIP.K=SBIP ist, nimmt TREP den Wert von DELTA an. Der
1
Anfangswert von TREP ist gleich Nul1 ).
Bei dieser Konstruktion wird davon ausgegangen, daB der An-
teil der staatlichen Investitionen für die Bildungsanfanger
erst erhoht wird, wenn das Bruttosozialprodukt eine bestimm-
te GroBe erreicht hat; die se GroBe ist der Sollwert SBIP.
PROZ ist so gewahlt, daB ASIBA im Jahre 2010 etwa 1 % be-
tragt.
Diese forcierte Ausgabenexpansion hat hauptsachlich zwei
Ursachen: Erstens den zunehmenden Druck der Staaten, die
Konfessionsschulen unter ihre Kontrolle zu bringen,und
zweitens die wachsende Zahl der Schulwilligen, deren Ein-
schulung zu einer politischen Aufgabe geworden ist. Abge-
1) Siehe dazu d~s Fortran-Zusatzprogramm im Anhang.

-
116 -
sehen von der Republik Elfenbeinküste
werden die anderen
vier Staaten der Entente nicht in der Lage sein, bis zum
Jahre 2010 eine Einschulungsquote von 100 % zu erreichen.
Nichtsdestowenigerwirdder EinfluB der Kirchen im Schulbe-
reich wesentlich abnehmen, auBer in Niger und in Obervolta.
In diesen Staaten erweist sich die EinfluBnahme des Islams
aIs auBerordentlich resistent. Dies hangt darnit zusarnmen,
daB der Islam, bedingt durch die Struktur der Priester-
schaft und der Anpassungsfahigkeit der Sitten, aIs eine
"inlandische" Religion angesehen wird. Die christlichen
Kirchen zahlen zu den "auslandischen" Religionen. Eine
überrnacht des Auslandes ist in keinem Staat erwünscht.
1
Wer den Schulalltag der betreffenden Lander kennt ), dem
erscheinen die Annahrnen über die künftige Ausgaben- und
Kontrollpolitik der Schulbehorden plausibel. Dabei rechnen
sie mit Hilfeleistungen internationaler Organisationenwie
2
der UNESC0 ) •
Der Anteil des finanziellen privaten Beitrages für die Bil··
dungsanfanger - DMPBA -
ist ein bestirnrnter Prozentsatz der
staatlichen Investitionen für diesen Bildungsbereich. Die
Entwicklung des MPBA wird mit Hilfe einer Rampenfunktion
errnittelt.
1) Der Verfasser hat eine Lehrerausbildung an einer katho-
lischen Fachschule erhalten und konnte deshalb die an-
gesprochenen Probleme nicht nur theoretisch, sondern
auch aus seiner Lehrertatigkeit in volksschulen kennen-
lernen.
2) Eine Studie des Bochumer Instituts für Entwicklungsfor-
schung und Entwicklungspolitik gibt. einen Überblick fber
Aktivitaten der UNESCO auf dem Gebiet der Bildungspoli-
tik in der Dritten Welti vgl. dazu:
Arnold, W., Kodjo, S., Renesse, E.-A.v., Quantitativer
und qualitativer Bedarf der" Entwicklungslander in den
Bereichen: Bildung, Wisse~schaft und Technologie, Bochum
1972, fUr Afrika, siehe ~ ~:
die Seiten 23-25;
35-37.

-
117 -
G10.
A
MPBA.K=DMPBA-~1P(RSTP,RANP)
1
C
DMPBA=. 20 )
Die Werte des DMPBA variieren zwischen 25 % (Niger)
und
18 % (Elfenbeinküste),
sie ergeben sich aus Budgetanaly-
sen, die ich in den einzelnen Entente-Landern durchgeführt
habe. Mit anderen Worten betragt der finanzielle Beitrag
der Kirchen zur Schulung der.Bildungsanfanger h6chstens
25 % der Staatsausgaben, mindestens aber 18 %. Dieser An-
teil nimmt ab, deshalb steht vor der Rampenfunktion ein
Minuszeichen.
Die Rampe geh6rt zu den Funktionen ohne Integration, die
2
nichts akkumulieren wie z.B. Leve1 ). Sie dienen in der
Regel als Testinputs. Lineare Entwicklungen k6nnen durch
eine Rampenfunktion reprasentiert werden. Dabei müssen
die Rampensteigerungsrate -
in unserem Fall RSTP -
und der
Rampenanfang -
RANP -
angegeben werden.
RSTP und RANP sind
Konstanten.
RSTP betragt 0,003, PANP beginnt 1970. Der Mul-
tiplikator des privaten Beitrages für die Bildungsanfanger
- MPBA -
nimmt also pro Jahr um 3 % ab.
In 40 Jahren, d.h.
von 1970 bis 2010, reduziert sich der Anfangswert von 20 %
auf etwa 8 %.
Eine starkere Abnahme des Anteils der privaten Schulbeitra-
ge schlieBen wir aus. Mi tte der sechziger Jahre erlebte der
Islam eine neue Renaissance in Afrika, was zu einer Inten-
3
sivierung der christlichen Missionsarbeit.führte ). Auf
1)
Siehe dazu Forrester, J.W., Grundzüge einer Systemtheo-
rie, a.a.O., S.
154 ff.
2) Die quantitativen Angaben der Anfangswerte für C bzw.
N beziehen sich oh ne nahere Spezifikation immer auf die
Verhaltnisse in Togo.
3)
In der jüngsten Zeit ist es wiederholt vorgekommen, daB
olstaaten Mittel zur Finanzierung von Moscheen und is-
lamischen Schulen in Westafrika zur Verfügung stellen,
um so mehr wird dann auch ~n den Gemeinden in Europa
und den USA für die Intensivierung der christlichen Mis-
sionstatigkeit gesammelt.

-
118 -
diese Weise waehsen die Chaneen der religi6sen Gruppen, auf
die sehulisehe Regierungspolitik rnehr EinfluB zu gewinnen.
Diese Perspektive ist den Regierenden lastig, wie einst die
Souveranen des europaisehen Mittelalters die Maehtstellung
vor allern der katholisehen Kirehe in ihrern Herrsehaftsbe-
reieh aIs lastig ernpfanden. Brüehe bzw. Konkordate wurden
je naeh Situation aIs L6sung des Konfliktes herbeigeführt.
1
Die Entwieklung wird in Westafrika nieht anders verlaufen ).
,
Die Rarnpensteigerungsrate kann diese Variablen des Konflik-
tes jedoeh nieht getreu wiedergebeni es handelt sieh urn
Durehsehnittsangaben aIs Resultante der divergierenden Ein-
flüsse zwisehen Kirehe und Staat.
Die Gleiehung der gesarnten Ausgaben für die Bildungsanfan-
ger lautet:
G11.
A
IBA.K=SIBA.K(1+MPBA.K)
SIBA.K*MPBA.K stellt den Wert des privaten Bei-
trages dar.
Wird der Betrag von IBA.K dureh die Pro-Kopf-Investitionen
der Sehüler (IPS)
dividiert, so erhalten wir BA, die Anzahl
der potentiellen Bildungsanfanger.
IPS, die Investitionen pro Sehüler, hangen, wie aus Loop 3
(S. 114) hervorgeht, von den Durehsehnittsausgaben pro Kopf
(DIPS)
und vorn Multiplikator der Investitionen pro Sehüler,
der aIs Rarnpenfunktion dargestellt wird,
~b. Wir sehreiben:
G12.
A
IPS.K=DIPS+RAMP(RSTS,RANS)
DIPS betragt irn Durehsehnitt DM 110,--, etwa 11.000 Fefa
in jedern der fünf Lander. Die Rarnpensteigerungsrate - RSTS
- wird auf DM 4,--
(400 Fefa)
festgesetzt. Mit anderen Wor-
1)
In Guinea, Togo, Karnerun
und in Zaire hat es bereits
offene Konflikte zwisehen den Kirehen und den Regierun-
gen gegebeni dabei wurden je naeh Situation Schulen ge-
sehlossen, das Erseheine:'
~on Zeitungen verboten, gar
Biseh6fe eingesperrt.

-
119 -
ten nehmen die durchschnittlichen Investitionen pro Schü-
1er im Jahr um 400 Fcfa zu.- Es gibt keine statistischen
Daten, die diese Festsetzung rechtfertigen. Geht man da-
von aus, daB die durchschnittlichen Investitionen pro
Schulkind sich mehr als verdoppelt haben -
etwa das 2,5-
fache - muB R8TS DM 4,-- betragen. Die Rampenfunktion be-
ginnt 1970 (RANS=1970).
Die Zahl der Bildungsanfanger (BA) , multipliziert mit 100
und dividiert durch die Zahl der schulpflichtigen Kinder
pro Rechenperiode
(AR5), ergibt die m6g1iche und rechneri-
sche Einschulungsquote
(EQ). Die hierzu relevanten Daten
werden so gewahlt, daB eine Konkordanz zwischen rechneri-
scher und realer Einschulungsquote zu Beginn der Simula-
tion besteht.
G13.
A
EQ.K=BA.K*100/AR5.K
1970 war in den einzelnen Entente-Landern die Einschulungs-
quote unterschiedlich. Den h6chsten Stand fanden wir in der
Elfenbeinküstei
lauf offiziellen Angaben betrug die Quote
dort etwa 49 %1). Es handelt sich jedoch erstens um einen
Schatzwert und zweitens um eine Durchschnittszahl, da in
demselben Land die Einschulungsquote in bestimmten Regionen
2
nur 5 % betragt ). Den niedrigsten Stand verzeichnet die
Republik Niger:
10,8 % nach Angaben des Planministeriums
' N '
3)
ln
lamey
.
1) Republique de la Côte d'Ivoire, Plan Quinquennal de De-
veloppement Economique, Social et Culturel,
1971-1975,
a.a.O., S.
16.
2) Ebendort, S.
30.
3) Diese Angabe, die wir schriftlich bekamen, konnte uns
auch mündlich bestatigt werden. Siehe auch:
Commission des Communautes Europeennes, les conditions
d'installation d'entreprises industrielles, NIGER, Brüs-
sel 1972, S.
13.

-
120 -
Generell ist in den Nordregionen, in denen auch der isla-
mische EinfluB am starksten ist, die Einschulungsquote am
niedrigsten. Es laBt sich nicht eindeutig nachweisen, ob
die Prasenz des Islams aIs Ursache (Antezedenzbedingung)
für den mangelnden Schulbesuch in diesen Regionen ùnzuset-
zen ist. Nachweisbar ist jedoch, daB immer dort, wo west-
liche ~ertvorstellungen an Boden gewinnen, au ch die Ein-
1
schulungsquote hoher ist ).
Die Bildungsanfanger (BA)
bleiben im ersten BildungsprozeB
(BP1)
neun Jahre lang; der Verlauf wird durch eine Makro-
2
verzogerungsfunktion -
genannt Delay 3 - dargestellt ).
G14.
A
BP1.K=DELAY3(BA.K,BD1)
C
BD1 = Dauer der ersten Bildungsstufe
3
= 9 Jahre ) .
1) In Kandé - Nordtogo - muBten die Lehrer 1958/59 frei-
tags Bonbons an die Schulkinder verteilen, um den Schul-
besuch schmackhaft zu machen. Der Animismus und nicht
der Islam dominierte in diesem Raum, wo die Einschu-
lungsquote unter 5 % lag.
2)
Delay-Funktionen sind Verzogerungsgleichungen, die einen
"ReifungsprozeB"
reprasentieren bzw. ermoglichen.
"Delay
3 is used to create a delay in the transmission of a
quantity from the input to the output". Dazu: Forrester,
J.W., Principles of Systems, S.
8-25; der Input ist hier
BA, der Output BP1 bzw. ABP1.
3)
In Westafrika beginnt die Volksschule normalerweise mit
7 und endet mit 14 Jahren; die Dauer betragt also nicht
9 sondern 7 Jahre.
lm Modell beginnt die erste Bildungs-
stufe mit 5 Jahren, um der wachsenden Bedeutung der Vor-
schule, mit der ja auch Kosten verbunden sind, Rechnung
zu tragen.

-
121 -
Fig. II,7: Die Absolventen aus dem ersten BildungsprozeB
~.I.!
Bilc~:·1·j"'h<e .
der 14-jAhrigen
- ohne Scr-uiaus-
hildur.g in \\
KVR
Konstante
'Verlustrate
/~
\\
\\
1
,
D3 ]."-P 1 BD
1
1
1
VR
Verlustrate
/
. /
Bildung
f
pro
. y
//
-
KSTR14
-........... l<onS~Sterh_
Person
rate der 14-j!h-
CBPP
rlgen
Wie aus Fig. II,7 hervorgeht, schlieBen nicht aIle Bildungs-
anfanger (BA)
die erste Bildungsstufe ab. Das Modell spie-
gelt jedoch die Realitat nicht getreu wider, denn es wird
von der Fiktion ausgegangen, daB kein Schüler eine Klasse
wiederholen muB. Auch die vorzeitigen Abgange von der Schu-
le werden nicht berücksichtigt. Die Aggregation des Modells
bewirkt jedoch, daB derartige Unterlassungen sich nicht im
1
Modellverhalten bemerkbar machen ). Um die Zahl der effek-
tiven Absolventen aus dem ersten BildungsprozeB (ABP1)
zu
errnitteln, wird von den in der ersten Bildungsstufe befind-
1) Wie die ersten Tests des Modells gezeigt haben, hatten
wir sogar auf die dritte Bildungsstufe verzichten kon-
nen, ohne daB beispielsweise die Struktur der Arbeits-
losigkeit sich nennenswert verschoben hâtte.

-
122 -
lichen Personen BA bzw. BP' die Anzahl der Verstorbenen
1
abgezogen } .
G15.
A
ABP1.K=BP1.K(1-KSTR14}
C
KSTR14 = Konstante Sterberate der 14jahrigen
= 3 %2}.
Von diesen Absolventen ABP1 vergroBern diejenigen, die
nicht die zweite Bildungsstufe durchlaufen, die Zuwachs-
rate der arbeitssuchenden Personen: ZASP
(siehe Fig. II,?}.
In ZASP flieBen au Ber AR14, der Alterungsrate der 14jahri-
gen, andere Variablen ein, die wir noch angeben werden.
Um den EinfluB der Ausbildung auf das Produktionssysterù
in Teilbereichen zu erfassen, werden die Bildungsjahre
summiert, die wir Mannjahre nenneni Mannjahre bestehen
also aus der Summe aller Ausbildungsjahre. Werden sie
durch die Anzahl der aktiven Bevolkerung dividiert,
so
erhalt man die Bildung pro Kopf, einen wesentlichen Be-
st~ungsfaktor der Arbeitsproduktivitat in diesem Modell.
Die Zuwachsrate der Bildungsjahre (ZBJA)
setzt sich aus
den Bildungsjahren der verschieoenen Stufen zUsan~en, zu-
züglich eines Faktors - AR14.K*PA14*PBJ - des Erfahrungs-
wertes der .14jahrigen, die ohne Schulbesuch direkt in den
ArbeitsprozeB eingegliedert werden.
G16.
A
ZBJA.K=ABP1.K*.BD1+AP2.K:*BD2+ABP3.K:*..BD3+AR14.K*
PA 14*.PBJ
1} BA und BP1
sind nach den gemachten Annahmen zahlenmaBig
identisch. BP1 ware der GroBe nach ebenfalls ABP1 gleich,
wenn die Verstorbenen keine Berücksichtigung fanden.
2} Diese durchschnittliche Sterberate der 14jahrigen solI
hier auch für die Altersklasse der 6 bis 14jahrigen gel-
ten. Nur die Sauglingssterberate hebt sich von den Ster-
beraten anderer Altersgruppen deutlich ab.

-
123 -
ABP2 und ABP3 sind die Absolventen aus den Bildungsstufen
zwei und drei; BD2bzw. BD3 die entsprechende Bildungsdau-
1
er:
4 bzw.
3 Jahre ). PA14 ist der prozentuale Anteil der
14jahrigen, deren produktive Bildungsjahre (BPJ)
gezahlt
werden; PA14 betragt im Durchschnitt 0,1, PBJ 2,5 Jahre.
Mit anderen Worten, nur 10 % der im Traditional-Sektor ge-
machten Erfahrungen der 14jahrigen ohne schulische Ausbil-
dung werden aIs Bildungsjahre gezahlt. Dieser Schâtzwert
mag sehr niedrig erscheinen,
zumal im Modell die Bildungs-
jahre pro Kopf aIs eine wesentliche Determinante der Pro-
duktivitat definiert sind. Angesichts der marginalen Be-
deutung des Traditional-Sektors erscheint jedoch der PA14-
Wert von 0,10 für Dahomey (Benin), Togo unddiè Elfenbein-
küste zweckmaBig.
In Niger und in Obervolta ist die Situa-
tion anders. Der Traditional-Sektor dieser Staaten ist für
die Hohe des Bruttosozialproduktes gewichtiger aIs in den
drei anderen genannten Landern. Der PA14-Wert wird deshalb
mit 0,40 angesetzt. Die Simulationslaufe zeigen, daB ande-
re Werte von PA14 zu Ergebnissen führen,
die nicht der Rea-
litat entsprechen: die Durchschnittsproduktivitat ist dann
zu hoch oder zu niedrig, was groBe Abweichungen zwischen
den errechneten Sozialprodukten und der en realen Werten
(1970-1975)
hervorruft.
Die Zuwachsrate der Bildungsjahre -
ZBJA - geht in den Zu-
stand der Mannjahre (MJA)
ein, vermindert um die Variable
VR -
siehe Fig.
II,7 -
VR, die Verlustrate, steht für die Verminderung der Mann-
jahre durch Tod, Pensionierung, Abgange von Arbeitnehmern
aus anderen GrÜnden.
1) Die Fig. II,7 ist unvollstandig, was z.B. die Gleichung
G16. anbetrifft;
sie ist dadurch aber übersichtlicher;
zur vollstandigen Darstellung siehe: Fig.
II,8.

-
124 -
G17.
L
MJA.K==NJA.J+DT"*.(ZBJA.J-VR.JK)
G18.
R
VR.KL=MJA.K*KVR
KVR = Konstante Verlustratei sie betragt im Durch-
schnitt 0,09 für aIle fünf Entente-Lander.
Da MJA eine Zustandsvariable ist, brauchen wir bei ihrer
Berechnung einen Anfangswert ~~AI. Zur Schatzung dieses
Wertes werden die Beschaftigten im Traditional-Sektor und
die Beschaftigten im Modern-Sektor getrennt ermittelti die
entsprechenden Zahlen werden mit 3 bzw.
7 Jahren multipli-
ziert und das Ergebnis sUIT@iert. Mit anderen Worten, das
klassische learning by doing in der Subsistenzwirtschaft
wird mit drei Ausbildungsjahren bewertet, die neuzeitliche
schulische Ausbildung und die Erfahrungen der Beschaftig-
ten im Modern-Sektor mit sieben Jahren (etwa Volksschulab-
schluB) .
Diese Auffassung kann auf einen nieht unbegründeten Zweifel
stoBeni vor allem, wenn man berücksichtigt, daB die Volks-
schulen in Westafrika die meisten Arbeitslosen proàuzieren
und den Exodus in die Stadte am wirksamsten fërdern. Nach
AbschluB dieser Stufe haIt sieh namlich jeder für zu sehade,
weiterhin in der Subsistenzwirtsehaft zu bleiben. Nicht die-
ser Gesichtspunkt ist aber für àie stark unterschiedliche
Bewertung der Mannjahre in beiden Sektoren entscheidend,
sondern allein der produktionsteehnische Aspekt. Ungeschul-
te Bauern und Handwerker tragen wesentlich weniger zur Pro-
duktivitatssteigerung bei als Absolventen "der Volksschule,
die gleichartige Tatigkeiten verrichten,
so unsere Hypothe-
se. Ferner ziehen moderne Unternehmen in Afrika, auch Hand-
werksbetriebe, das geschulte dem ungeschulten Personal vor.
Aussagefahiger aIs die absolute Zahl der Mannjahre (MJA)
ist
ihr relativer Wert pro Beschaftigter: BPP, die Bildungsjahre
pro Person im ProduktionsprozeB. Dieser Wert oszilliert in
den Entente-Landern um die C3?e 4;
in Niger hat er mit etwa

-
125 -
3,5 den niedrigsten Stand. Die Werte von BPP dienen aIs
Grundlage der Tabellenkonstruktion im Modern- und Tradi-
tional-Sektor zur Bestimmung der Produktivitatsmultipli-
katoren; wir werden im einzelnen diese Vorgange darstel-
len.
1.2.2. Die zweite Bildungsstufe
ABP1, die Absolventen aus dem ersten Bildungsgang, bilden
im Modell zwei Gruppen, von denen die eine in den Arbeits-
prozeB eingeht und die andere in die zweite Bildungsstu-
fe 1 ) .
Zur Bestimmung der Bildungswilligen für den zweiten Bil-
dungsgang
(RWB1) wird eine Tabelle konstruiert: AWB1, der
Anteil der weiterzubildenden Personen aus der ersten Bil-
dungsstufe.
In der Systemtheorie Forresters sind Tabellen Konstruktio-
nen,
"constructs" im Sinne Lewins;
sie sind in erster Linie
der Ausdruck unserer Vorstellungen von beobachtbaren Phano-
menen der Gegenwart, die wir nicht exakt reproduzieren kon-
nen,.bzw. unsere Vorstellungen von angenommenen Entwicklun-
gen in der Zukunft. Nur einige Werte der Entwicklungsten-
denzen werden angegeben, auch bei nichtlinearen Verlaufen.
"Nonlinear relationships appear repeatedly in systems. The
2
interpolation functions )
locate by straight-line interpo-
lation, the values intermediate betweenthe points entered
3
in a table " . ) Die Problematik der Tabellenfunktion kann
deutlicher am konkreten' Beispiel gezeigt werden:
1) Siehe die Loopstruktur 4 (Loop 4).
2) Beispielsweise die Tabellenfunktion.
'3) Forrester, J.W., Principles of Systems, a.a.O., S.
8-8.

-
126 -
G19.
A
AWB1.K~TABHL(TAWB1,TIME.K,1970,2010,5)
T
TAWB1=.1/.1375/.1625/.1875/.2125/.225/.2375/.24/
.25 1)
Bei jeder Tabellenkonstruktion muB das Intervall zwischen
den Tabellenwerten angegeben werden. Dieses Intervall be-
tragt hier 5 Jahre
(vgl. G19.) • .
Loop 4: Die zweite und dritte Bildungsstufe
- - _ABPl
(A)-...........
AR14
(A)--"'"
--
A b s o l v e n t e n ,
,
~
d
1
~
Alterungsrate \\
/
a~lsd em .
fi
'
der 14jahrigen
Bl
ungsproze
~
)
AWBl
(A)
Anteil der wei-
terzubildenden
- -
"-
~ZASP (A)
/
Personen
/
~
Zuwachs der ar-
~........-
beitsuchenden
~~
ABP2
(Af--
/
J
Personen
'\\
Absolventen a~ ~
/
'dem 2. Bildungs-
~
\\
\\ prozeB
RWBl
(A)
""'.......... ~
RWB2
(A)
Rate der wei ter-
~Rate der weiter-
zubildenden Per-
zubildenden Per-
...............
so~
D3/BP2/BD2
(A)
len \\
Delay3 des 2. Bil-
'-......
dungsprozesses
1
1
--~
1
1
/
f
STHAW2
(C) -
D3/BP3/BD3
(A)
1
Steph6he beim An-
~
Delay3 des 3. Bil-
AW2
(A)
____
teil der wei ter-
dungSprojesses
Anteil der wei-
/1
zubildenden Per-
terzubildenden
sonen
fl"per sonen
~
/
/
/
/
DAW2
(C)"""""
STZAW~A)
Durchschnittli-
Stepzeitpunkt
ABP3~
Absolventen
~aus
cher Anteil der
dem 3. Bildungs-
Weiterbildung
prozeB
1) Die Abkürzung T steht in der Dynamo-Notation für "Ta-
bellenwerte von ... ";
in l1;'"tserem Falle von AWB 1 zum j e-
weiligen Zeitpunkt.

-
127 -
Mindestens zwei Werte der Tabelle müssen auBerdem angege-
ben werden: Anfangs- und Endwert.
In unserem Fall betragt
der Anfangswert 10 %, d.h., daG nur 10 % der Absolventen
aus dem ersten Bildungsgang die zweite Bildungsstufe be-
ginnen, was zur Zeit der Realitat entspricht.
Ist bei der
Tabellenkonstruktion der Anfangswert nicht statistisch zu
ermitteln, muB er heuristisch bestimmt werden, wie es bei
Endwerten immer der Fall isti dieser betragt im Modell 25 %.
In diesen Zahlen sind auch die Lehrlinge mitenthalten. Von
1970 bis zum Jahre 2010 wird sich also der Anfangswert von
10 % mehr aIs verdoppelt haben.
Die Zwischenwerte, 0,1375 bis 0,24,
ergeben sich aus dem
Vorstellungsbild des Modellbauers. Hatten wir eine lineare
bzw.
eine unterproportionale Entwicklung von AWB1
angenom-
men
(vgl. Fig.
1,2), dann hatte TAWB1
andere Werte erhal-
ten müssen.
Wie aus Fig.
1,2 hervorgeht, wird eine leicht überpropor-
tionale Entwicklung von AWB1
angenommeni
der Drang in die
Schule ist vor allem in den stadtischen Gebieten Westafri-
kas sehr groB.
Da man von der Schule, wie auch Illich ge-
nerell für die Entwicklungslander nachgewiesen hat,
sozia-
len Aufstieg und diskretionares Einkommen erwartet,
ist
1
diese Tendenz unaufhaltsam ).
Wie die se kurz gehaltene Beschreibung der Tabellenkonstruk-
tion gezeigt hat,
ist die Bewertungsfunktion also eine "pro-
grammierte Zukunft" gemaB unserer Vorstellungen. Geistigen
und Computermodellen liegen immer Vorstellungs- bzw.
Zu-
kunftsbi,lder zugrunde.
In wichtigen Dingen, wie Forrester be-
merkt, unterscheiden sich jedoch beide Modellarten grund-
legend:
"Die Computer-Modelle werden expZizit formuliert.
1)
Illich, 1., Une soci~t~ sans ~cole, a.a.O., S. 11-50
bzw.
S.
64 ff.

-
128 -
Die "mather:1aL~; il(~" Beschreibung des Modells ist eindeu-
tig,,1). MiBverstandnisse sind ausgeschlossen. Da hier die
jeweilige Vorstellung quantifiziert werden muB,
laBt sich
am Modellverhalten und an den realen Zahlen prüfen, wel-
ches Vorstellungsbild der Realitat entspricht.
Fig. 1,2: Entwicklung des Anteils der weiterzubildenden
Personen aus dem ersten BildungsprozeB
AWBl
in %
30
20
10
Zeit
1980
1990
2000
2010
Die Tabellenwerte von AWB1, multipliziert mit der Anzahl
der Absolventen aus dem ersten Bildungsgang, ergeben RWB1,
die Zuwachsrate der weiterzubildenden Personen in der zwei-
ten Bildungsstufeo
,
G20.
A
RWB 1 . K=ABP 1 . K*.AWB 1 < K
Die ermittelte Zahl wird in Delay 3 des zweiten Bildungs-
prozesses eingeführt -
siehe Loop 4 -. Diese Verzogerungs-
variable hat eine ahnliche Funktion wie die beiden vor-
und nachgelagerten Delays. Die Zahl der Absolven-ten aus
1) Forrester, J.W., Das Verhalten sozialer Systeme, in:
Kade, G., Hujer, R.,
Sozialkybernetik, a.a.O., S.
205,
die Hervorhebung stand nicht im Original.

-
129 -
dem zweiten E"_
~ngsgang ABP2 wird ana log zu ABP1 ermit-
telt. Wie aus der ersten Bildungsstufe
gehen nun die neu-
en Anfanger entweder in den ArbeitsprozeB
(ZASP)
oder in
die letzte Phase des Bildungssektors über.
1.2.3. Die AbschluBphase des Bildungsprozesses
Wie die Loopstruktur 4 zeigt, hangt die Variable RWB2, die
Zuwachsrate derjenigen, die die letzte Bildungsstufe durch-
laufen werden, von den Absolventen aus dem zweiten Bildungs-
prozeB ABP2 und von AW2, dem Anteil der Bildungswilligen
für diese letzte Phase ab.
G21.
A
RWB2.K=ABP2.K*AW2.K
Die Werte von AW2 ergeben sich aus einer Spezialfunktion
(step function)
des systemanalytischen Ansatzes Forres-
1
ters ) .
G22.
A
AW2.K=DAW2+STEP(STHAW2,STZAW2)
DAW2 ist der durchschnittliche Anteil des Schüler-
zuwachses der vorgelagerten Bildungsstufe.
DAW2 betrug im Jahre 1970 30 %, d.h., daB nach AbschluB der
zweiten Bildungsphase nur 30 % der Absolventen für die Wei-
terbildung zur Verfügung stehen. Ab 1990, dem Step-Zeit-
punk"t (STZAW2), erhëht sich dieser Erfahrungswert um 10 %,
also um die Step-Hëhe von AW2
(STHAW2)i AW2 wird dann
2
gleich 40 % sein und bis 2010 konstant bleiben ) .
1) Step-Funktionen mach en es mëglich, den Wert eines Para-
meters zu einem bestimmten Zeitpunkt des Simulationslau-
fes zu anderni
sie dienen auch als Testinputs
(Reizwir-
kung)
um festzustellen, wie sich das System wiederholt.
Siehe dazu: Forrester, J.W., Principles of Systems,
a.a.O., S.
8-11
f.
2)
Ursprünglich wurden mit Hilfe einer Tabellenfunktion die
durchschnittlichen Zuwachsraten bei jedem Rechenschritt
neu ermittelti es hat sich jedoch ergeben, daB die ein-
malige Anderung über die Step-Funktion nicht nur eine
zweckmaBige Vereinfachung bedeutet, sondern auch die
Entwicklung genau so gut wiedergibt.

-
130 -
Nach Beendigung der dritten Bildungsstufe gehen alle diese
Absolventen
(ABP3)
in die Zuwachsrate der arbeitssuchenden
Personen
(ZASP)
liber, vermindert um den Prozentsatz derer,
die ein Hochschulstudium absolvieren wollen. Wir konnen
schreiben:
G23.
A
ZASP. K==AR 14. K+ABP1 . K* (1-AWB 1 . K) +ABP 2. K-RWB2. K+
1 )
ABP3. K*AEl'•. K
Von dieser Gleichung sind uns die nachfolgenden Variablen
bereits bekannt:
A
AR14.K =
die Alterungsrate der 14j~hrigen
(analog zu G6.)
A
ABP1.K =
die Absolventen aus der ersten Bil-
dungsphase
(vgl.
G15.)
A
AWB1.K =
Anteil der weiterzubildenden Personen
aus der ersten Bildungsstufe (vgl. G19.)
A
ABP2 bzw. ABP3 sind die Absolventen aus der zwei-
ten bzw. dritten Bildungsstufe.
Sie werden errnittelt ahnlich wie ABP1.K.
RW2.K haben wir
eben kennengelernt: G21. Bisher unbekannt ist die GroBe
AEA.Ki
sie reprasentiert den Anteil der effektiven Schul-
abgange aus der dritten Bildungsphasei AEA.K ist eine
Step-Funktion.
G.24
A
AEA.K=DAEA+STEP(STHAEA,STZAEA)
C
DAEA = 88 %
C
STHAEA = -5 %
C
STZAEA = 1990
Wir haben bereits bei Gleichung 22
(G22.)
die Stepfunktion
ausflihrlich besprochen, so daB an dieser Stelle auf weite-
re Ausflihrungen verzichtet werden kann. Es sei jedoch ver-
merkt, daB die Gleichung STHAEA=-5 % so viel bedeutet, daB
1)
Siehe auch die übersicht TI,8: Bevolkerungs- und Bil-
dungssektor.

-
131 -
der Wunsch nach Hochschulbildung bis zum Jahre 2010 nicht
ab-,
sondern zunehmen wird~ ab 1990 betrtigt die Variable
DAEA nur noch 88 % -
5 % = 83 %, d.h. daB die Zuwachsrate
der Studierenden nicht mehr 12 % (100 % -
88 %),
sondern
17 % betragen wird~ diese Zahlen mogen die wirkliche Ent-
wicklung nicht genau widerspiegeln,
am Trend besteht je-
doch kein Zweifel. Die nachstehende Fig. II,8 bietet einen
Gesmntliberblick liber den Bevolkerungs- und Bildungssektor.
Einzelne Teile dieses Bildes sind uns bereits bekannt.
Fig.
II,8: Bevolkerungs- und Bildungssektor
(siehe dazu S.
131a)

131a
Fig.
II,8
~
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:lilteJ:: &l. U. Jahre
.(
1
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Porson 1.
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jahre
J'ersonen
D3/BP2/BD2
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1
Arbeltsu-
1
,
L....
~__J; 1
c:hende
kter-
,
.Ib
1
SOnen
Delay)
-
-
03/SP3/BD3
AD~I
- /
Ab~;rvent.n
/
~cler.. r
811-
d\\ln~5.r:.t1t.

-
132 -
1.3. Der Traditional-Sektor (TS)
1.3.1. Abgrenzung und Besonderheiten des Traditional-Sek-
tors
Wachsturnstheoretiker und Entwicklungsplaner erkennen immer
mehr, daB es zweckm!Big ist, die klassische Einteilung der
Volkswirtschaft in drei Sektoren aufzugeben und statt des-
sen nur einen Modern- und einen Traditional-Sektor in den
Entwicklungsl!ndern zu unterscheiden. Nach Priebe ist die
übliche sektorale Betrachtungsweise der Statistiker nicht
nur nicht zweckm!Big,
sondern sogar falsch:
:IMan spricht
von den drei Sektoren Landwirtschaft, Industrie und Dienst-
leistungen und übersieht, daB die Scheidelinie zwischen tra-
ditionaler und moderner Wirtschaft nicht zwischen zwei Sek-
toren, sondern mitten durch die Landwirtschaft verl!uft.
Man faBt auf diese Weise im Agrarsektor zwei voZZig hetero-
gene Bereiche zusammen, die auf ganz verschiedenen Entwick-
lungsstufen stehen."1)
Die eine Stufe ist zu mehr als 90 %
eine reine Hauswirtschaft im Sinne Karl Büchers, eine Sub-
sistenzwirtschaft alsoi
die andere besteht aus Produktions-
betrieben, die im monet!ren Wirtschaftskreislauf integriert
sind.
"Le secteur traditionnel est pr~pond~rant puisqu'il consti-
tue 76 % de la production, tandis que le secteur moderne ne
repr~sente que le 1/4 soit 24 %. En valeur ajout~e cet ~cart
est encore plus grand (83,5 % et 16,5 %).~2) Die produktions-
technische Versorgung des Traditional-Sektors ist zu 79,4 %
Eigenbedarfsdeckungi nur 11 % der Ausrüstung werden über den
3
Markt erworben, davon sind 9,6 % Importartike1 ). Diese ober-
1) Priebe, H., Matzke, O., Entwicklungspolitik ohne Illu-
sionen, Stuttgart, Berlin 1973, S.
19; Hervorhebung im
Original.
2)
Republique de Haute-Volta, .Plan Quinquenal 1972-1976,
a.a.O., S.
11.
3) Ebendort.

-
133 -
voltanischen Verh~ltnisse sind abgesehen von geringfligigen
Abweichungen (Elfenbeinkliste)
typisch flir die Entente-L~n­
der. Bemerkt werden muB jedoch, daB die angeflihrten Zahlen
Sch~tzgroBen sind, da wegen der hohen Selbstversorgung die
genaue statistische Erfassung der Daten vor allem aus dem
Traditional-Sektor sich aIs auBerst problematisch erwiesen
hat 1 ) •
Auch das Gros der arbeitsf~higen Bevolkerung lebt im Tradi-
tional-Sektor (TS).
ilLe secteur rural groupe 99,4 % des ef-
fectifs totaux des travailleurs dont 97 % dans le secteur
2
primaire" ). Ahnliche Verh~ltnisse finden sich in Niger.
Aus diesen Angaben geht hervor, daB TS einen Teil des Dienst-
leistungsgewerbes umfaBt: den inlândischen Kleinhandeli das
d6rfliche Handwerkswesen. Daraus wird deutlich, daB das
Haupteinteilungskriterium
von Priebe, der hohe Selbstver-
sorgungsanteil, nicht ausreicht, um beide Sektoren voneinan-
der zu unterscheiden. Die meisten Anbauer von sog. Export-
kulturen wie Kakao, Kaffee, Ananas, Baumwolle wlirden nach.
dem Merkmal der Marktorientierung zum Modern-Sektor z~hlen.
In der Tat ist in Westafrika auch von "agriculture moderne"
die Rede, wenn diese Exportprodukte gemeint sind.
Beobachtet man aber das Verhalten dieser Bauerngruppe, so
stellt sich heraus, daB auch sie sich vom Subsistenzgedan-
ken leiten lassen: man baut eine bestimmte Flache an, die
kaum liber diè Versorgung des eigenen Haushaltes hinausreicht
und begnligt sich dami t.
Die Angst vor sozi'alen Repressalien
zwingt sogar groBe Landbesitzer dazu, die Besch~ftigung von
bezahlten Landarbeitern aIs Mittel der Produktionssteigerung
1)
Siehe dazu: Güsten, R., Helmschrott, H., Volkswirtschaft-
liche Gèsamtrechnung in Tropisch-Afrika, Afrika-Studien,
Bd.
3,
1965.
2)
Republique de Haute-Volta, Plan Quinquennal 1972-1976,
a.a.O., S.
12.

-
134 -
1
zu unterlassen ).
Für Europa, schreibt Borchardt, war es "eine unerh6rte Ver-
anderung der Situation, daB seit der Renaissance zunehmend
Originalitat, der neuartige Einfall und die Durchsetzung
von Neuerungen aIs eine gesellschaftliche Leistung pramiert
wurden Il2 ).
Zurn Einstellungswandel, die Erneuerung bzw.
die
pers6nliche Leistungssteigerung aIs Mittel der individuel-
len Promotion einzusetzen, geh6rt mindestens ein System
durchlassiger sozialer Stratifikation. lm Bereich des Tradi-
tional-Sektors in Afrika sind noch nicht einmal die Anfange
dieses Wandels in Sicht. Die differenzierte offene gesell-
schaftliche Schichtung, die dazu geh6rt,
fehlt.
Ein Ineinan-
dergreifen von Modern- und Traditional-Sektor k6nnte eine
adaquate Veranderung herbeiführen.
In dem vorliegenden Modell zâhlt fast die Totalitat der
Agrarwirtschaft zum Traditional-Sektor. Von Europaern ge-
leitete Farmen und einige Spitzenbetriebe afrikanischer Un-
nehmer machen hier eine Ausnahme. lm industriellen und
Dienstleistungssektor darf man sich ebenfalls nicht vom Na-
men leiten lassen. Erst beim konkreten Fall laBt sich ent-
scheiden, was tatsachlich Zl~ Modern-Sektor geh6rt und was
nicht. Der Dienstleistungsbereich ist in diesem Zusarnmen-
hang ein besonders markantes Beispiel: sieht man von den
wenigen Banken, Versicherungen und den nach Leistungsprin-
zip geführten Handelsunternehmen ab, so geh6rt der tertiare
Sektor ebenfalls zurn Traditional-Sektor.
1) Ein Bauer Nordtogos hat die finanzielle Unterstützung
seines studierenden Bruders zur Mehrproduktion abgelehnt,
mit der Begründung, daB die Leistungssteigerung über ein
gewisses MaB hinaus seinen sicheren Tod bedeuten wlirde.
Unter modernen afrikanischen Unternehmern macht sich eine
Psychose breit: die Angst vor dem Giftmischer aus Neid!
2)
Borchardt, K., Dreht sich die Geschichte um? Modelle für
Wachstumsschranken, Ebenhausen bei München 1974, S.
22.

-
135 -
Die nichtquantitative sprachliche Abgrenzung der Sektoren
macht es maglich,
ihre verschiedenen Charakteristika auf-
zuzahlen und zu klassifizieren, was in der Literatur üblich
1
ist ). Durch diese Vorgehensweise wird der Eindruck einer
Genauigkeit erweckt, der aber nur sprachtheoretisch befrie-
digt. Geht man an die rechnerische Aufgabe festzustellen,
welches Unternehmen zu TS gehart und welches nicht, so tre-
ten unvorhergesehene Schwierigkeiten auf, die vordergründig
in den Überlappungserscheinungen bestehen. Entwicklungslan-
der sind archaische und moderne Gesellschaften zugleich.
Modernitat und Traditionalitat existieren nicht nebeneinan-
der,
sondern durchdringen èinander;
jede Trennungslinie
grenzt an Willkür, auch wenn sie problemorientiert ist.
Wir bedienen uns der Kapitalausstattung pro Arbeitsplatz,
genannt Kapitalintensitat, aIs Unterscheidungsmerkmal zwi-
schen TS und Modern-Sektor (MS). Der Durchschnittswert der
Kapitalintensitat im Traditional-Sektor liegt 1970 in den
Entente-Landern bei DM 4 000,--, im MS betragt er etwa das
2
doppelte ). Diesesquantitative Merkmal erlaubt uns, die An-
zahl der Mitarbeiter, die pro Periode eingestellt werden
kannen, genau zu ermitteln, sobald der Kapitalbestand be-
kannt ist.
Wir sind uns der Unzulanglichkeit auch der Kapitalintensi-
tat aIs Einteilungskriterium bewuBt. Sie hat jedoch den
Vorzug des Quantitativen, sie ist eindeutig und kann gege-
benenfalls schnell durch eine andere Zahl ersetzt werden.
1)
Zur Abgrenzung zwischen quantitativer und nichtquantita-
tiver Sprache siehe:
Stegmüller, W., Problerne und Resultate der Wissenschafts-
theorie und Analytischen Philosophie. Band II, Theorie
und Erfahrung, Studienausgabe Teil A, Erfahrung, Fest-
setzung, Hypothese und Einfachheit in der wissenschaft-
lichen Begriffs- und Theoriebildung, Berlin, Heidelberg
1970, S.
15 ff.
2) Wir werden an entsprecher
or Stelle auf diese Angaben
ausführlich eingehen.

-
136 -
Wir glauben auBerdem, daB in den Frühphasen des Industria-
lisierungsprozesses die Kapitalausstattung pro Arbeitsplatz
darüber unterscheidet, wieviele Personen in den arbeitstei-
ligen EntwicklungsprozeB integriert werden. Da es uns fer-
ner um eine organische Verzahnung zwischen Modern-Sektor
und Traditional7Sektor geht, halten wir die Kapitalinten-
sitat aIs Einteilungskriteriu~ für zweckmaBig.
1.3.2. Beschreibung des Traditional-Sektors und Aufstellung
der Gleichungssysteme
1.3.2.1. Der Kapitalbestand; Zusammensetzung, Entwicklung
und Funktionen
lm Modell ist der Kapitalbestand sowohl im Traditional- aIs
auch im Modern-Sektor mit dem volkswirtschaftlichen Kapital-
stock vergleichbar. Er ist eine Zustandsvariable. Die Zu-
fluBrate ist, wie für den Traditional-Sektor
in Fig. II,9a
dargestellt wird, durch die periodischen neuen Investitio-
nen bestimmt. NIT, die jahrlichen neuen Investitionen im TS
vergroBern den Kapitalbestand dieses Sektors symbolisiert
durch die Abkürzung KBT. Die Abschreibung,
in unserem Fall
ABT, ste lIt die AbfluBrate dari sie vermindert den Wert des
Kapitalbestandes. Wir konnen nun folgende Gleichungen auf-
stellen:
G25.
L
KBT.K=KBT.J+DT*(NIT.J-ABT.J)
G26.
A
ABT.K=KBT.K*ABST
C
ABST = Abschreibungssatz im TS
= 2,5 %

-
137 -
Fig.
II,9
K<:.',:,_::
::llbestand und Absetzung von Arbei tskraften
/
ABST
Abschrei-
NIT
bungssatz
Neuinvesti-
r-
,
tionen lm TS
1
~
Traditionalsektor
/
/
-~--
c:;J
. /
-....
AT: Frei
ab-
. /
- ........ g;;etzte Ml t- ~
arbeiter
i~
~
U...!...!
Tradit -Sek
Zuwachsrate
.ungsrate im TS
~
suchenden
~
Personen
/
_._
-. AK1K'O'nstanter
,
1
AK3
~$t.anter
:LU
A"teil d.
Au;-
:jesc~iedene~
1ASP
.
Anteil d.
Aus-
Integrierte
ArbeitSSUChenn-rgeSChied9ner
~:r---J'... - - - - '
a us
AS P \\
Personen im TS
aus
IP-r
~ ~
l
(Beschaftigte)
L e personen.
' \\
\\
~ ~
---- --r---
,
\\
~ w
~ ~
IRAT:Rate der
~,LJC/)
1
~:Ratedet'
Al1sgeschie-
~ ~ ~
Ausgeschiedenen
denen aus 1PT
HI·~ a
ailS
AS?
<>: w ...
'--
.....J
Der Anfangswert KBT.J muBte wegen fehlender Statistiken
heuristisch bestimmt werden.
Seine Hëhe ist so festgelegt,
daB die durchschnittliche Kapitalintensit~t pro Arbeits-
platz etwas niedriger ist aIs die tatsachliche, d.h. die
aktuelle Kapitalausstattung pro Arbeitsplatz. Diese Diffe-
renzierung fuBt auf der oft beobachteten Tatsache, daB mit
zunehmendem technischen Fortschritt auch die Kapitalinten-
sitat zunimmt.
Der gesamte Kapitalbestand ist im Durchschnitt etwa vier-
mal so groB wie das Bruttosozialprodukt im Basisjahr 1970
und wird entsprechend dem Anteil der Sektoren am Brutto-

-
138 -
sozialprodukt aufgespaltet. Wie wir im e1nzelnen sehen wer-
den, stellt sieh dabei heraus, daB der Modern-Sektor über-
kapitalisiert ist.
Die Sehrumpfung des Kapitalbestandes im Traditional-Sektor
über ABT ist gering wegen des angenommenen Absehreibungs-
satzes: ABST = 2,5 %. Dieser niedrige Satz wird mit der Ein-
faehheit und Dauerhaftigkeit der Werkzeuge und Produktions-
faktoren
(vor allem Boden)
begründet, die im Traditional-
Sektor eingesetzt werden.
Dividiert man KBT.K dureh die Anzahl der Personen, die im
Traditional-Sektor beseh~ftigt sind -
1PT -
so erhalt man
die durchsehnittliehe Kapitalintensit~t:
G27.
A
DK1T.K=KBT.K/1PT.K
Diese Hilfsvariable und die Absehreibungssumme determinie-
ren zusammen FAT, die freigesetzten Arbeitskrafte pro Pe-
riode.
G28.
A
FAT.K=ABT.K/DK1T.K
Der FreisetzungsprozeB wird also über den Ausseheidungsver-
lauf der alten Produktionsanlangen ermittelt und dies in
doppelter Hinsieht: einmal weil die Stillegung von Produk-
tionsanlagen wegen Überalterung mit Personalabbau einher-
geht und zum zweiten weil im exogen gesteuerten Entwieklungs-
prozeB der arbeitsparende
teehnisehe Fortschritt bei Ersatz-
investitionen starker zum Tragen kommt aIs in ausgereiften
1
Volkswirtsehaften ) •
Entwieklungslander brauehen nieht erst arbeitsparende Teeh-
niken zu erfinden, da sie ihnen von internationalen Gesell-
sehaften der 1ndustrienationen angebcten werden. Die Zahl
1)
Siehe dazu:
Baranson, J., Teehniseher Fortsehritt in Ent-
wicklungslandern, in: Finanzierung und Entwieklung, Nr.
2,
1974, S.
3, siehe aueh S.
5.

-
139 -
der internationalen Unternehmen nirnmt zu.
Ihre grëBere Mo-
bilitat gegenüber rein nationalen Unternehmen macht es ih-
nen mëglich, die Technologie in anderen Staaten auBerhalb
des Stammlandes einzusetzen. P..uf Grund des Entwicklungsge-
falles zVlischen Industrie- und Entwicklungslandern sind die-
se Gesellschaften in der Drittan Welt wie "international
geboren"1} .
Wir halten diese Konstruktion hinsichtlich des Freisetzungs-
prozesses trotz ihrer Unvollkomuenheit für wesentlich, weil
sie uns die Mëglichkeit bietet, diesen ProzeB aus den dar-
gelegten entscheidenden Perspektiven zu sehen.
Die "geplan-
te Misere" Horst Meiers ist nicht nur eine Ansarnrnlung so-
zialpsychologisch fehlgeplanter Projekte in Entwicklungs-
landern. Sie ist ein Zeugnis dessen, was auch wir bei Un-
tersuchungen in Afrika festgestellt haben: Wenn veraltete
landwirtschaftliche Bewasserungsanlagen bzw.
unzweckmaBige
Maschinen nicht durch besser angepaBte ersetzt werden, be-
deutet das irnmer Freisetzung bzw. Verlust von Arbeitskraf-
2
ten }. Das Phanomen t r i t t so haufig auf, daB es eine beson-
dere Aufmerksamkeit verdient.
Die Auffassung, daB technischer Fortschritt reprasentiert
durch das konstante Kapital im Marxschen Gleichungssystem
gesamtwirtschaftZich Arbeitslosigkeit hervorrufe, wird heu-
te kaum noch vertreten. Diesem Trend folgend gehen wir da-
von aus, daB die freigesetzten Arbeitskrafte -
FAT - den
ProduktionsprozeB nicht verlassen,
sondern mit Hilfe von
Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen wei ter beschaftigt
werden. Es handelt sich im Modell aber um eine Fiktion:
1} Rolfe, S., The International Corporation, Paris 1969,
S.
62.
2}
Dazu: Meier, H., Die geplante Misere,
zur soziologischen
Problematik fehlgeschlagener Entwicklungsprojekte, Mei-
senheim a.
Glan 1971;
siehe vor allem S.
45 ff.:
das
Niger-Landwirt.schaftsprc·~l(tin Nigeria, und S.
64 f.:
Farmmechanisierung in de-
'1 jrkei.

-
140 -
hatte es keinen FreisetzungsprozeB gegeben, hatten neue
Mitarbeiter eingestellt werden kannen, deshalb werden von
der Bruttoeinstellungsrate - BERT - die fiktiv freigesetz-
ten Arbeitskrafte abgezogen, um die tatsachliche Einstel-
lungsrate im Traditional-Sektor - RIP -
zu erhalten (vgl.
Fig.
II,9a).
G29.
R
RIP.KL=BERT.K-PAT.K
Je haher RIP pro Rechenperiode ist, desto schneller kann
das Reservoir der Arbeitslosen - ASP - abgebaut werden.
Die ZufluBrate von ASP ist ZASP, der periodische Zuwachs
an arbeitssuchenden Personen.
ZASP ist, wie aus der 4.
Loopstruktur (Loop 4, S. 126) hervorgeht, die Surnrne aus
dem Zustrom der Alterungsrate der 14jahrigen und dert Ab-
solventen aus den verschiedenen Bildungsstufen. Die Ab-
fluBrate ist RAP, die Zahl derjenigen Arbeitslosen, die
wegen Krankheit, Invaliditat, Tod, Abwanderung oder aber
auch aus Altersgründen aus dern ASP-Level ausscheiden. Die
Gleichungen hierzu werden bei der Darstellung des Modern-
Sektors mitbehandelt.
RIP, die Einstellungsrate im Traditional-Sektor, stellt
den periodischen Bruttozuwachs an Arbeitskraften in diesem
Sektor dar.
IPT, die Anzahl der im Traditional-Sektor ar-
beitendeh Personen,
ist die Akkumulation von RIP, ver-
mindert um die AbfluBrate RAT dieser Zustandsvariable. Die
Gleichungen hierzu lauten:
G30.
L
IPT.K=IPT.J+DT*(RIP.JK-RAT.JK)
G31.
R
RAT.KL=IPT.K*AK3
C
AK3=0,07
Diese GraBe
(AK3)
stellt den konstanten Anteil derjenigen
dar, die aus dem aktiven Leben des Traditional-Sektors we-
gen Krankheit,
Invaliditat, Pensionierung usw.
ausscheiden.
IPT.J
(G30.)
ist der Anfang~c ,"-t von IPT, der Beschaftigten

-
141 -
im Traditional-Sektor im Jahre 1970. Wir setzen dafür nicht
die amtlichen Werte ein, die ebenfalls Schtitzungen sind,
sondern haben die Ermittlung für die fünf L~nder mit gerin-
gen Abweichungen standardisiert. Ein konkretes Beispiel mag
dies verdeutlichen. Der Anteil der arbeitsf~higen Bevalke-
rung in der Entente wird mit 40 % angesetzt. Für Togo er-
6
gibt sich an potentiellen Erwerbspersonen:
40 % x 2 x 10
=
800 000 Arbeitsf~hige, wavon '80 % im Traditional-Sektor an-
genommen werden:
80 % x 800 000 -- 640 000. Laut statisti-
schen Angaben aus Lom& betragt 1970 allein die aktiv in der
1
Landwirtschaft t~tige Bevalkerung 517 000 Personen ). Da
wir im Traditional-Sektor nicht nur die Landbevalkerung,
sondern auch Teile der st~dtischen Einwohner erfassen wol-
len, erscheinen die standardisierten GraBen zweckm~Big.
Die 640 000 arbeitsf~higen Personen sind al le wegen des sub-
sistenziellen Charakters dieses Sektors tats~chlich im "Ar-
beitsprozeB", d.h.
sie tun alle etwas,
zumindest als Bei-
trag zur Sicherung ihrer Existenz. Aber nur 50 % ihres Ein-
satzes werden als vollproduktiv von uns anerkannt, demzu-
folge betr~gt IPT.J = 0,5 x 640 000 = 320 000. Somit liegt
die Hahe der Arbeitslosigkeit im Traditional-Sektor für al-
le fünf Entente-L~nder bei 50 %.
Nimmt man für Togo eine Arbeitslosigkeit im Hodern-Sektor
von 15 % (st~dtische Arbeitslosigkeit vor allem)
an, ergibt
sich eine durchschnittliche Arbeitslosenquote von 43 %. Die
Quote erscheint zun~chst sehr hoch; sie liegt jedoch im in-
ternationalen Vergleich nur etwa wn Smal haher als die
durchschnittliche Arbeitslosigkeit der zehn wichtigsten In-
dustriel~nder. Der Simulationsverlauf hat auBerdem gezeigt,
daB die Annahme einer z.B. um 50 % niedrigeren Arbeitslosen-
quote eine wesentliche Reduzierung der Arbeitsproduktivitat
1) République Togolaise, Ministère des Finances de l'Econo-
mie et du Plan, Plan de D~veloppement Economique et So-
cial 1971-1975, Lomé 1971
;'.312.

-
142 -
hervorruft, die in der Praxis nicht vertretbar ist. Die
standardisierte Berechnung hat jedenfalls den Vorzug der
Eindeutigkeit und der Vergleichbarkeit im untersuchten
Raum.
1.3.2.2. Kaufkraft,
Investitionen und potentielle Neuein-
stellungen im Traditional-Sektor
Wie wir gesehen haben, werden Investitionen erst getatigt,
wenn Aussicht auf Absatz der hergestellten Produkte be-
steht. Eine wesentliche Determinante der Konsumgüter ist
das verfügbare Einkommen bzw. die Kaufkraft. Nicht die Kauf-
1
kraft des Geldes im Sinne Irving Fishers ist hier gemeint ),
sondern die Fahigkeit einer Person oder Gruppe bzw. Region,
mit verfügbarem Geld ineiner bestimrrlten Periode, Güter und
2
Rechte zu erwerben ). Addiert man die Kaufkraft der Indivi-
3
duen und Gruppen,
so erhalt man die sog. Kaufkraftpotenz ).
Sie ist ein Gradmesser der potentiellen Nachfrage.
In den
afrikanischen Landern ist die Kaufkraftpotenz im Traditio-
nal-Sektor am niedrigsten, entsprechend auch die Investiti-
onen. Um diesen Zusammenhang zwischen Kaufkraft der Indivi-
duen und Investitionen in einer Region deutlich zu machen,
werden die periodischen Investitionen im Traditional-Sektor
primar von der Anzahl der Beschaftigten dieses Sektors und
ihrer Kaufkraftpotenz abhangig gemacht:
G32.
A
NIT.K=GNI.K*ANIT.K
GNI
= Gesamte Neuinvestitionenpro Jahr
ANIT = Anteil von GNI im TS
1) Fisher, I., Die Kaufkraft des Geldes, Berlin 1916, S.
10.
2)
Danckwerts, R., Regionale Kaufkraftziffern im Europamarkt,
Teil I: Regionale Kaufkraftziffern in Dienste der Absatz-
wirtschaft, in: Wirtschaftsdienst, 41. Jg., Nr.
12, 1961,
S.V.
3) Eichholz, G., Kaufkraftforschung im Dienste der Unterneh-
mung,
in:
Zeitschrift für handelsw. Forschung, KaIn und
Opladen 1952, S.
260.

-
143 -
G33.
A
ANIT.~=TPT.K*PKEB.K/BSP.K
1PT
= Beschaftigte im TS
PKEB = Brutto-Pro-Kopf-Einkommen
BSP
= Bruttosozialprodukt
Fig.
II,10 stellt diese Zusammenhange dar.
Fig.
II,10: Kaufkraft, 1nvestitionen und potentiellle Neu-
einstellungen im TS
.Ml
Konstanter
l
P T
t
Antel1 d.
Aus-
Intcgricrte Per-
A S l'
qeschiedenen
\\
soncn im Trùdi-
Arbeitsuchende
aus
ASP
tional-Sckt.or
Personen
(Beschaftigte)
/
/
,.
a "'1"
~. H
/
"
'0
""i tt.I ••
frj
,.,
~
(
)
.. ~
.... fT
......
1
c
RAP:Rate d o / r
" n.
Ausgeschiedencn
---.----
. " .
"
aus
AS?
~
-->.._-----
B
BIP
BSP J
.A iO
Kcnstanter
~
A~ëel1 d. Aus-
' - - - - - - - geschiedenen
a us
I P r
Diese Konstruktion
(G33.)
hebt sich von der Entwicklungs-
strategie ab, nach der die Investitionen irn Traditional-
Sektor erhëht werden kënnen - Mechanisierung der Landwirt-
schaft -
ohne spürbare Anhebung des Beschaftigungsniveaus.
Die Aufnahrnemëglichkeiten des Modern-Sektors als Beschafti-
gungssektor und die Struktur der Nachfrageentwicklung der
internationalen Markte lassen diese Entwicklungsstrategie
als fragwürdig erscheinen. Die Zunahrne der Kapitalintensi-
tat erhëht in der Regel die technische Produktivitat. So-

-
144 -
lange aber die Aufnahmefahigkeit des Marktes nicht gegeben
ist, ist die Erh6hung der Produktion mittels Kapitaleinsat-
zes ohne Anhebung des Beschaftigungsniveaus un6konomisch.
Anstelle dieser Strategie ware also eine Konzeption zweck-
maBiger, die eine Produktion für die Massen durch die Mas-
sen selbst erm6glicht. Eine schnelle Verbeserung des Le-
bensstandards der La.ndbev6lkerung in der Dritten Welt muB
in dieser Richtung gesucht w~rden.
Die potentiellen Neueinstellungen im Traditional-Sektor -
PNET -
hangen von den Neuinvestitionen in diesem Sektor -
NIT -
und von AKIT, der angepaBten Kapitalintensitat pro
1
Arbeitsplatz ab )
(siehe dazu Fig.
II,10):
G34.
A
PNET.K=NIT.K!AKIT.K
Die isolierte Analyse dieser Gleichung bringt die Gefa.hr
plastisch zum Ausdruck, die wir verbal zu umschreiben ver-
sucht haben:
je gr6Ber NIT.K, desto mehr Personen k6nnen
bei gegebener Kapitalintensitat im Traditional-Sektor be-
schaftigt werden. Nun zeigt die system~nalytische Betrach-
tung, daB diese SchluBfolgerung nur post scriptum richtig
sein kann: h6here Finanzinvestitionen in einem quasi Sub-
sistenzsektor setzen ein erh6htes Beschaftigungsniveau vor-
aus, bzw. müssen ein solches bewirken, um wirtschaftlich
zu sein. Diese Investitionen stehen jedoch nicht illn Anfang
der zirkularen Kausalkette. Dm es zu wiederholen: in den
westafrikanischen Landern müssen zunachst'die Menschen in-
vestiert werden~ ehe FinanzmitteZ zweckma~ig eingesetzt
werden konnen.
Für den Traditional-Sektor ist dies unerlaB-
lich.
1)
lm nachsten Absatz 1.3.2.3. wird die Bestimmung von AKIT
dargestellt.

-
145 -
1.3.2.3. Die Kapitalintensitât und ihre Anpassung an den
Entwicklungsstand
In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wird die Kapi-
talintensi tât aIs "die durchschni ttliche Ausstattung ein'es
Arbeiters oder Beschâftigten mit dauerhaften Produktions-

'1
Il
d
1)
. t
l'
. t"
Ka:e.i taleinsatz
m~tte~n
verstan en
. Kapl a lntensl at = A b ' t
.
t ·
r el-selnsa z
Sie ist ein MaB für den Mechanisierungsgrad der Produktion.
Es wird erwartet, daB sie auf Grund der Faktorproportionen
in Industrielândern hoch und in Entwicklungslândern nied-
2
rig ausfâllt ). Wie wir sehen werden,
trifft dies für den
Traditional-Sektor der Entwicklungslânder nur teilweise
zu:
für den modernen Sektor erfüllt sich diese Erwartung
nicht. Die Kapitalintensitât ist in den modernen Betrieben
Westafrikas etwa genauso hoch wie in den Industriestaaten.
lm Modell treten zwei Arten der Kapitalintensitât au:E: die
volkswirtschaftlich definierte Kapitalintensitat, die wir
mit dem Attribut "normal" versehen
(NKIT)
und die angepaBte
Kapitalintensitât - AKIT -, die mehr einschlieBt aIs aus
der volkswirtschaftlichen Definition hervorgeht. Wie aus
der nachstehenden Teilstruktur des Modells
(Loop 5)
zu er-
sehen ist, machen wir NKIT von der Zeit abhangig. Diese
elementare Tabellenkonstruktion wird damit begründet, daB
die Entwicklungslânder in den nachsten 40 Jahren ihre Tech-
nologien aus den Industrienationen importieren werden. Da-
bei las sen wir unberücksichtigt, ob internationale Gesell-
schaften die Technologien in die Entwicklungslânder einfüh-
ren oder ob der Technologietransfer direkt über nationale
Unternehmen bzw. staatliche Stellen erfolgt. Die Gleichung
der Tabelle lautet:
1) Siehe dazu: Stobbe, A., Volkswirtschaftliches Rechnungs-
wesen,
3. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York 1972, S.
283. Die Hervorhebung steht nicht im Original.
2)
Stobbe, A., ebendort.

-
146 -
G35.
A
NKIT -~
.'ABEL ('l'NKIT ,TIME. K, 1970,2010,10)
<
T
TNKIT=5E3/7.5E3/10E3/12.8E3/15E3
Loop 5: Die Anpassung der Kapitalintensitat
Durchschnittl.
Bevalkerungs- ---
zuwachs(A)
"'"
1
,
NK:I;T
(A)
AFKI
(A)
OEDS
(A)
ANIT
(A)
Normale Ka-
Anpassungs-
. Organisier-
Anteil d .
pitalinten-
faktor der Ka-
ter EinfluB
Neuinve-
sitat i. TS
pitalinten-
des ~ates
/ s t i t i o n e n
1
sitat~ _
1
/
,1
-- /
/
/
../
AKIT
(A)
____ NIT
(A) ~
~
AngepaBte Ka-
Neuinvesti- ~
pitalintensi-
/
tionen i. )
tat i. TS
TS
/
\\
/
1
\\
PNET (A)
/
GNI
(A)
/
Potentielle
Gesamte
~ Neueinstel- ........-' ----
Neuinve-
lungen i. TS
stitionen
Wir nehmen eine lineare Evolution der Kapitalintensitat an,
die von DM 5 000,-- bis zum Jahre 2010 auf das Dreifache
ansteigen wird.
Die Tabellenwerte sind nur aIle 10 Jahre
angegeben; die Zwischenwerte werden im Rechenverlauf ermit-
telt. Der Anfangswert 5 000 ist eine CraBe, die in Anlehnung
an die durchschnittliche Kapitalintensitat (DKIT: G.27)
festgelegt wird. DKIT muS kleiner sein aIs NKIT.
AuBer in der Elfenbeinküste ist die Kapitalintensitat im
Traditional-Sektor verglichen mit den arbeitsintensiven
Sektoren der Industrielander etwa um 50 % niedriger. Die-

-
147 -
ser günstige Durchschnitt hangt damit zUsarnrnen, daB die
"technische Ausrüstung" im Traditional-Sektor auBerst ein-
fach ist: Nach unseren empirischen Ermittlungen in Dahomey
(Benin), Niger und Togo besteht die Ausrlistung für einen
Bauern aus maximal zwei Hacken, einem Busch- und zwei Kü-
chenmessern, einem Schleifstein, einer Wanne bzw. einem
Korb, einem Sieb mit einem Durchmesser von etwa 60 cm und
einem "Ofen" aus Keramik für die Produktion von Maniokmehl
(Gali) 1).
Sind Messer und Wanne keine Import-, sondern einheimische
Artikel, kostet die gesamte technische Anlage etwa 1 500
Francs CFA,
ansonsten muB mit dem doppelten Betrag gerech-
net werden; die gesamten Ausgaben bewegen sich zwischen 15
und 30 Deutsche Mark. Auch die Reparaturwerkstatten für Mo-
peds und Fahrrader, die in den westafrikanischen Hauptsta.d-
ten an verschiedenen StraBenkreuzungen unterhalten werden,
erfordern nur geringe Anlageinvestitionen.
Mit Sicherheit kann also behauptet werden, daB für eine
Reihe von Betrieben, vor allem für die landwirtschaftlichen
Produktionsstatten, die volkswirtschaftlich definierte Ka-
pitalintensitat h6chstens DM 50,-- betragt. Ihre Erh6hung
auf beispielsweise DM 5 000,-- in Togo (G35.)
erklart sich
erstens durch die Erweiterung des Begriffsinhaltes und zwei-
tens durch die Art der Technisierung im Traditional-Sektor.
Die Kapitalintensitat bedeutet hier die Kapitalausstattung
pro Arbeitsplatz, d.h. wieviel kostet ein Arbeitsplatz das
Unternehmen, den Staat. Die L6hne müssen also berücksichtigt
werden. Setzt man die Personalausgaben mit einem H6chstbe-
trag von DM 100,-- (10 000 Fcfa)
im Monat fest,
sa dürite
die Kapitalausstattung pro Arbeitsplatz nicht mehr betragen
aIs DM 1 250,-- = 50 + 100 x 12. Der zweite Grund der hohen
1)
Ich war zwar auch in der Elfenbeinküste und in Obervolta,
habe aber diese empirischen Ermittlungen dort nicht durch-
führen konnen.

-
148 -
Kapitalintensitat besteht darin, daB die Mechanisierung
des Traditional-Sektors in zunehmendem MaBe mit Hilfe des
Technologietransfers erfolgt. Für auslandische Technologie
muB in der Dritten Welt ein hoher Preis gezahlt werden.
Für eine Schneiderei bzw. eine Schreinerei aIs Zwei-Mann-
Betrieb (ein Meister und ein Lehrling)
sind heute schon
Investitionen zwischen DM 500,-- und DM 800,-- zur Anschaf-
fung alleine der elementaren'Betriebsmittel erforderlich.
Die einfachste Autowerkstatt, wenn sie nicht nur die Repa-
ratur von Autoreifen ausführt, kostet etwa das doppelte
(DM 1 000 bis 1 500, --:) .
Die Zuwachsrate zwischen der Kapitalintensitat eines land-
wirtschaftlichen Betriebes -
DM 500,-- -
und der einer Au-
toreparaturwerkstatt von DM 1 500,-- Anlageinvestitionen
betragt 2 900 %; diese hohe Teuerungsrate rührt nicht pri-
mar, wie man annehmen konnte, vom Unterschied der Tatigkei-
ten her,
sondern ist ein Resultat des Mechanisierungsgra-
1
des ) und der importierten Technologie. Bereits vor einem
Jahrzehnt machte Schumacher darauf aufmerksam, daB der
Transfer von Technologie in Entwicklungslander eine Anpas-
2
sung erfahren müBte ). Die groBe technologische Kluft zwi-
schen Industrie- und Entwicklungslandern steht einer direk-
ten Ubertragung der Technik im Wege.
Die Forderung nach Anpassung der Technik ist weder ingeni-
eurwissenschaftlich noch gesellschafts- bzw. wirtschaftspo-
l i tisch neu: Für den Menschen hat es, entt'licklungsgeschicht-
lich gesehen, nie eine problemlose Technik gegeben. Das er-
1)
In der Bundesrepublik Deutschland betragt der Unterschied
zwischen der Kapitalintensitat in der Bekleidungsindu-
strie und der in der Erdol- und Erdgasgewinnung prozen-
tuaI über 4 500; siehe dazu: Stobbe, A., Volkswirtschaft-
liches Rechnungswesen,
a.a.O., S.
828 f.
2)
Schumach~r, E. P., Industria,lization through Il Intermediate
Technoloy",
in: Robinson, R.
(Hrsg.),
Industrialization
in Developing Countries ,',~r'bridge 1965.

-
149 -
fahren wir erneut durch die Probleme der Rohstoffverknap-
pung und der Umweltbelastung: auch die Industrielander
müssen nach "softtechnologies" suchen, die der entstande-
nen Situation angepaBt sind. Generell muB die Technik an
die Erfordernisse der geschichtlichen Situation angepaBt
sein.
Insofern impliziert die Bezeichnung angepaBte Tech-
nologie oder "appropriate technology" keine Wertung wie
die ursprüngliche Benennung Schumachers zu glauben AnlaB
'bt1)
gl
.
Hinsichtlich der "Aufgabe" muB die Technik in den Entente-
Landern drei Zwecke erfüllen: erstens die Integration der
Menschen
in den okonomischen ProzeB ermoglichen,
zweitens
2
den Markt mit Gütern ausreichend versorgen ) und drittens
die physische Arbeit erleichtern. Durch sog.
"downgrading",
das Weglassen von Einrichtungen, die in Industrielandern
der Rationalisierung zwecks Produktivitatssteigerung und
Einsparung von Arbeitskraften dienen, kann die Anpassung
der Technik an das Beschaftigungsziel in der Aufbauphase
des Entwicklungsprozesses entscheidend beeinfluBt weràen.
1) Auf einer von der ehemaligen Deutschen Stiftung fUr Ent-
wicklungslander organisierten Tagung vom 3.-6. Okt.
1971
konnte ich zum ersten Mal auf das Problem hinweisen: der
von Schumacher gepragte Begriff von "intermediate te ch··
nology" ist sozialpsychologisch unzweckmaBig.
Intermedi-
ar bedeutet soviel wie "dazwischen". Schumacher sagte:
"somewhere between the hoe and the tractor ll . Nur ist kei'·
ner gern "zwei ter ll , vor allem nicht, wenn angenommen wird,
daB mit dem ersten Platz Vorteile verbunden sind. Ent-
sprechend lehnen die Entwicklungslander die lIintermedig-
re Technologie ll aIs neokolonialist.isch ab.
IIFrontier- 1I
bzw.
"S e lf-help-technologyll scheint ihnen zu romantischi
"Einfach-Technologie ll wird mit primitive Technologie
"übersetzt". An aIl dem wird deutlich, welch ungeheure
Bedeutung der Sprache aIs Konmmnikationsmedium zukommt,
Fest steht heute,
daB der Vorschlag'der angepaBten Tech--
nologie
(appropriate technology)
sich immer mehr durch-
setzt.
2) Nach betriebswirtschaftlichen Grundsatzen geht es produk-
tionstechnisch nicht darum, die leistungsfahigsten Ma-
schinen einzusetzen,
SOD'-,
:è"j
nur j ene, die den Marktel"'·
fordernissen genügen.

-
150 -
Bezogen auf den Stand der Industrieltinder handelt es sich
um eine im technischen Bereich retrograde Entwicklung, die
aber 6konomisch und gesellschaftspolitisch in der Dritten
Welt Fortschritt bedeutet.
lm 1''1odel1 wird das "DO\\vngrading-
Konzept" durch ein Selektionsverfahren ersetzt und dement-
sprechend eine Tabelle konstruiert: AFKI, der Anpassungs-
faktor der Kapitalintensittit (vgl. dazu die Gleichung G37.).
Dieser Faktor hangt von OEDS; dem organisierten EinfluB
des Staates auf Arbeitsbeschaffungsprogramme ab. OEDS
schlieBt auch das "Upgrading-Verfahren", d.h. die schritt-
weise Verbesserung einheimischer Produktionstechniken ein;
dadurch solI eine Symbiose von 1''1odern- und Traditional-
1
technologien in den Entwicklungslandern erm6g1icht werden ).
Dem Staat fallt im Modell die Rolle zu,
jene Bedingungen
zu schaffen, unter denen die Reduzierung der Kapitalinten-
sitat zweckmaBig erscheint.
GemaB der Modellkonzeption übernimmt der Staat aIs erste
Aufgabe die Informationsvermittlung.
Zwischen den westaf-
rikanischen Landern und den Zentren der technologischen
Anpassung, so wird angenommen, bestehen Kommunikationsver-
2
bindungen ). Ferner wird davon ausgegangen, daB die ar-
beitsintensiven Entwicklungstechniken Chinas, die ja noch
im Einsatz sind und sich bewahrt haben, von den Entente-
3
Staaten übernommen werden ). Die Einfuhr von Technologie
1) Siehe dazu auch: Gosalia, A., Gosalia, S., AngepaBte
1 Technologie.
Eine Konzeption zur Indus~rialisierung der
Entwicklungslander? In: Technologietransfer oder Techno-
logie der Entwicklungslander, ein Seminarbericht der Kü-
belstiftung, Bensheim-Auerbach 1974, besonders S.
24 f.
2) Vor allem die OECD in Paris, die UNIDO in Wien und die
ITDG, die Intermediate Technology Development Group von
Schumacher in London, bemühen sich um die Errichtung
einer Datenbank über angepaBte Technologien.
3) Siehe dazu: Ardant, G., A plan for full employment in
the Developing Countries,
in:
International Labour Re-
view, vol.
88,
1963, S.
15 ff., vor allem S.
46 f.,
siehe dort auch die FuBnote 2.

-
151 -
wird auf diese Weise selektiert und dem Entwicklungsstand
entsprechend "rationalisiert", d.h.
angepaBt.
Nach allen mir bekannten Informationen ist dieses Selekti-
ons- und Anpassungsverfahren die Grundlage der Mechanisie-'
rungspolitik in China. 3eit Jahrzehnten ist dort erkannt
worden, daB das Problem der Mechanisierung nicht in der
Freisetzung von Arbeitskraften für die Industrie bestehti
es sollten vielmehr Wege gefunden werden, um die Arbeits-
krafte auf dem Lande zu halten und vor allem zu beschafti-
gen.
1954 schrieb Teng Tzu-Hui:
"The most important fact
is that our standard of industrialization i5 too IOWi we
can neither manufacture tractors in large quantities our-
selves nor produce a sufficient quantity of petrol ... We
in tend to try semi-mechanization first,,1).
Neben dieser Informationsfunktion fallt dem Staat eine Be-
lohnungsfunktion zu. Für den Unternehmer stellt der Lohn
Kosten dar. Die Lohnpolitik des Staates im Modell zielt
deshalb darauf ab, den Kapitalinvestitionen Arbeitsinve-
stitionen vorzuziehen. Die Lohnpolitik wird zu einem Teil
der Beschaftigungspolitiki
im Hinblick auf die Ernahrungs-
situation wird gleichzeitig auf den produktivitatssteigern-
den Aspekt des Lohnes genau geachtet. D~~ betriebswirt-
schaftlichen Verbundprinzip des Kosten-Ertragsdenkens wird
somit Rechnung getragen. Durch die Informations- und Moti-
vationsfunktion übt der Staat EinfluB auf die Bevolkerung
aus. Diesem EinfluB müssen wir einen Wert"zuordnen, um da-
mit rechnen zu konneni dies geschieht in zwei Phasen. Die
1) Teng Tzu-Hui, Report on the Rural Work Conference of the
Central Committee New Democratie Youth Leage, Juli 1954,
in: Chao Kuo-Chün, Agrarian Policie~ of Mainland China,
A Documentary Study
(1949-1956), Cambridge, Mass.
1957,
S.
71
f.
Siehe auch:
Perkins, D.H., Centralization and Decentralization in
Mainland ChinaIs Agriculture,
in: Quarterly Journal of
Economies, Vol. LXXVIII,
1964, S.
208 ff.,
hier beson-
ders S.
221
f.
Siehe auc' .
Dscheng Schi, Kurzer AbriU der Wirtschaft Chinas, Peking
1974, S.
22 ff.

-
152 -
e~ste Stufe ist die Quantifizierung von OEDS:
G36.
A
OEDS.K=B.K/DBZ
C
DBZ=2E6
(Togo)
DBZ, die durehsehnittliehe Bevolkerungszahl, wird mit der
Bevolkerungszahl zu Beginn der Simulation gleiehgesetzt.
Wie G36.
impliziert, waehst OEDS, der organisierte EinfluB
des Staates, mit der Zuna~~e der Bevolkerung (B.K):
je
mehr Mensehen der Staat mobilisieren kann, desto groBer
ist sein EinfluB.
GemaB den Erfahrungen, die in den Maghreb-Staaten Tunesien,
Algerien und Marokko im Rahmen sog. Arbeitsbesehaffungspro-
gramme gemaeht worden sind, ist der EinfluB des Staates,
die Mensehen auf freiwilliger Basis für diese Programme zu
1
gewinnen, gering ). Der Traditional-Sektor " we hrt" sieh ge-
gen zentralistisehe Organisations- und Innovationsforrnen.
Hier zeigt sieh bereits, daB die anstehenden Probleme des
organisierten Arbeitseinsatzes nieht dureh "Kollektivie-
rung" adaquat gelost werden konnen.
Es ist eine Ironie, daB diejenigen, die gewohnlieh zur "Mas-
se der Bevolkerung" gezahlt werden, besondere Individuali-
sten sind: die Bauern. Es müssen also Organisationsformen
gefunden werden, in denen die Betroffenen nieht entmündigt
und zum Absentismus veranlaBt werden, sondern motiviert
dureh Eigenverantwortung und -initiative aktiv zu der Ver-
anderung ihrer Situation beitragen. Wie sieh bereits in
Westafrika abzeiehnet, wird der zentralistisehe EinfluB des
2
Staates zunehmen ). Entspreehend der Gleiehung G36. hat
1)
Siehe dazu: ArIès, J.P., Manpower mobilisation and eeo-
nomie growth: an assessment of Morroeean and Tunesian
experienee,
in: International Labour Review, Vol.
94,
1966, S.
1 ff.
2) Von den fünf Entente-Landern haben vier eine Militarre-
gierung.

-
153 -
OEDS 1970 den Skalenwert 1;
im Jahre 2010 betragt er 2,4.
Diese Konstruktion ist nur eine Vorstufe zur Bestimmung
des von uns genannten Anpassungsfaktors der Kapitalinten-
sitat: AFKI.
Diese Variable gibt an, welcher Anteil der
Nor~malkapitalintensitat (NKIT)
dank der Rahmenbedingungen
des Staates, aIs effektive, d.h.
einsetzbarc Kapitalinten-
sitatim Traditional-Sektor
(AKIT)
gilt. Die folgenden Glei-
chungen spiegeln die angenommenen Beziehungen wider:
G37.
A
AFKI.K=TABHL(TAFKI,OEDS.K,1,2.4,.175)
T
TAFKI=1/1/1/.98/.95/.92/.87/.82/.75
Fig. 1,3: AFKI: Anpassungsfaktor der Kapitalintensitat
AFKI
_
1-r-~---
.9
.8
.7
OEDS
.175
.35
.525
.7
.875 1.05 1.25 1.4
Da der Technologietransfer ohne den gebotenen Siebungspro-
zeE erfolgt, wird angenol1ù.lIen, daB die Anpassung der rnodernen
Industrietechnik an die Entwicklungslander zu Beginn des
Modells -
1970 -
zu 100 % neutral auf die Beschaftigungs-
politik wirkte: TAFKI=1
(vgl. Fig. 1,3) 1). Mit zunehrnendern
1) Dies bedeutet keineswegs,
daB der Irnport rnoderner Techno-
logien gar keinen Einflc
f
die Arbeitslosigkeit hat.
Wir behaupten lediglich, daB der direkte Technologietrans-
fer das Problern der Massenarbeitslosigkeit nicht lest.

-
154 -
EinfluB der Anpassungspolitil~ des Staates nimmt TAFKI ab
und betragt im Jahre 2010 75 %, die Kapitalintensitat re-
duziert sich also um 25 %. Der bisher bekannte Verlauf der
Kapitalintensivierung in den Industrielandern steht im um-
gekehrten Verhaltnis zu dem, was wir annehmen. Die Tabel-
lenkonstruktion baut jedoch auf der au ch von anderen Auto-
ren vertretenen Auffassung auf, daB die Kapitalintensitat
nicht weiter zu-,
sondern abnehmen müBte. Die seit langem
andauernde Diskussion um die angepaBte Technologie hangt
damit zusammen.
Wie die Gleichungen G36. und G37.
zeigen, kommt OEDS und
AFKI im Modell eine entscheidende strategische Bedeutung
hinsichtlich der Beschaftigungspolitik zu. Ein wichtiges
Szenario der Modellgestaltung \\vird deshalb darin bestehen,
die Grenzen der Anpassungsfahigkeit der Kapitalintensitat
zu testen. Da die Entwicklung der Technik, der Normalkapi-
talintensitat,
für die westafrikanischen Lander noch unbe-
einfluBbar bleibt, sind OEDS und AFKI die einzigen Aktions-
parameter, die die Entente-Lander direkt beeinflussen kan-
nen. Die Lohnpolitik, auf die die Staaten der Dritten Welt
1
EinfluB haben }, ist ein zweckmaBiges Instrument, die Ka-
pitalausstattung pro Arbeitsplatz dem Entwicklungsstand
entsprechend in adaquaten Grenzen zu halten. Wenn es den
Unternehmern auBerdem bekannt ist, welche Vorteile für sie
mit der angepaBten Technologie verbunden sind und woher sie
sie beziehen kannen, werden sie diese Technologie einset-
2
zen }. AKIT, die angepaBte Kapitalintensitat im Traditio-
nal-Sektor, ergibt sich.aus:
1}
In diesen Landern gibt es noch keine Tarifautonomie,
wie es in einigen Staaten des Westens der Fall ist.
2} Siehe dazu auch: Heggemann, B., Die Verlagerung von ge-
brauchten Maschinen der Textil- und Bekleidungsindu-
strie in Entwicklungslander, Inaugural-Dissertation der
Universitat Mannheim,
1976, u.a. S.
130 ff.

-
155 -
G38.
A
AKIT.':- iZIT.K*AFKI.K
NKIT = Normalkapitalintensitat im TS
Sind die neuen Investitionen im Traditional-Sektor - NIT -
bekannt, so ergeben sich die potentiellen Neueinstellungen
in diesem Sektor - PNET -, aIs Quotient aus NIT und AKIT:
G39.
A
PNET.K=NIT.K/AKIT.K
NIT.K=G32.
Je kleiner die angepaBte Kapitalintensitat ist, desto mehr
Personen kannen bei Konstanz der NIT und ohne Berücksichti-
gung der Ersatzinvestitionen eingestellt werdeni der Vor-
1
gang ist für die Beschaftigungspolitik entscheidend ). Die
Erhahung der Investitionen im Traditional-Sektor setzt, wie
wir bereits gesehen haben, die Anhebung des Beschaftigungs-
grades voraus: Die Mehrbeschaftigung hangt aber von der Ra-
he der Kapitalintensitat ab, die sich auf die "Kosten" ei-
nes Primitivwerkzeuges und des einfachsten Lebensunterhalts
reduzieren kanni die Subsistenzwirtschaft ist dafür ein her-
vorstechendes Beispiel.
Nicht die Modellkonstruktion führt jedoch dazu, daB wir
nicht an dem Umstand vorbeikommen, daB die Beschaftigung
der Menschen in der Dritten Welt den Schlüssel zur Entwick-
lung darstellt. Es ist anzunehmen, daB im EntwickZungspro-
zel3 Menscheninvestitionen -
"investissements humains" -
Sach- und Finanzinvestitionen vorgeZagert sind; dies kann-
te man das "Entwicklungsinvestitionsgesetz" nennen: Diese
Hypothese wird erhartet durch die Tatsache, daB Sach- und
Finanzmittel das Ergebnis unserer Beschaftigung sind. Kau-
fer von Gütern und Dienstleistungen kannen nur diejenigen
sein, die selbst direkt oder indirekt am ProduktionsprozeB
beteiligt sind. Der Absatz im Ausland, auf den die meisten
1)
Siehe dazu: Ardant, G., A plan of full employment in the
Devoloping Countries, a.a.O., vor allem S.
25 ff.

-
156 -
Entwicklungslander ihre Hoffnungen setzen,
ist nur denkbar,
wenn die Teilnehmer dieser Markte bzw.
ihnen,geharende Pro-
duktionsfaktoren beschaftigt sind. Beschaftigung ist des-
halb das Fundarnent der Entwicklungspolitik.
In einem im Aufbau befindlichen Land kannen Menschen fUr
Produktionszwecke eingesetzt werden, wenn ihnen mindestens
Nahrung, Bekleidung und Behausung gesichert sind. Auf die-
sem Niveau kommt es nicht auf die Finanzinvestitionen, die
ohnehin nicht verfUgbar sind, sondern auf die Organisation
des Arbeitseinsatzes an. Kapitalinvestitionen aIs Instru-
ment der Konjunkturbelebung und damit der Beschaftigung
sind nur in Industriegesellschaften zweckmal3ig, weil es
darum geht, die stagnierende bzw.
rUcklaufige Gesamtnach-
frage durch einen maglichst einmaligen StoB von auBen wie-
der in Bewegung zu setzen.
In Entwicklungslandern mUssen
zunachst die Menschen selbst investiert werden, ehe Geld-
mittel verfUgbar gemacht und eingesetzt werden kannen. Die
Ausdrucksweise:
"Henscheninvestitionen",
"den Menschen in-
vestieren", hat bereits in Diskussionen zu MiBdeutungen
und MiBverstandnissen gefUhrt.
Ich betrachte die Menschen
nicht aIs Objekte: sie sollen auch nicht "investiert", ein-
gesetzt werden wie man Sachmittel gebraucht. Mit der Wort-
wahl ist die Absicht verbunden, darauf aufmerksam zu machen,
daB wir Menschen uns immer zuerst verausgaben,
ehe wir uns
die Welt zu eigen machen. DaB im EntwicklungsprozeB Human-
investitionen den Sach- und Finanzinvesti~ionen vorgelagert
sind, scheint uns genauso unumganglich zu sein wie das Span-
nen des Zugtieres vor den Pflug.
Je anspruchsvoller die 1-1enschen eines Landes werden, desto
schwieriger dUrfte es sein,
ihre natUrliche Arbeitskraftin
einem organisierten ArbeitsprozeB nutzbar zu machen. Demzu-
folge haben die westafrikanischen Staaten nicht viel Zeit,
mit dem organisierten Einsatz des Humankapitals im mehr phy-
sichen aIs im geistigen Sin:
c.~s Wortes zu beginnen. Je

-
157 -
spater sie damit anfangen, desto haher werden die Kosten
pro Arbeitsplatz liegen, da sieh die Mensehen bereits an
einen gewissen Lebensstandard tatsaehlieh bzw. dureh die
modernen Kommunikationskanale - Massenmedien und Touris-
mus -
gewahnt haben.
Die Stagnation,
in der sieh die meisten Entwieklungslander
befinden, ist aller Wahrseheinliehkeit naeh auf die Nieht-
beaehtung dieses quasi Naturgesetzes des Entwicklungspro-
zesses zurUekzufUhren. Wie bereits angesproehen wurde und
nun
ausführlieh dargestellt werden solI, ist der Absorp-
tionsgrad des Modern-Sektors aIs umgehungsmagliehkeit des
Entwieklungsinvestitionsgesetzes zu gering. Wir behaupten
nieht, daB im Traditional-Sektor der Entwieklungslander
nieht gearbeitet wird: wir glauben jedoeh, bestarkt dureh
unsere Beobaehtungen, daB die Arbeit unorganisiert verrieh-
tet wird und dadureh zu mindestens 50 % ineffizient ist.
Diese Meinung wird von anderen Autoren geteilt:
"In Afriea
qualified observers have estimated, that suitable training
would double or triple the produetivity of unskilled wor-
kers ... Similar observations have been made by René Dumont,
the agronomist, who eonsidered that the afriean peasant's
effieeney would be quadrupled if the all-purpose cutting
instrument were replaeed by an axe and a saw,,1).
Derartige Veranderungen kannen nur von Bedeutung sein, wenn
sie auf den gesamten Traditional-Sektor a~sgedehnt werden.
Dazu muB den Staaten Westafrikas vorher bekannt sein, wie
viele Bauernhofe vorhanden sirld: das gleiehe gilt fUr das
gesamte Handwerks- und Verkehrswesen, für die Kleinhandler,
für aIle jene Gruppen des Traditional-Sektors, über die der
Staat keine wirtsehaftspolitiseh relevanten Informationen
tr-Siehe dazu: Ardant, G., A plan of full employment in the
Developing Countries, a.a.O'., S.
30: siehe aueh die FuB-
note 1: die Hervorhebung steht nieht im Original.

-
158 -
1
hat ). AIs Betriebs5konome stellen wir uns den Staat aIs
einen Unternehmer vor, der über seine Produktionskapazitat,
Absatzm5g1ichkeiten und -kanale Bescheid wissen müf3te, um
den Produktions- und DistributionsprozeB adaquat steuern
zu k5nnen.
Es bedarf keiner bürokratisch-zentralistisch organisierten
Institutionen, um die Arbeit im Traditional-Sektor zu reor-
ganisieren und effektiver zu gestalten. Die bestehenden
Dorfgemeinschaften, die dank ihrer Strukturen das überleben
ihrer Mitglieder durch die Jahrtausende hindurch ermoglicht
haben, k5nnen in einem modernen Rahmen die neuen Aufgaben
zweckmaBig erfüllen. Wir glauben nicht, daB die Kollektivie-
rung des Uj amaa Typs die geeignete Form dieser neuen Ordnung
2
ware ). Man müBte aktiv, d.h.
auf die Menschen zugehend,
der Bev51kerung des TS zeigen, wie sie organisiert mehr
leisten kanni dabei darf aIs methodische Forderung die in-
dividuelle Eigeninitiative nicht gehemmt werden.
Zu diesem
Zweck muB man aber bei der landlichen Bev51kerung das be-
reits zum Teil zerst5rte Selbstwertgefühl, wie Lepsius für
Süditalien festgestellt hat, reaktivieren.
1)
In Togo beherrscht eine Gruppe von Frauen, die sog. Nana-
Benz, den gesamten Handel in den Supennarkteni der Staat
verfügtüber keinerlei Informati.onen über diesen im Lan-
de bedeutenden Wirtschaftssektor.
.
In Dahomey (Benin) war die Militarregierung 1973 der Auf-
fassung, daB man keine Statistiken braucht, um den Wirt-
schaftsprozeB zu steuern.
Seit dem Sturz Dioris arbeitet die Administration ohne
eine neue zusammenhangende Konzeption der Wirtschafts-
entwicklung.
Diese Informationen wurden mir von den statistischen Am-
tern der entsprechenden Lander mitgeteilt.
2) Nicht die Idee desUjamaas, der organisierten Dorfgemein-
schaft wird hier in Frage ~estellt, sondern die kollek-
tivistische Form ihrer ]:-1] isation.
ZumUjamaa-Dorf siehe:
Uma LeIe, Entwicklung L:,
;.~cher S1edlungen, in: Finanzie-
rung und Entwicklung, Nr.
1, 1976, S. 8 ff.

-
159 -
1.4. Der Modern-Sektor
Der 6konomische Sektor, dem die Entwicklungsl~nder West-
afrikas eine besondere Aufmerksamkeit schenken, ist ohne
Zweifel der moderne Sektor. Er wirkt und wird angesehen
aIs sichtbares Zeichen, aIs Symbol der Modernit~t, der
Entwicklung. Hier wird am meisten investiert - mehr aIs
80 % der Nettoinvestitionen ~. Die Wachstumsrate liegt im
Durchschnitt in allen L~ndern der Entente h6her aIs 10 %1);
im Traditional-Sektor geht sie nur in Ausnahmef~llen über
'
2)
4 % h lnaus·
.
Der Modern-Sektor ist, wie bereits angedeutet wurde, mehr
3'
mit dem Ausland aIs mit dem Inland verbunden '; er h~ngt
leistungspersonell, technologisch und kapitalm~Big vom Aus-
land ab. Seine meta6konomische Wertordnung deckt sich mit
der der Industriegesellschaften: der Modern-Sektor ist eine
Mikroindustriegesellschaft inmitten eines Entwicklungslan-
des. Erist, wie es pr~gnant in der Literatur heiBt, eine
Fortschrittsinsel, die in der gegenw~rtigen Fonn ohne an-
steckende Wirkung auf die L~nder Westafrikas bleibt. Hier-
für sind zwei Gründe entscheidend: die AuBenbezogenheit des
Modern-Sektors und die Enge des ihm offenstehenden In- und
Auslandsmarktes.
Die zentrale Stelle der Kapi talakkumulation im Ent.wicklungs-
prozeB stellen die Unternehmer dar. Wegen des niedrigen Ein-
kommensniveaus sparen die privaten Haushalte kaum. Die Spar-
quote der Einkommensbezieher liegt zwischen 3 und 5 %4).
Die Ausgaben für Nahrungsmittel betragenallein 56 bis 74 %
1) Siehe dazu: République de Haute-Volta, Plan Quinquénnal
Economique et Social, a.a.O., S.
172.
2)
Republique de Côte d'Ivoire, Plan Quinquénnal de Dévelop-
pement Economique, Social et Culturel, a.a.O., S.
60 f.
3) VgI. dazu die Fig. II,1.
4) cissé, D., Problèmes de la formation de l'épargne inter-
ne en Afrique Occidentale, Paris 1969, S.
72.

-
160 -
1
des Gesarnteinkommens ).
In Abidjan, der reichsten Stadt
der Entente, macht die Einkommensgruppe, die deutlich mehr
sparen konnte -
die sog.
"cadres supérieurs" -,
nur 0,54 %
2
der gesamten Einkommensbezieher der Elfenbeinküste aus ).
Die Ersparnisbildung des Staates ist ebenfalls gering,
50-
fern er nicht über bedeutende extraktive bzw.
Rohstoffin-
dustrien verfügt oder ais Unterner~er auftritt.
In dem am weitesten entwickelten Land der Entente, der El-
fenbeinküste,
verfügt das Ausland über mehr ais 80 % des
Grundkapitals im Modern-Sektor.
In den übrigen Staaten
3
liegt der Anteil noch hoher ). Es steht auBer Zweifel,
daB die Entstehung der Mikroindustriegesellschaft in der
gegenwartigen Form im westafrikanischen Raum primar dem
massiven Transfer von Menschen, Technologie und Kapital
aus dem Ausland zu verdanken ist.
Die Kapitalbildung er-
folgt aber au ch in diesen Unternehmeni das l'lat folgende
gravierenden Xonsequenzen: Solange die offentlichen und pri-
vaten Haushalte nicht in die Lage versetzt werden,
sich
am KapitalbildungsprozeE zu beteiligen,
fehlen dem Modern-
Sektor die Fundarnente einer autonomen Entwicklungi die Ka-
pitalakkumulation erfolgt zwar im Inland, kann aber jeder-
zeit ins Ausland transferiert werden.
Darnit aber private
Haushalte nennenswert sparen konnen, muE das Einko~~ensni­
veau wesentlich über den gegenwartigen Stand hinaus anstei-
gen, was aber der Niedriglohnpolitik ais f\\1ittel der Beschafti-
gungspoli tik und der Ersparnisbildung widerspricht. Der Hodern-
Sektor ist auf Grund des nach auBen orientierten Produktionspro-
zesses ein Gewebe von Problemen und Widersprüchen, die wir
nun naher darstellen und quantitativ erfassen wollen.
1) cissé, D., Probl~mes de la formation de l'épargne inter-
ne en Afrique Occicentale, a.a.O., S.
69.
2)
Ebendort, S.
110.
3)
Dies geht aus allen offiziellen Unterlagen hervor, die
wir ausgewertet habeni
siehe dazu auch:
Gottlich, G.,
Der Raum Ar~~~an ais Industriestandort,
Frankfurt 1973, S.
100.

-
161 -
1.4.1. Produktivit~t, Besch~ftigung und die Entstehung des
Bruttosozialproduktes
Die Produktivitat ergibt sich immer aus einer Input-Output-
Relation. Sie ist entweder infinitesinal -
Grenzproduktivi-
tat - oder durchschnittlich. Ferner wird in der volkswirt-
schaftlichen Gesamtrechnung zwischen Arbeits- und Kapital-
produktivitat unterschieden. -Die gesamtwirtschaftlich durch-
schnittliche Arbeitsproduktivitat, die die Grundlage unse-
rer Berechnungen darstellt,
ist ein durchschnittliches Pro-
duktionsergebnis je Einheit des Arbeitseinsatzes:O/A.
Der Output (0) wird hier in Geldeinheiten - DM -, der Ar-
beitseinsatz
(A), der Input, in Personen
(Beschaftigte)
ge-
messen. Die durchschnittliche Kapitalproduktivitat wird
1
analog kalkuliert: 0/K ). Bezeichnen wir die Relation K/A
aIs Kapitalintensitat, so ergibt die Multiplikation dieser
GraBe mit der Kapitalproduktivitat die Arbeitsproduktivitat:
O/A=K/A*O/K. Wir haben versucht, uns bei der Festlegung und
Bestimmung der hierzu relevanten GraBen nicht von diesen Re-
lationen zu entfernen.
Wir unterscheiden zwischen der Produktivitat im Traditional-
Sektor (PROT)
und der Produktivitat im Modern-Sektor
(PROM).
Beide hangen von zwei Normalproduktivitaten: NAPT und NAPM
sowie von den dazu konstruierten Multiplikatoren: MAPT und
~~PM ab. Wirkannen schreiben:
G40.
A PROM.K=~APM.K*NAPM
NAPM, der Multiplikator der Normalproduktivitat im
Modern-Sektor, ist eine Tabelle - Fig. 1,4 -, deren
Entwicklung von BPP, der Bildung pro Person, abhan-
gig gemacht wird.
1) Siehe dazu: Schroeder, D., Wachsturn und Gesellschaftspo-
litik, Gesellschaftspolitische Grundlagen der langerfri-
stigen Sicherung des wirt~chaftlichen Wachsturns, Stutt-
gart, Berlin, KaIn, Main~ 1~71, S.
210 ff.

-
162 -
Fig. I,4: Die Entwicklung des Multiplikators der Normal-
produktivitat im MS (MAPM)
MAPM
3
2 -
1
- L - - - - - - -
BPP*
5
6
7
8
9
G41.
A
MAPM.K=TABHL(TMAPM,BPP.K,4,9,.5)
T
TMAPM=1/1/1.1/1.2/1.35/1.55/1.75/2/2.3/2.65/3
Wie aus der Tabellenkonstruktion hervorgeht, hangt die Ent-
wicklung des HAPM vorn Anstieg der Bildungsjahre ab:
je mehr
Bildungsjahre, desto groBer der Wert des Multiplikators.
Von 1970 bis zum Jahre 2010 wird sich nach unserer Vorstel-
lung der Wert von BPP mehr ais verdoppelt haben: also von
1
4 auf 9 Jahre ).
In diesem Zeitraum wird sich der Multipli-
kator der Arbeitsproduktivitat verdreifachen.
Die Verdrei-
fachung des MAPM, die wiederum eine Verdreifachung der Ar-
beitsproduktivitat im Modern-Sektor bewirken wird, erscheint
zunachst ohne Berücksichtigung der Zusammenhange zwischen
Arbeitsproduktivitat und Kapitalproduktivitat sehr hoch.
Die Zunahme der Arbeitsproduktivitat bedeutet nicht immer,
daB die Beschaftigten h6here Leistungen hervorbringen ais
bisher. Die Erhohung des Outputs pro Kopf kann z.B.
auf Ra-
1) Die Angaben beziehen sich auf die Verhaltnisse in Togo;
für die übrigen Lander stehen die entsprechenden Werte
im Anhang.
* BPP = Bildungsjahre pro- ··son

-
163 -
tionalisierungsmaBnamnen bzw.
auf den Einsatz leistungsfa-
higerer Produktionsanlagen zurlickzuflihren sein.
lm Modern-Sektor der westafrikanischen Volkswirtschaften
wird immer mehr auf eine zweckmaBigere interne Ausbildung
der Belegschaft hingearbeitet. Da sowohl die Entente-Lan-
der als auch die auslandischen Investcren die Investitio-
nen im Modern-Sektor bevorzugen, besteht kein Zweifel, daB
die Arbeitsproduktivitat in diesem Sektor bedingt durch eine
bessere Eignung der Mitarbeiter und den hoheren Kapitalein-
satz kontinuierlich und schnell anwachsen wird.
Entsprechend dieser Vorstellung bleibt MAPM zwar zu Beginn
der Simulation konstant, steigt aber bereits bei BPP.K=5
an
(vgl. Fig. 1,4). lm Traditional-Sektor dagegen bleibt
er liber eine langere Periode unverandert. Vergleicht man
Fig. 1,4 mit Fig. 1,5, so stellt sich heraus, daB die Ent-
wicklung des Multiplikators der Arbeitsproduktivitat im TS
- MAPT - viel flacher verlauft als die von MAPM. Bis zum
Jahre 2010 wird sich MAPT nur verdoppeln.
Fig. 1,5: Die Entwicklung des Multiplikators der Arbeits-
produktivitat im TS
(HAPT)
MAPT
2
1 -+0------- ---.----~
BPP*
5
6
7
8
9
* BPP = Bildungsjahre pro PC.3ûD

-
164 -
lm landwirtschaftlichen Bereich des Traditional-Sektors
zeigt die Produktivitat wie bekannt, eine sinkende Tendenz.
Zwei Ursachen sind hierfür entscheidend: die Landflucht,
wodurch der Agrarwirtschaft Ieistungsfahige Krafte entzo-
1
gen werden ) und die irrige Ansicht, daB physische Arbeit
nach einigen Jahren Volksschulbildung "unwürdig" ist. Da
Agrarakonomen nahezu einstiwmig annehmen, daB die Produk-
tivitat in der Landwirtschaft durch entsprechende Informa-
tion und Anleitung ohne nennenswerten Kapitaleinsatz minde-
stens verdoppelt werden kann, wird die HAPT-TabeIIe so kon-
struiert, daB sie sowohl die gegenwartige Stagnation aIs
2
auch den spateren maglichen Anstieg widersPiegeIt ) .
NAPM bzw. NAPT, die Normalproduktivitaten in MS und TS sind
konstante GraBen.
Zu ihrer Ermittlung \\'1ird das Bruttoinla.nds-
produkt genauso wie bei der Bestimmung des sektoralen Kapi-
talbestandes anteilmaBig auf beide Sektoren verteilt. Das
Ergebnis wird durch die in jedem Sektor beschâftigten Per-
sonen dividiert:
Bruttoinlandsprodukt im Modern-Sektor/Beschâftigte im MS =
Normalproduktivitât im MS = NAPM.
NAPT wird analog ermittelt.
1) Hier ist prlmar die LandfIucht gemeint, die in Arbeits-
Iosigkeit endet, bzw. bei Beschâftigung in den Stâdten
die Familienbande auflast. Nach in Sambia gemachten Be-
obachtungen sinkt die Arbeitsproduktivitât nicht, wenn
die ausgewanderten bzw. Saisonarbeiter ihre in den Dor-
fern zurückgebliebenen Familienangeharigen finanziell
unterstützen. Tagelohner kannen engagiert werden, um die
fehlende Arbeitskraft zu ersetzen.
Siehe dazu: Matzke, O., Priebe, H., EntwickIungspolitik
ohne IIIusionen, a.a.O., S.
40 ff.;"siehe auch die FuB-
note 23 auf S.
100.
2) Die Werte von BPP und ~ffiPT beziehen sich auf die VerhâIt-
nisse in Dahomey
(Benin).

-
165 -
Tab.
5: Die Nor~ lproduktivit!t in TS und MS
Dahomey
Elfenbeinküste
Niger
Obervolta
Togo
NAPT
988
3090,98
853,20
649,31
1607
NAPM
1050,30
3439,42
1935,81
1041,90
1621
Aus der obigen Tabelle geht hervor, daB auBer in Niger und
in Obervolta die Diskrepanz zwischen NAPT und NAPM hoch-
stens 10,2 % -
Elfenbeinküste - betr!gt; der niedrigste
Abstand begegnet uns in Togo: 0,86 %.
Dieses unerwartete
Ergebnis ist modellkonzeptionell bedingt. Die NAPT-Werte
liegen in Wirklichkeit um 50 % niedriger als aus der Tabel-
le abzulesen ist. Der Grund hierfür besteht in der Annahme,
daB im Traditional-Sektor nur zur H!lfte vollgearbeitet
wird.
In der Elfenbeinküste beispielsweise betr!gt die rea-
le Normalproduktivit!t im Traditional-Sektor etwa DM
1 545,50, mehr als in den modernen Sektoren der L!nder
Dahomey
(Benin)
und Niger und fast genauso viel wie in
Togo.
Darin kommt der starke Kapitaleinsatz der Betriebe
in der Elfenbeinküste zum Ausdruck.
Zur Ermittlung des Bruttoinlandsproduktes müssen wir die
reale Arbeitsproduktivit!t verdoppeln, da in der Tat dop-
pelt so viele Personen besch!ftigt sind als bedingt durch
die versteckte Arbeitslosigkeit angegeben wird.
Da man
auBerdem davon ausgeht, wie wir sahen, daB die Arbeitspro-
duktivit!t im Traditional-Sektor ohne nennenswerten Kapi-
taleinsatz mindestens verdoppelt werden kann,
stellen die
NAPT-Werte aus Tabelle 5 zweckm!Bige Durchschnittswerte
hinsichtlich der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes
dar.
Für das gesamte Entente-Gebiet kann man davon ausge-
hen, daB die Arbeitsproduktivit!t in den Traditional-Sek-
toren mindestens um 20 % bis knapp 50 % niedriger ist als
im Modern-Sektor. Hi.erin ist ein zus!tzlicher Grund zu se-
hen, weshalb der Modern-Sektor gegenüber dem Traditional-
Sektor eindeutig bevorzugt wird.

-
166 -
Dieses für sich genommen sinnvoll erscheinende ëkonomische
Verhalten erweist sich in der Gesarntbetrachtung als un-
zweckmaBig.
Die Rückkoppelungsschleife zwischen TS und MS
ist nur bei ausreichenden Exportmëglichkeiten bzw. bei
einem hohen Selbstverbrauchsanteil des Modern-Sektors po-
sitiv, d.h. wachsturnswirksarni
sonst schlagt diese Bezie-
hung ins Negative urn. Nun sind die internationalen Markte
für die Entente-Lander entweder wegen der qualitativ an-
spruchsvollen Nachfragestruktur nicht bzw. nur sehr be-
grenzt zuganglich oder aber aus nationalpolitischen über-
1
legungen geschlossen ). Untersuchungen des Instituts fUr
Weltwirtschaft haben bereits 1973 mittels einer Fülle sta-
tistischen Materials ergeben, daB sich, abgesehen von Togo
und der Elfenbeinküste, keine zollpraferenzbedingten Ef-
fekte durch die Assoziierung nachweisen lassen, ebenso auch
2
keine Benachteiligung von Drittlandern ). Dieser Sachver-
halt und die unbedeutende Aufnahrnefahigkeit der Inlands-
markte in den einzelnen Landern führen dazu, daB die Hebel-
wirkung, die durch die Praferenzierung des Modern-Sektors
intendiert wird, ausbleibt.
Das Bruttoinlandsprodukt dient uns aIs OutputgrëBe bei der
Bestimmung der Arbeitsproduktivitat. Daraus resultiert,
daB der groBe EinfluB der Auslander, die ja an der Entste-
hung des Bruttosozialproduktes vor allem im Modern-Sektor
1) An diesem Umstand andern auch die neuen Vertrage, die
sog. AKP-Vertrage von Lome zwischen der Europaischen
Gemeinschaft und einer Reihe von Staaten Afrikas, der
Karibik und des Pazifik nichts. Bei Bedarf greifen die
Mitgliedlander auf protektionistische MaBnahmen zurück,
urn ihre II na tionalen Interessen" zu wahren. Erinnert sei
an die Restriktionen Frankreichs gegen den Weinimport
aus Italien im August/September 1975.
2)
Dazu: Fasbender, K., Hasenpflug, H. u.a., EWG-Zollprafe-
renzen und Welthandelsstruktur. Die Auswirkungen der As-
soziierungs- und Praferenzabko~nen auf die Struktur des
Welthandels, Harnburg 1973, S.
76, siehe auch S.
251.

-
167 -
maBgeblich beteiligt sind, mit in die Berechnung eingeht.
Die Vorgehensweise ist bei unseren Gesprachen in einigen
Entente-Landern auf Kritik gestoBen. Die Verwendung des
Inlanderprodukts erschien sinnvoller. So berechtigt der
Wunsch erscheinen mag, nur die Arbeitsproduktivitat der
afrikanischen Arbeitnehrnerschaft erfassen zu wollen,
so
unzweckmaBig und problematisch erweist er sich bei der
Bestimmung des Bruttoinlandsproduktes. Man hatte minde-
stens im Modern-Sektor zwei Produktivitaten schaffen und
EPM, die Erwerbspersonen dieses Sektors, aufspalten müs-
seni auch das Faktoreinkommen an das Ausland hatte genau
berechnet werden müssen.
Da die statistischen Unterlagen,
die dazu erforderlich waren, nicht vorhanden sind, ist
die Aufgabe zur Zeit nicht zu bewaltigen.
Der direkte EinfluB der Auslander bei der Entwicklung West-
afrikas ist weder politisch noch ekonomisch wegzudenkeni
dies steht in unserem Modell auch nicht zur Diskussion.
Welche Wirkung lest aber der unrnittelbare Transfer von
Personal, Technologie und Kapital von den Industrielandern
in die Dritte Welt hinsichtlich der Entwicklung des Tradi-
tional-Sektors aus? Unter welchen Bedingungen kann dieser
Beitrag des Auslandes zur Entstehung eines organischen Ent-
wicklungsprozesses speziell in den Entente-Landern verhel-
fen? Diese Fragenkomplexe stehen im Vordergrund der Unter-
suchung.
In diesern Sinne haben wir bereits darauf hingewie-
sen, daB die Lohnpolitik unter dem Aspekt der Kapitalbil-
dung fragwürdig bleibt,
solange die Kapitàlakkurnulation
zwar im Inland erfolgt aber ais auslandisches F'aktoreinkom-
men gilt. Die Reinvestion dieses Ein~ommens, die bis 70 %
bzw.
80 % des Nettogewinns gehen kann,
hebt das Grundpro-
1
blem nicht aufi
sie verscharft es eher ).
1)
Siehe zu den genannten Zahlen: Grosche, G., Lehmann-Rich-
ter, R., Die Gewinne aus deutschen Direktinvestitionen in
Entwicklungslandern. Eine empirische Untersuchung unter
besonderer Berücksichtigung der reinvestierten Gewinne,
Düsseldorf 1970, S.
55 f.

-
168 -
Das Volkseinkommen ist definitionsgemaB mit dem Inlander-
produkt identisch, d.h.
daB je h6her das dem Ausland zu
entrichtende Faktoreinkommen ist, desto niedriger fallt
das Pro-Kopf-Einkommen im Inland aus,
entsprechend auch
die Kaufkraft und die Nachfrageentwicklung. Seit der er-
sten Welthandelskonferenz in Genf 1964 fordert die Dritte
Welt von den Industrielandern,
ihr jahrliche Finanzmittel
von mindestens 1 % des Sozialproduktes zur Verfügung zu
stellen. Da es sich nicht um unentgeltliche Transferzah-
lungen handelt, erscheint uns die Realisierung dieser For-
derung angesichts der àargestellten Zusammenhange bedenk-
lich: Die Schuldenlast der Entwicklungslander wird dadurch
nur zunehmen ohne daB die gewünschten Effekte herbe ige-
führt werden konnen.
Infrastrukturprojekte, die Diversifi-
zierung der Landwirtschaft und die Errichtung neuer Produk-
tionsstatten - Aluminium-Schmelzwerke -
finanzierte Ghana
unter Nkrumah zwischen 1960 und 1965 zu mehr aIs 30 % mit
Lieferantenkrediten. Die Schulden wurden untragbar,
aIs
der gesamte Output Ghanas nicht stieg.
1966 muBte eine
sog.
Umschuldung vorgenommen werden. Geandert hat sich die
Situation bis heute nicht: die Verschuldung stand in kei-
1
nem Verhaltnis zu den Rückzahlungsmoglichkeiten ).
AIs Investitionsanreiz wird den auslandischen Unterne~~ern
in Westafriak u.a.
eine sieben- bis zehnjahrige Steuer- und
Zollfreiheit für Investitionen, die über 1,5 Millionen hin-
2
ausgehen, garantiert ). Verschuldet sich der Staat, um sich
an derartigen Projekten zu beteiligen, erweisen sich die
Rückzahlungsverpflichtungen aIs undurchführbar, da die
Haupteinnahmequelle des Staates, die Steuern, mindestens
für die Dauer der Vergünstigung aIs versiegt gelten müssen.
1)
Zur Umschuldungsproblematik siehe: Klein, T.M., Wirt-
schaftshilfe durch Umschuldung,
in:
Finanzierung und
Entwicklung, Heft 3,
1973, S.
17 ff.,
siehe besonders
die Tab.
1 und 2 auf S.
19 bzw.
20.
2)
Dazu das Investitionsgesc'z von Togo: Code des investis-
sements du Togo, Lom~, A~ ~~ 1973, vor allem S. 6 und 7.

-
169 -
MaBgeblicher Bestimmungsfaktor der Wertschopfung im Modern-
Sektor bleibt also das Ausland, auch wenn wir dies bei der
Ermittlung des Bruttoinlandsproduktes -
B1P -
nicht in den
Vordergrund stellen.
G42.
A
B1P.K=EPM.K*PROM.K+1PT.K*PROT.K
G43.
L
EPM.K=EPM.J+DT*(REPJK-RAM.JK)
EPM sind die Erwerbspersonen im MS, REP die ZufluBrate,
RAM die AbfluBrate. Die Gleichungen zu REP und ~1 sind
unproblematisch und stehen im Anhang.
1PT
(G42.) sind die
Beschaftigten im TS; die Gleichung hierzu wird analog zu EPH be-
stimmt; PROT reprasentiert die Arbei tsproduktivi tat im TS 1) .
Wie die Gleichung G42.
zeigt, hangt hier die Hohe des Brut-
toinlandsproduktes sowohl von der Arbeitsproduktivitat aIs
auch von der Zahl der Beschaftigten in beiden Sektoren ab.
Nicht der Kapitaleinsatz steht hier im Vordergrund,
sondern
der Einsatz von Personen. Diese Konzeption macht es uns Inog-
lich, die Bedeutung der Beschaftigung für die Entwicklung
des Bruttoinlandsproduktes hervorzuheben.
Der Beschaftigung im Modern-Sektor sind nach wie vor enge
Grenzen gesetzt. Die nachstehende Tabelle 6 zeigt trotz der
kurzen Zeitspanne deutlich, ~elche Diskrepanz zwischen An-
gebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt im Modern-Sektor
herrscht.
2
Tab.
6: Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage im MS )
Jahr
Arbeits-
Arbeitsnach-
Arbeits-
Arbeitslosen-
angebot
frage
lose
quote
1967
2720
120
2600
95,60 %
1968
4875
422
4451
91 ,40 %
1969
6200
1039
5161
83,25 %.
1)
PROT wird ana log zu PROM bestimmt, vgl. dazu die Glei-
chung G40.
2)
Zusammenstellung nach dem in Togo erstellten Plan de Dé-
veloppement Economique 2
:-"cial 1 9 71-1975, a. a. O., S.
312. Es handelt sich um c~e registrierten Zahlen von An-
gebot und Nachfragei
die Spalte 3 -Arbeitsnachfrage -
sind diejenigen, die tatsachlich angestellt worden sind.

-
170 -
In allen fUnf Entente-Landern liegt die Nachfrage nach Ar-
beitskraften im Durchschnitt mindestens um 50 % niedriger
aIs das Arbeitsangebot; dies gilt auch fUr die Elfenbein-
küste, wo der Mangel an Fachkraften und Hochschulabsolven-
ten das Arbeitsproblem vorUbergehend verdeckt hat. Bereits
1975 erwartet das Planungsministerium ein Uberangebot an
Arbeitskraften, was das FUhrungspersonal und das Mittelma-
nagement anbetrifft. Ledigliéh fUr Facharbeiter wird weiter
1
mit einem "theoretischen Defizit" gerechnet ). Für die 75 %
der Belegschaft des Modern-Sektors, die sich aus ungelern-
tem und ungeschultem Personal rekrutieren, besteht keine
2
Prognose ). Gerade für diese Gruppe von Personen, die aus
den Dorfern komnlend bzw.
ohne Beruf oder VolksschulabschluB
in die Stadte stromen, besteht kal~ Aussicht auf Beschafti-
gung im Modern-Sektor. Allein der Traditional-Sektor kann
sie aufnehmen und beschaftigen.
Wenn heute noch bis zu mehr aIs 95 % - Obervolta - der ar-
beitsfahigen Bevolkerung in der Landwirtschaft tatig sind,
und diese Zahl nimmt eher zu aIs ab, dann verdient der ge-
samte Traditional-Sektor eine besondere Beachtung. Sowohl
in Westeuropa aIs auch in den sozialistischen Staaten waren
es Landwirtschaft und Handwerkswesen, die noch Jahrzehnte
nach der industriellen Revolution die Mehrheit der arbeits-
fahigen Bevolkerung beschaftigten.
"In Deutschland ist so-
gar bis 1914 eine stete Zunahme der Zahl der in der Land-
wirtschaft Arbeitenden festzustellen
(die sich bis 1950
fortsetzt und erst dann abnimmt) ,,3) •
1)
Siehe dazu: République de Côte d 1 Ivoire, Plan Quinquennal
de Développement Economique, Social et Culturel 1971-
1975, a.a.O., S.
381-386, S.
412, vor allem die Tab.
38
und 39.
2)
Siehe auch: Gottlich, G., Der Raum Abidjan aIs Industrie-
standort, a.a.O., S.
111.
3) Henning, F.-W., Die Industrialisierung in Deutschland
1800 bis 1914, a.a.O., S.
22; Hervorhebung nicht im Ori-
ginal.

-
171 -
Nach liber 50 Jahren intensivster Industrialisierungspoli-
tik mit dem ZieZ~
Arbeitskrafte fUr die Industrieproduk-
tion freizusetzen~ sind in der UdSSR immer no ch etwa 30 %
der arbeitsfahigen Personen in der Landwirtschaft beschaf-
1
tigt ).
In den anderen sozialistischen Landern liegt diese
Zahl hëher,
in Rumanien beispielsweise 50 %.
In der gesam-
ten weltwirtschaftlichen Entwicklungsgeschichte ist kein
Land bekannt,
in dem der industrielle Sektor von Anfang
an dem Hauptanteil der Erwerbspersonen Beschaftigung er-
mëglicht hatte. Warum sollte der ProzeB in Westafrika an-
ders verlaufen,
zumal wesentliche Anfangsbedingungen wie
Bildungsniveau, Kapitalbestand und MarktgrëBe in der Enten-
te unglinstiger sind aIs in vergleichbaren Situationen in
der Wirtschaftsgeschichte?
1.4.2. Marktentwicklung, Kapitalimport und Investitions-
verhalten im Modern-Sektor
Nach Malthus hat Keynes die Bedeutung der effektiven Nach-
frage flir die wirtschaftliche Entwicklung hervorgehoben.
Nur durch Beschaftigung schaffen wir Einkommen, die wesent-
liche Determinante der Nachfrage. Aufgrund dieser Erkennt-
nisse, auf die bereits an anderer Ste Ile hingewiesen wurde,
kann nicht unabhangig von der Einkommens- und Nachfrageent-
wicklung investiert werden, oh ne daB es zu Absatzschwierig-
keiten kommt.
Um diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen, wird im Modell
der Anteil des Bruttosozialproduktes flir Investitionszwek-
2
ke ) - ABIP1 -
von ~ffiM, dem Multiplikator der Aufnahmefa-
higkeit des Marktes abhangig gemacht (siehe dazu Fig. II,12).
1)
Schweizer, H., Sozialistische Agrartheorie und -Praxis,
Bern und Frankfurt a.M.
1972, S.
171.
2) Normalerweise wird dieser 1nvestltionsanteil in bezug auf
das Brutto- bzw. Nettosozialprodukt gebildet. Wir verwen-
den hier das Bruttoinlandsprodukt wegen des hohen Reinve-
stitionsanteils der ausl~ndischen Unternehmen. Die 1nve-
stitionsquote bezieht sic
',.;mentsprechend auf das Brutto-
inlandsprodukt.

-
172 -
Fig. II,11: Marktentwicklung und Investitionsverhalten
IDSV
.~
_ - Durchschni t tliche
~ ~ Durchscfinittliche
internationale
~
Arbeitslosenquote
Staatsverschuldung
,
---_.~':>-..../'
~'
_ D P NIA
:e~eVA~~_
/ '
Durchschnittl.
lands ver-
prtvate Neuin-
\\
schuldung
vestitionen aus
\\~s 5taates
dec Ausland
' - -
1
BZPO
8.Wô1l<erung
zum Ze 1tpunl< t
Nul1 "-
.,-
............. ~
---~
-- -
IG,
der Integrationsgrad der Bevëlkerung in den Entwick-
lungsprozeB und KOM,
der Kooperationsmultiplikator, be-
stinunen MAM.
G44.
A
ABIPI.K=DABIPI*}ffiM.K
=DABIPI*(IG.K+KOM.K),
denn
G45.
A
~~.K=IG.K+KOM.K
DABIPI = Durchschnittlicher Anteil des BIP fUr
1
Investitionszwecke ) .
DABIPI ist eine Konstante, von daher setzt eine zweckmaBige
Erhëhung des Investitionsanteils am Bruttoinlandsprodukt
die Zunahme bzw. Umstrukturierung von ~illM voraus. GemaB der
1)
1970 lag DABIPI in den Entente-Landern zwischen 10 % und
20 %. Die Staaten der Sahelzone wiesen die niedrigsten
Anteile auf:
10 % für Niger und Obervolta.

-
173 -
Konstruktion ist dies nur über eine Intensivierung der Be-
schaftigung bzw. der Zusammenarbeit der Entente-Lander mog-
lich: die Aufnahmefahigkeit des Marktes muB in jedem Fall
zunehmen. KOM, der Kooperationsmultiplikator, ist gedacht
als Investitionsanreiz der Entente. Für diese Annahme spre-
chen Erfahrungen, die in der EG gemacht worden sind: die
auslandischen
(amerikanischen)
Investitionen in der Europa-
ischen Gemeinschaft nehmen seit dem Inkrafttreten der Romi-
schen Vertrage am 1.1.1958 starker zu als in früheren Jah-
ren. Auch in Westafrika veranlaBt die Zusammenarbeit zu
groBeren 1nvestitionen.
KOM, der Kooperationsrnultiplikator,ist eine Tabellenfunk-
tion, deren Variabilitat zeitabhangig ist:
G46.
A
KOM.K=TABHL(TKOM,TIME.K,1970,2010,5)
T
TKOM=.5/.52/.55/.58/.6/.62/.65/.68/.7
Wie die Tabellenwerte zeigen, wird angenomnen, daB der Ko-
operationsanreiz, in der Entente rnehr zu investieren, zu-
nachst konstant bleibt bzw.
sich nicht nennenswert andern
wird. Bis 2010 erreicht TKOM den Wert .7, also nur eine
leichte Veranderung gegenüber dem Anfangswe~t, wie aus
Fig. 1,6 hervorgeht.
Fig. 1,6: Der Kooperationsmultiplikator
(KOM)
.7 _
.6
.5
Zeit
1980
1990
2000
2010

-
174 -
Dieser Verlauf laBt sich damit begründen, daB der Nationa-
lismus und das pers6nliche Machtstreben - Haupthindernisse
der Integration in Westafrika -
erst mit wachsenden wirt-
schaftlichen und damit auch politischen Schwierigkeiten
langsam an EinfluB verlieren. AuBerdem schaffen die beste-
henden losen Beziehungen erh6hte Kornrnunikationsm6glichkei-
ten zwischen den Mitgliedslandern. Nach bekannten Integra-
tionstheoretikern ist die Kornrnunikation sowohl nach innen
1
aIs auch nach auBen ein entscheidender Integrationsfaktor ).
Dazu schreibt Karl Deutsch:
Il
• • •
der Vorgang der politi-
schen und organisatorischen Integration kann an dem sich
verringernden Kornrnunikationsgefalle zwischen den fus ionie-
renden Einheiten und an der Entwicklung gemeinsamer Spei-
cheranlagen, Kornrnunikationskanale und Steuerungssysteme
verfolgt werden Il2 ).
lm Augenblick sieht es so aus, aIs mehren sich die Anzei-
chen einer erhohten Kornrnunikation und darnit einer de facto
Integration trotz politischer Autonomie. Eine andere Ent-
wicklung, die sich positiv auf die Foderation auswirken
wird,
ist der ZusarnrnenschluB der europaischen Lander.
Jede
Machtkonzentration lost, wenn sie AUBenstehende nicht auf-
nehmen kann, eine Gegenmacht aus.
Ihre Existenz laBt bei
den Nichtmi tgliedern bzw.
IINichtverbündeten ll Furcht entste-
3
hen ). Da Bündnisse unter ungleichen Partnern mit der Zeit
in Protektion und Paternalismus ausarten, wenn die Identi-
tat der machtschwacheren Verbündeten nicht geachtet wird,
1) Foltz, W.J., From French West-Afrika to the Mali Federa-
tion, New Haven 1965.
Merritt, R.L., The Growth of American Cornrnunity,
1735-
1775, New Haven 1965.
Etzioni, A., Political Unification: A Comparative Study
of Leaders and Forces, New York 1965.
2)
Deutsch, K.W., Politische Kybernetik. Modelle und Per-
spektiven, Freiburg/Br.
1969, S.
285.
3)
Siehe dazu:
Deutsch, K., Nationenbildung, Nationalstaat,
Integration, Düsseldorf 1972, S.
185 ff.

-
175 -
vermogen sie die Bildung von Gegenblocken nicht adaquat
zu unterbinden.
Die politische und wirtschaftliche Ge-
schichte bietet hierfür eine Fülle von Beispielen, deshalb
brauchen wir nicht naher darauf einzugehen.
Die Integration wird in Westafrika unter diesen Bedingungen
eher zu- aIs abnehmen. Aufgrund des Nationalismus und der
personlichen Rivalitaten um die Führerschaft wird sie je-
doch mehr Zeit erfordern aIs ihre Promotoren sich vorstel-
1
len ). Die Tabellenkonstruktion basiert deshalb auf dieser
Auffassung.
In der Gleichung G45.
steht IG für den Integrationsgrad
des Inlandsmarktes. Wir haben gesehen, daB ein GroBteil
der Bevolkerung nicht in den EntwicklungsprozeB einbezogen
ist. Je mehr aber die Sektoren für einander produzieren,
desto hoher ist der Integrationsgrad.
G47.
A
IG.K=(EPM.K+IPT.K)/BZPO*GF
C
BZPO=456E3
C
GF=50 %
BZPO ist die Zahl der Erwerbspersonen in beiden Sektoren zu
Beginn der Simulation 1970. Zu diesem Zeitpunkt ist der Aus-
druck (EPM.K+IPT.K)/BZPO=1.
GF, ein Berichtigungsfaktor,
bringt zum Ausdruck, welcher Prozentsatz dieser Personen
sichalleinüber den organisierten modernen Markt, d.h. ohne
Naturaltausch versorgt. Der Grad des Fremdbezugs
(GF)
bzw.
der Selbstversorgung ist unterschiedlich je na ch der Nahe
1) Am 28. Mai 1975 haben Vertreter von 15 westafrikanischen
Staaten, u.a.
auch Nigeria und Ghana, einen neuen Ver-
trag zur Schaffung eines integrierten Marktes, der ECOWAS,
unterschrieben. Di.e Economie Comn1unity Of West-African
States
(ECOWAS)
ist nicht der erste Integrationsversuch
des Marktes in Westafrika. Der Wunsch der Gründerstaaten,
die Zolle in 15 Jahren vollstandig abzubauen,
lauft Ge-
fahr,
sich wegen der bestehenden Differenzen aIs Wunsch-
traum herauszustellen.

-
176 -
der GroBzentren. Für Togo gehen wir von einem Durchschnitts-
wert von 50 % aus.
Die Versorgung über den Markt ist eine wichtige Voraussetzung
für vermehrte Investi tionen. Sowohl der tatsachliche Verlauf
des Wel thandels 1) als auch die darauf aufbauende AuBenhandels-
theorie bekraftigen die zentrale Stellung der Nachfrageentwick-
lung als Stimulans für die Produktionsauswei tung, wie Mal thus
und Keynes erkannt haben. Mit Linder stellen wir fest, daB der
internationale Handel nichts anderes darstellt, als die
Ausweitung der nationalen Grenzen und damit der Inlandsnach-
2
frage ). Überhaupt besteht heute kein Zweifel mehr daran,
daB die Liberalisierung und der Ausbau des AuBenhandels
eine Wohlstandsvermehrung induzieren; die Bemühungen um
eine wirtschaftliche Integration in Lateinamerika und vor
allem in Europa konnen als erneuter Nachweis angesehen wer-
3
den ). Das Modell enthalt deshalb ein Szenario, an dem ge-
zeigt wird, welche Wirkungen ein schnellerer ZusammenschluB
der Entente-Lander auslosen kann.
Die erwahnte Aufnahmefahigkeit des Marktes bestimmt nicht
nur den Anteil des Bruttoinlandsprodu~tes für Investitions-
zwecke in den Entwicklungslandern,
sondern auch die Bereit-
schaft des auslandischen Unternehmers und Kapitalgebers,
in
der Dritten Welt zu investieren.
In Westafrika ist Nigeria,
gefolgt von Zaire, das bevorzugte Land auslandischer Inve-
storen, obwohl beide bereits weit mehr als di.e anderen Staa-'
ten dieser Region eine strenge restriktive Investitions- und
Niederlassungspoli"tik gegenüber dem Ausland betreiben.
Ihnen
folgen die Elfenbeinküste, Kamerun und Gabun.
In Ostafrika
1) Siehe die Tab.
3.
2)
Linder, S.B., An Essay of Trade and Transformation,
a.a.O., S.
88.
3)
DaB die Beteiligten nicht in gleichem HaBe von der Libe-
ralisierung bzw. von einer ·Zollunion profitieren,
ist
einleuchtend. Siehe dazu:
Lewis, W.A., Die Theorie
-~ wi.rtschaftlichen Wachstums,
Tübingen 1956, S.
393 f.

-
177 -
. h
t
K
.
.
"h l ' h
E t - '
kJ
1 )
verzelC ne
enla elne a n lC e
n_W1C
.ung
.
AlI diesen Fallen gemeinsam ist die dynamische Entwicklung
im Inland.
Unterschiede zeigen sich in der Wirtschaftspo-
litik:
restriktiv für Nigeria und Zaire,
liberal für die
Elfenbeinküste, Kamerun, Gabun und Kenia.
Daraus kannen
wir eine überprüfbare Hypothese ableiten: bei dynamischel?
EntwickZung einer VoZkswirtschaft nehmen die Direktinve-
stitionen auch bei restriktiver PoZitik zu,
vorausgesetzt,
die ergriffenen Maf3nahmen zieZen nicht auf Enteignung,
son-
dern aZZein auf den Schutz des Iniandsmarktes bzw.
der in-
Zandischen Unternehmer ab.
2
In den Entente-Landern ) wird eine sog.
" po litique de la
porte ouverte" praktiziert.
Restriktive MaBnahmen beschran-
ken sich, wo sie eingesetzt werden, primar auf die extrak-
tive Industrie.
lm Modell machen wir deshalb den Zustrom
privater Investitionen aus dem Ausland -
PNIA - von der Ak-
tivitat des Marktes - MarktgraBe -
abhangig.
G48.
A
PNIA.K=DPNIA*MAM.K
A
MAM.K=G45.
C
DPNIA=10.5E6
DPNIA sind die durchschni ttlichen privaten Neuinvesti tionen
3
aus dem Ausland ). Da DPNIA eine Konstante ist, hangt die
Entwicklung der privaten Investitionen vom Multiplikator
der Aufnahmefahigkeit des Marktes ab. Wie an anderer Stel-
1)
Siehe dazu: Schneider, W., Direktinvestitionen und die
Politik der Entwicklungslander, Berlin 1974, S.
38.
2)
Dahomey stellt zur Zeit eine Ausnahme dar, weil sich die
Militarregierung von der marxistisch-Ieninistischen
Wirtschaftsgesinnung leiten laBt.
3) Es handelt sich um die durchschnittlichen neuen auslan-
dischen Investitionen im Jahre 1970. MAM.K=1,
sodaB
PNIA.K und DPNIA gleich sind. Dabei werden die Reinve-
stitionen der im Inland ansassigen auslandischen Unter-
nehmer nicht berücksichtigt. Sie sind im Anteil des
Brut.toinlandsproduktes f"~- Investi tionszwecke enthal ten.

-
178 -
le ausgeführt wurde,
setzt sich t1AM aus IG, dem inlandi-
schen Integrationsgrad, und aus KOM, dem Integrationsgrad
der AuBenbeziehungen der betreffenden Volkswirtschaften,
zusammen.
Zu KON schreibt Schneider:
"Zwischenstaatliche
Wirtschaftsintegrationen erwei tern den Klimaraum und schaf-
fen zumindest die Voraussetzungen für eine Verbesserung
der ëkonomischen Faktoren.
Integrationsraume ge\\<1innen an
ëkonomischer Attraktivitât für Direktinvestitionen.
Die
grëBere Attraktivitat erlaubt andererseits wirksamere po-
litische LenkungsmaBnahmen, vorausgesetzt, die Mitglieds-
staaten finden zu einem Konsens über eine gemeinsame Be-
handlung des Auslandskapitals"1) • Es ist deshalb zweckmas-
sig anzunehmen, daB PNIA über IG und K01l1 zunehmen wird.
Zur Bestimmung der gesamten Neu.investitionen -
GNI - wer-
den die Mittel aus der neuen, d.h.
jahrlichen Auslandsver-
schuldung des Staates - NAVS - gesondert ermittelt.
G49.
A
NAVS.K=ISB.K+IDSV*BIP.K
C
IDSV=.02
(Inlandsdeterminante der Staatsverschul-
dung im Ausland)
GSO.
A
ISB.K=DSB*ALQ.K/DALQ
= internationaler Sclidaritatsbeitrag
C
DSB=10EG
(Durchschnittlicher Solidaritatsbeitrag)
C
DALQ=43
(Durchschnittliche Arbeitslosenquote)
GS1.
A
ALQ.K=ASP.K*100/(ASP.K+IPT.K+EPM.K)
= Arbeitslosenquote
2
ASP sind die arbeitssuchenden Personen ) .
Die Gleichungen G49. und GSO.
sind hinsichtlich ihrer Zu-
sammensetzung auBerst problematisch. ISB, der internatio-
nale Solidariatsbeitrag, stellt das dai, was man aus Grün-
den der ZweckmaBigkeit allein Entwicklungshilfe nennen dürf-
1) Schneider, W., Direktinvestitionen und die Politik der
Entwicklungslander, a.a.O.;
s. 95.
2)
Siehe dazu die Gleichung
; ",nhang.

-
179 -
te: unentgeltliehe Transferleistungen bzw.
zinsloses oder
zinsverbilligtes Darlehen. Kredite zu gleiehen bzw. anna-
hernd marktübliehen Bedingungen sind aueh eine Hilfe im
Sinne der Nutzbringung für den Kreditnehmer. Der Kreditge-
ber müBte es jedoeh vermeiden, von Hilfe zu spreehen, da-
mit Ethik, Politik und Gesehaft nieht aIs austausehbare
Begriffe angesehen werden. Der internationale Solidaritats-
beitrag, den man aueh Entwiekl.ungsbeitrag nennen k6nnte,
solI hier die in unserem Sinne reale Hilfe darstellen. Sein
Durehsehnittswert - DSB -
laBt sieh aufgrund der statisti-
sehen Angaben bestimmen, die Bereehnung seiner Evolution
dagegen kann nur eine approximative Sehatzung sein.
Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, daB die staat-
lichen Transferleistungen an die Entwieklungslander auf
1
einem Spektrum von Motiven und Zielsetzungen beruhen ).
Diese These, nach der auslandisehe staatliehe Entwieklungs-
beitrage mit dem Waehstum des Bruttoinlandsproduktes zu-
sammenhangen, konnte bisher weder bestatigt noch widerlegt
werden. Statistischen Angaben der Vereinten Nationen aus
verschiedenen Jahrgangen zufolge erhalten beispielsweise
Burma, Nepal, Yemen - Lander mit niedrigem Sozialprodukt -
kaum affentliehe Kapitalhilfe; dagegen flieBen nach Gabun
und Liberia trotz des Rohstoffreichtums betraehtliehe Mit-
tel. Hong-Kong, Kuweit und Quatar erhalten keine bzw. we-
nig Kapitalhilfe.
Die Analyse der Anfangsbedingungen machtes vielleieht mog-
lieh, den Widersprüehen auf die Spur zu kommen. Da wir dies
hier nieht tun kannen, bilden wir, gestützt auf verhaltens-
wissensehaftliehe Erkenntnisse, eine neue Hypothese: der
Solidaritatsbeitrag ist, wenn er weder'6konomiseh noeh po-
litiseh-militarisch motiviert ist, primar altruistiseh be-
1) Kruse-Rodenaeker, A., Dumke~ H., v. G6tz, N., Kapital-
hilfe, Untersuehungen zu~ hilateralen Kapitalhilfe im
Rahmen affentlieher Leis L ;"j011, Berlin 1970, S.
59 ff.

-
180 .-
dingt und hat demzufolge einen ethisch verpflichtenden Cha-
rakter. Typische Beispiele von Hilfeleistungen dieser Art
sind die sog. Katastrophenhilfen:
Seuchenhilfe, Erdbeben-
hilfe, Dürrehilfe,
Flüchtlingshilfe. Das AusmaB des Bei-
trages hangt vom AusmaB der Katastrophe ab. Bei Verschlech-
terung nimmt die Hilfe zu;
bleibt die Situation konstant,
muB mit einer Konstanz bzw. mit einer Verringerung der Hil-
fe gerechnet werden.
Die Alarmwirkung der Katastrophe flaut
mit der Zeit ab. Ethische Beziehungen ohne sichtbaren bzw.
nahen Eigennutz sind na ch allen Erfahrungen Schwankungen
unterworfen. Jeder braucht hier nur an eigene "Vorsatze"
zu denken, die selten konsequent eingehalten werden. Sie
sind nicht so bestandig und werden nicht so kontinuierlich
verfolgt wie akonomische Beziehungen, aus denen die Betei-
ligten direkten und aIs angemessen angesehenen Nutzen zie-
hen.
Mittels dieser Hypothese kannen wir verschiedene Sachverhal-
te sowohl in der Entwicklungslanderforschung aIs auch in
der internationalen Entwicklungspolitik besser begreifen.
Die Leistungen der Geberlander sind einer starken Schwan-
1
kung untenlorfen ).
Das politische Wohlverhalten der Drit-
ten Welt den Industrielandern gegenüber bzw.
ihre ideolo-
gische Ausrichtung und die Alarmsignale, die aus ihrer
wirtschaftlichen Situation hervorgehen, unterliegen auch
einer Schwankung.
Die Erwartung der Entwicklungslander, die 'Industrielander
würden ihnen im Laufe der Jahre imrner mehr Mittel zur Ver-
fügung stellen, kann sich nicht erfüllen, weil hierfür
eine ausreichende Motivation fehlt.
Es gehart keine prophe-
tische Gabe dazu,
jetzt schon zu prognostizieren, daB die
zweite Entwicklungsdekade ebenfalls ein Fehlschlag sein
1) Schneider, W., Direktinvestitionen und die Politik der
Entwicklungslander, a.a.O
, S.
22.

-
181 -
wird. Angesichts dessen erscheint die Forderung, die 6f-
fentlichen Transferleistungen mogen nach okonomischen Kri-
terien durchgeführt werden,
in einern neuen Licht: das wirt-
schaftliche Prinzip des Kosten-Ertrags-Denkens muB zur
Grundlage der Entwicklungshilfe gemacht werden. Dadurch
wird ihr der schwankende politisch-ideologische bzw.
ethisch-norrnative Boden entzogen. DaB bei Anwendung dieses
Prinzips verschiedene Entwicklungsindikatoren Berücksich-
1
tigung finden müssen,
ist unbestreitbar ).
Getreu der Auffassung, daB die gegenwartige Hilfeleistung
der Katastrophenhilfe gleichgesetzt ist, reprasentiert
ALQ.K/DALQ in der Gleichung G50. das Alarmzeichen.
Ihre
Zunahme bedeutet Eine Erhohung der Arbeitslosigkeit und
damit die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation.
GemaB der Konstruktion nilnrnt der internationale Solidari-
tatsbeitrag -
ISB -
zu. DSB ist Eine Konstante. Sinkt
ALQ.K/DALQ, d.h. gehen vom Entwicklungsland keine Alarm-
signale aus, dann nehmen die auslandischen Kapitalstrome
ebenfalls ab. Der ProzeB wird von innen heraus generiert.
Statt der Arbeitslosigkeit hatte man, wie das Deutsche In-
stitut für Wirtschaftsforschung in Zusarnrnenhang mit Direkt-
investitionen getan hat, das Bruttoinlandsprodukt-pro-Kopf
2
heranziehen
konnen ). Von seiner Veranderung hinge dann
der Kapitalzustrom ab. Eine andere Vorgehensweise besteht
darin, Eine durchschnittliche Pro-Kopf-Hilfe zu bilden.
1)
Siehe dazu: Blum, R., Das Sozialprodukt aIs Entwicklungs-
indikator,
in: Beitrage zur Beurteilung von Entwicklungs-
strategien, Schrifteh des Vereins flir Sozialpolitik, Ge-
sellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften,
Neue Folge, Band 77, S.
27 ff.
2) DIW-Wochenbericht, Nr.
45,
1971, S. 331
ff.
Das Institut
hat festgestellt, daB flir Entwicklungslander mit niedri-
gern Entwicklungsniveau keine Korrelation zwischen Direkt-
investitionen und dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf be-
steht. Erst bei einem Pro-Kopf-Einkornrnen ab 250 Dollar
laBt sich Eine Korrelation feststellen.

-
132 -
Die Multiplikation dieser GroBe mit der jeweiligen Bevol-
kerungszahl ergibt den gesuchten Solidaritatsbeitrag.
Da
im Modell die Arbeitslosigkeit im Mittelpunkt steht, er-
scheint es zweckmaBiger, von diesem Faktor auszugehen.
In der Gleichung G49.
stellt der Ausdruck IOSV*BIP.K den
Teil der Staatsverschuldung dar, der von der Kreditwürdig-
keit des betreffenden Entwicklungslandes abhangt.
Die Ho-
he der Verschuldung wird sowohl von der Zahlungsfahigkeit
aIs auch von den internationalen Beziehungen des Staates
abhangig gemacht.
Dieser letzte Aspekt ist bedeutsam. Lan-
der, die sowohl im Westen aIs auch im Osten Kredite erhal-
ten,
ohne sich mit einem Block zu verfeinden, kannen s1ch
im Ausland hoher verschulden.
Die überlegung gilt auch für
jene Staaten der Oritten Welt, die statt nur mit einem In-
dustrieland, mit mehreren zugleich in enger Beziehung ste-
hen.
In allen Entente-Landern und vor allem in der Elfenbeinkli-
ste wird diese Balancepolitik praktiziert. Die traditionel-
len Bindungen zu Frankreich bestehen nach wie vor;
sie wer-
den aber durch neue Kooperationsvertrage mit anderen Staa-
ten erganzt. Überhaupt versuchen die kleinen Lander solche
vielfaltigen internationalen Beziehungen zu intensivieren,
um durch den Interessenpluralismus ihre Souveranitat besser
zu wahren. Hierin liegt vielleicht die Tatsache begründet,
daB die kleinen Lander mehr Pro-Kopf-Hilfe erhalten aIs die
groBen.
Statistischen Angaben der DECO zufolge finden sich
unter den 20 Staaten mit der hochsten Pro-Kopf-Hilfe 65 %
1
mit einer Bevolkerung von weniger aIs einer Million ).
rosv
ist dimensionslos und bleibt wahrend der Simulationsdauer
konstant.
Die Kreditwürdigkeit,
im Modell bestehend aus der Zahlungs-
fahigkeit der Entwicklungslander und der Vielfalt ihrer Be-
1)
OECO,
Development Assist
:l':
Review
1970, Anhang Tab. 20.
f

-
183 -
ziehungen zum Ausland, setzt den Kreditwünschen der Drit-
ten Welt enge Grenzen. Bei der Dominanz machtpolitischer
1
Gesichtspunkte wird dies übersehen ). Tatsache ist aber,
daJ3 weder Staaten noch Unternehmer Kredite gewahren, wenn
die Aussicht auf Rückzahlung real nicht gegeben ist. Man
beschrankt sich bestenfalls auf Schenkungen, die nie die
gewünschte Kredithahe erreichen. Es handelt sich dann nur
um Eine politische Geste zur Wahrung der "guten Beziehun-
gen".
Wir müssen erneut konstatieren, daJ3 die Entwicklungslander
diesmal aufgrund ihrer verminderten Kreditwürdigkeit nicht
soviel auslandisches Kapital erhalten kannen, wie sie sich
vorstellen und wünschen. Diese Beschrankung ist ein zusatz-
licher Nachweis für den Geltungsbereich unserer Hypothese:
lm EntwicklungsprozeJ3 sind Finanzinvestitionen Menschenin-
vestitionen nachgelagert:
"On ne prête qu'aux riches".
Wie aus Fig.
II,11 hervorgeht, werden die Investitionen aus
dem In- und Ausland ais gesamte Neuinvestitionen -
GNI -
zu-
sammengefaJ3t:
G52.
A
GNI.K=BIP.K*ABIPI.K+PNIA.K+NAVS.K
G53.
A
NAVS.K=IDSV*BIP.K+ISB.K
= Durchschnittliche Auslandsverschuldung des
Staates
C
IDSV=.02(G49.)
1)
lm FrühJahr 1974 fand in einem Staat der Entente Eine
Verhandlung zwischen"Regierungsvertretern und auslandi-
schen Unternehmern über eine Kreditvergabe statt, der
wir beiwohnten. Ais die auslandische Delegation fragte,
ob die Rentabilitat des Projektes ausreicht, um die
Rückzahlung zu garantieren, wurde von den Kreditnehmern
gesagt, die Rentabilitat interessiere sie nicht; was sie
wollen,
ist der Kredit! Das Geschâft kam nicht zustande.

-
184 -
Die gesamten Neuinvestitionen, GNI, setzen sieh also zu-
sammen aus dem Anteil des BI'uttoinlandsproduktes für Inve-
stitionszweeke
(BIP.K*ABIPI), aus den privaten auslandi-
sehen Investitionen (PNIA.K)
und aus dem Beitrag des Staa-
tes für Investitionszweeke
(NAVS.K). Für diese Investitio-
nen versehulden sieh die Entente-Lander im Ausland. Das
AusmaB der Versehuldung hangt teils von den Rüekzahlungs-
mogliehkeiten, also von der GroBe des Bruttosozialproduk-
tes wie aueh vom internationalen Solidaritatsbeitrag ab.
Mit anderen Worten konnen die Entente-Lander nieht unab-
hangig von der Hohe ihres Sozialproduktes rüekzahlbare
Darlehen im Ausland aufnehrnen.
Dividiert man das Produkt aus GNI und Hundert dureh das
Bruttoinlandsprodukt, erhalt man IQ, die Investitionsquo-
te im Modell:
G54.
A
IQ.K=GNI.K*100/BIP.K
Ihre stetige Entwieklung ist, wie wir noeh sehen werden,
Voraussetzung für die Sehaffung neuer Arbeitsplatze im
Modern-Sektor. Da dieser Sektor vom Ausland abhangt,
ist
der ZufluB auslandiseher Direktinvestitionen unerlaBlieh,
urn dieses Ziel zu erreiehen.
1.4.3. Investitionen, Kapitalstoek und Besehaftigung im
Modern-Sektor
Grundeharakteristikurn des Modern-Sektors ist seine Orien-
tierung noeh auBen. MS ist ein Stüek Industriegesellsehaft
inrni tten
ler afrikanisehen Tradi tionsgemeinsehaften. \\vah-
rend der Traditional-Sektor, vor allern die Landbevolkerung,
wie bei unserer empirisehen Untersuehung festgestellt wur-
de,
zu etwa 80 % auf Finanzmittel und Technologietransfer
verziehten kann,
ist der Modern-Sektor ohne Personal-, Ka-
pital- und Teehnologietransfer nieht existenzfahig.

-
185 -
In der Entente entsteht das Bruttoinlandsprodukt maximal zu
30 % - Elfenbeinküste - im Modern-Sektor; der Kapi talbestand
dieses Sektors - KBM - reprasentiert aber über 50 % des gesamten
1
Kapi talstoeks ). Diese Überkapi talisierung nimmt an Bedeutung
zu, da die j ahrliehen Neuinvesti tionen im Modern-Sektor - NIM -,
die ZufluBrate von KBM, eine hohere Zuwaehsrate aufweisen aIs
die Investi tionen im Tradi tional-Sektor: die Disproportiona-
li tat zwisehen beiden Sektoren nirnmt ~emzufolgewei ter zu.
Die Gleiehung des Kapi talbestandes im HS ist der Struktur naeh
gleieh der des Kapi talbestandes im TS; sie solI deshalb nieht
wiederhol t werden. Dagegen verdienen die Neuinvesti tionen im
MS - NIM - eine besondere Beaehtung. Sie bestimmen mit AKIM, der
angepaBten Kapitalintensitat, die potentiellen Neueinstellun-
gen im Modern-Sektor (siehe dazu: Fig. II,12) .
Fig.
II,12: Grundstruktur des Modern-Sektors
~7KI 0
~npaseun9s-
faktor der
J:ap lta l1"n-
tensltAt
/
/
~
~nstaltter
1 ~~~~~e~:~ :~;:::en
1
aus &PM'\\
E P H
~bs~r­
\\,
Bonen 1.. MS
,
J
1) Der Kapitalstoek wird in der Nationalokonomie definiert
aIs der Bestand an dauerhaften Produktionsmitteln, dabei
werden die Mensehen nieh
> -:rüeksiehtigt.
lm t-lodell
sehlieBt der Begriff die :lensehen ein, au eh wenn sie
nieht im einzelnen bewertet werden.

-
186 -
G55.
A
NIM.K=GNI.K-NIT.K
NIT = Neuinvestitionen im TS
G56.
A
PNEM.K=NIM.K/AKIM.K
(Potentielle Neueinstellungen
im MS)
G57.
A
AKIM. K=NKD1. K*AFKI. K (AngepaBte Kapi talintensi Uit
im I~S)
AFKI = Anpassungsfaktor der Kapitalintensitat
NKIM = Normalkapitalintensitat im MS
G58.
A
NKIM.K=TABHL(TNKIM,TIME.K,1970,2010,10)
1
T
TNKIM=20E3/27E3/34E3/41.4E3/48E3 )
Die Gleichungen G56. bis G58. sind den Gleichungen von PNET,
AKIT, NKIT strukturgleich, die im Rahmen der Beschreibung
des Traditional-Sektors angeflihrt wurden. Auffallend sind
hier lediglich die quantitativen Angaben zu G58.
BewuBt
beziehen wir die Daten auf die Elfenbeinküste. Dieses Land
ist bei weitem das kapitalintensivste unter den Entente-
Staaten. 1970 war die Kapi talintensi Uit. im MS der Elfenbein-
küste sechsmal so hoch wie der Kapitalaufwand pro Arbeits-
platz im Traditional-Sektor Nigers und genauso hoch wie
die durchschnittliche Kapitalintensitat in der Bundesrepu-
blik Deutschland.
Diese Angaben bestatigen erneut, daB der Modern-Sektor der
Entwicklungslander ein Transplantat der Industriegesell-
schaft in eine fremde Umwelt darstellt. Die in den Indu-
striegesells~haften entwickelten Techniken erfordern bei
ihrem Einsatz Investitionskosten pro Arbeitsplatz, die dem
Kapitalangebot im Inland entsprechen, was beim Technologie-
transfer in die Entwicklungslander wegen der Entwicklungs-
investitionsgesetzmaBigkeit nicht der Fall sein kann: das
Ausland muB aIs Trager des Prozesses eintreten, was tat-
2
sachlich geschieht ) .
1)
Die Angaben beziehen sich auf die Elfenbeinküste.
2)
Siehe auch Agarwal, J. u.a., Übertragung von Technolo-
güm
an EntwicklungsUi.n
Tübingen 1975.

-
187 -
Die inlandiscl,:
~nsprüche an die auslandische Technologie
kannen aber nicht erfüllt werden, weil die Probleme,
für
die diese Technologien konzipiert wurden,
für die Entwick-
lungslander noch nicht relevant sind. Es geht in der gegen-
wartig"en Entwicklungsphase der Dritten ~lelt nicht darum,
durch den Einsatz von Maschinen die Produktivitat pro Zeit-
einheit zu erhahen, es kann keine Massenproduktion geben,
1
ohne die Beschaftigung der Massen ). Auslandische Absatz-
ma~kte, die hierfür aIs Ersatz dienen kannen, sind, wie
dargestellt wurde,
nicht in dem AusmaB vorhanden, wie es
die Entwicklungslander vronschen. Die hochwertige Qualitat,
deren Gewahrleistung oft aIs Argument benutzt wird, um mo-
dernste Technologie in die Dritte Welt einzuführen, wird
auf dem inlandischen Markt noch nicht verlangt.
In kapitalintensiven Betrieben der Dritten Welt sind die
Stückkosten im Durchschnitt haher aIs in den Industrielan-
dern: Die auslandischen Produktionsfaktoren Personal, Ka-
pital und Technologie, die für den modernen Sektor impor-
tiert werden müssen,
sind teurer aIs im Ursprungsland. Hier-
in liegt einer der Hauptgründe, warum manche Industriepro-
dukte, die in der Dritten Welt selbst hergestellt werden,
teurer sind aIs vergleichbare Waren aus Industrielandern.
Die Erwartung der Entwicklungslander Westafrikas, die Indu-
strialisierung mittels der exogenen Entwicklungspolitik
herbeizuführen, muB heute aIs gescheitert angesehen werden.
Spektakulare Erfolge, wie sie in einigen westafrikanischen
Landèrn demonstriert werden, dürfen nicht darüber hinweg-
tauschen, daB sie entweder der Ausweitung der Rohstoffpro-
duktion oder der subventionierten Importsubstitution zu
1) Vgl. Mardsen, K., Progressive Technologies for Developing
Countries,
in:
International Labour Review, vol. 101,
1970, s. 475 ff. Hier berichtet der Verfasser über eine
Reihe von Projekten, die wegen mangelnder Anpassung der
Technologie gescheitert bzw. unrentabel sind.

~. 188 -
verdanken sind.
Beide Strategien finden ihre Grenzen in
der Naehfrageentwieklung auf den international en und In-
landsm~rkten. Die Importsituation kann nur in dem AusmaBe
fortsehreiten, wie der Inlandsmarkt waehst: substituiert
werden ja die Produkte, die importiert bereits auf dem
Inlandsmarkt abgesetzt werden.
Wir stellen wiederum fest,
daB die Entwieklung des Inlands-
marktes dureh die Integration der arbeitsfahigen Bevolke-
rung in den ProduktionsprozéB eine unumgangliehe Vorausset-
zung für eine fortsehreitende Industrialisierung der Enten-
te-Lander ist.
Auf Karl Popper geht die Formulierung zurüek, daB Naturge-
setzmaBigkeiten Verbote sind:
Il
(Nieht umsonst heiBen die
Naturgesetze "Gesetze": Sie sagen umso mehr,
je mehr sie
1
verbieten) 11
) . Wenn die Hypothese zutrifft, daB im Entwick-
lungsprozeB Menseheninvestitionen den Saeh- und Kapitalin-
vestitionen vorgelagert sind, dann " ü bertreten" die. Entwiek-
lungslander Verbote, wenn sie umgekehrt vorgehen wollen.
Jede GesetzmaBigkeit gilt jedoeh nur unter bestimmten Be-
dingungeni deshalb konnen die Folgen einer GesetzmaBigkeit
vermieden werden, wenn ihre Bedingungen auBer Kraft gesetzt
bzw. umgangen werden. Die Naehfragelüeke seheint uns jene
Bedingung zu sein, deren Aufhebung mit der Beseitigung des
angenommenen Verbots zusammenfallt. Der Transfer von Pro-
duktionsfaktoren zur Induzierung der Inla~dsnaehfrage reieht
offensiehtlieh nieht aus. Bei klein~l Bevolkerungszahl und
hohem Sozialprodukt kann die Naehfn,
lüeke im Inland dureh
permanente staatliehe Entlohnung ohr,> > i3esehaftigung - Trans-
ferzahlungen - gesehlossen werden. Das kleine westafrikani-
sehe Land Gabun, mit den enormen Natursehatzen - uran, Erd-
al, Eisenerz, Holz -
hat begonnen, clas Volkseinkommen be-
1) Popper, K., Logik der Forsehung,
4. verb. Auflage, Tü-
bingen 1971, S.
15, s ieh
leh S.
158.

-
189 -
wuJ3t unter dieseJn Aspekt zu verteilen:
"Pour redistribuer
au peuple gabonais les revenus petroliers, nous avons exemp-
té d'impots tous les salariés dont le salaire mensuel n'
exc~de pas 30 000 frs CFA; nous avons étendu jusque dans
les villages notre syst~me d'allocations familiales,
la
gratuité de l'enseignement et celle des soins dans les ho-
pitaux,,1) .
Bei diesem biblischen Zustand, der jüdischen Mythologie,
bei der die Manna vom Himmel herabfallt -
sie liegt dies-
mal unter der Erde -
ist der Transfer von Produktionsfak-
toren aus Industrielandern der kürzeste Weg zur Industria-
lisierung des Landes. Hier sind die Kapital- und Sachinve-
stitionen dem Arbeitseinsatz im Inland vorgelagert: die
Redistribution des Volkseinkornmens, das praktisch ohne Zu-
tun der Betroffenen geschaffen wird, macht es maglich. Die
Inlander kannen im Extremfall konsumieren ohne zu arbeiten;
eine ahnliche Situation wie bei der Erbschaft: hier haben
Familienangeharige vorgearbeitet, dort die Natur.
Dieser paradiesische Zustand herrscht in keinem der Enten-
te-Staaten. Abgesehen von den reichen Rohstofflandern, ver-
staJ3t die Dritte Welt also gegen die Hypothese des Entwick-
lungsinvestitionsgesetzes, wenn sie durch den Transfer der
drei oben genannten Produktionsfaktoren die Industrialisie-
rung des Traditional-Sektors herbeiführen will. Es scheint
uns deshalb zweckmaBiger, die Integration.des Traditional-
Sektors in den ProduktionsprozeB über den Arbeitseinsatz zu
vollziehen. Diese Auffassung erfordert bei ihrer Realisie-
rung eine systematische Überprüfung der Transferpolitik.
1) Bongo, O., Discours du 9 juin 1975 à l'ouverture de la
quarante-quatrième conférence de l'organisation des pays
exportateurs de pétrole
(OPEP),
in: Jeune Afrique, Nr.
757 vom 11. Juli 1975, S.
38. Hervorhebung nicht im Ori-
ginal.

-
190 -
Die Notwendi"'
' t der Anpassung der Technologie an die Be-
dlirfnisse der Entwicklungslânder wird heute nach den "Vor-
1
kâmpfen" der Londoner Gruppe nicht mehr bestritten ). Neu-
ere Untersuchungen zeigen, daB diese Anpassung maglich ist
und nicht kostspielig zu sein braucht, wie ursprünglich an-
2
genommen wurde ) •
Das Transferproblem betrifft aber nicht nur die Technolo-
gie,
sondern ebenso das Personal und die Finanzmittel. Kon-
nen auch Auslânder Trâger der Entwicklung im Traditional-
Sektor sein? Wir bezweifeln es, weil die Interaktion minde-
stens die Interkommunikation voraussetzt. Nichtafrikaner
in Afrika, die sich des übersetzungsdienstes bedienen müs-
sen, um sich verstândlich zu machen, kannen im wirtschaft-
lichen Bereich nicht mehr erreichen aIs durch die Androhung
von Strafen erzielbar ist:
sozial sind die AuBenseiter. Rat-
schlâge nimmt man nicht von jedem an:
"Ich habe dich nichts
gefragt!", heiBt es bündig in der Alltagssprache. Das aus-
lândische Personal hat praktisch keinen Zugang zum sozialen
Gefüge des Traditional-Sektors. Hier kann Veranderung nur
von innen kommen.
Sogar im Modern-Sektor wirkt der Transfer
von Personal produk"tivitâtshemmendi
nach unseren Beobach-
tungen, Erlebnissen und Befragungen in verschiedenen Betrie-
3
ben ist der Absentismus nach wie vor die Rege1 ) .
Arbeit ist in unseren Vorstellungenmit Mühe, Anstrengung
verbunden. Wie behaupten, daB keiner sich gern anstrengt,
wenn das Ziel auch ohne Mühe erreichbar zu sein scheint.
Die Industrialisierung der Dritten Welt mittels auslândi-
1)
Schumacher, E.P., The Work of the Intermediate Technolo-
gy Development Group in Africa,
in:
International Labour
Review, Vol.
106,
1972, S.
75 ff.
2) Die nachstehende Tabelle 7, die hauptsâchlich auf die
Arbeiten der Forschungsgruppe Ritter zurückgeht, zeigt
deutlich, daB die Anpassung der Technologie primâr eine
Informationsaufgabe darstellt.
3)
Siehe dazu unsere empirische Untersuchung: Konflikther-
de und Konfliktlasung in internationalen Tochtergesell-
schaften in Afrika,
a.a.O.
.

-
191
-
1
Tabelle 7: Ar:_:
sangebot und Kapitalintensitat )
Arbeitsvorgang/
Arbeitsintensive
Kapitalintensive
Produkt
Verfahren
Verfahren
Metallbearbei tung .
Frâsen von Turbinen-
Waagerecht-Frâsma-
Elektro-chemisches
schaufeln
schinen
Erosionsverfahren
Zapfen und Wangen von
Einfache Drehbânke
Numerisch gesteuerte
Kurbelwellen
und Waagerecht-
Frasmaschinen mit auto-
Frâsmaschinen
matischen Teilungs- und
Spannvorrichtungen
Nuten von Mehrkeil-
Einfach-Frâsmaschinen
Abwâlzfrâsmaschinen
wellen
mit handgesteuerter
Teilungsvorrichtung
Drehen und Bohren von
Revolverdrehbânke und
Rundtischdreh- und
Prâzisionsventilen
Stânderbohrmaschinen
-bohreinheiten
Formgebung von Blech-
Rollen- (Walz-) und
Formwerkzeuge auf
teilen
Sickenrnaschinen
Press en
PreBformen
Mechanische Kopier-
Numerisch drei-dirnen-
frâsmaschinen
sional gesteuerte
Kopierfrâsrnaschinen
Bohren von Getriebe-
Horizontalbohrwerke
Mehrspindel-Spezial-
râderkasten
bohrmaschinen
Frâsen von Schreib-
Waagerecht-Frasrnaschi-
Mehrspindel-Spezial-
maschinengestellen
nen
frâsrnaschinen
Frâsen von Drucker-
Einfache Senkrecht-
Programmgesteuerte
bocken für Fern-
Frâsmaschinen
Senkrecht-Frâsmaschinen
schreiber
Hebei für Buchungs-
Kopierfrâsmaschinen
Stanzmaschinen
maschinen und Regi-
strierkassen
Frâsen von Gehâusen
Einfache Frâsrnaschinen
Numerisch gesteuerte
für Weichensteuerung
Frasmaschinen
Bohrungen an Gehâusen
Radialbohrmaschinen
Numerisch gesteuerte
aus GrauguB oder Alu
Bohrmaschinen
Schleifen von GuB-
Schaben
Schleifmaschinen mit
stücken mit Gleit-
automatisch geführtem
flâchen
Werkstücktisch
Formdrehteile
Drehbânke mit oder
Drehbanke mit numerisch
ohne Kopiereinrichtung
gesteuertem Lângs- und
Quervorschub
1)
Quelle: siehe nachste Seite.

-
192 -
Sons tige Verrich-
Arbeitsintensive
Kapitalintensive
tungen
Verfahren
Verfahren
Nageln von Transport-
von Hand
Automatische Nagelungs-
kisten
maschinen
Hartung von Stahl-
Einsetzen mit Pulver,
Elektrodensalzbad oder
teilen
Kammerofen
Induk t.ivhartung
Montage von Ventilen
von Hand
Automatische Montage-
für Kfz.-Bremsen
maschinen
Gewebeherstellung
Einfache oder Hand-
Vielfarbenwebautomaten
webstühle
Strickkleidung
Handstrickmaschinen
Strickautomaten
Herstellung von
Industrienahmaschinen
Knopflochvollautomaten
Knopflochern in
Oberbekleidung aus
gewebten Stoffen
Nahen von Taschen-
Industrienahmaschinen
Drehtischmaschinen
klappen bei Kleidern
Bügeln von Herrenhem-
von Hand
Automatische Bügel-
den und -kleidern
pressen
Formgebung bei Isola-
Vertikale Abdreh-
Vollautomatische Iso-
toren
maschinen
la toren- F.bdrehmas ch inen
Formen, Verputzen und
Schablonenwerkzeuge
Maschinen mit beheizten
Glasieren von Porzel-
und manuelle Bearbei-
Abwalzwerkzeugen, Putz-
langeschirr
tung
maschinen und BegieB-
glasiermaschinen
Pressen von Elektro-
Handkurbelpressen
NaBpreBvollautomaten
porzellan
Quellen: Transfer von Technologie in Entwicklungslander, Empirische Un-
tersuchung zur Kooperation deutscher Industrieunternehmen in
Entwicklungslandern. Gutachten im Auftrage des Bundesministe-
riums für wirtschaftliche Zusammenarbeit erstellt von der Pla-
nW1gsfruppe Ritter, Konigstein/Taunus 1972, S, 180 ff.
Ritter, J., The Developrnent of Labour-Intensive Technologies
for Developing Countries, in: Giersch, H.
(Hrsg.), The Inter-
national Division of Labour, Problems and Perspectives, Inter-
national Symposium, Tübingen 1974, S. 461 f.

-
193 -
schen Kapitaleinsatzes ist angenehmer -
so hoch die Kosten
sein mogen -
aIs der organisierte eigene Arbeitseinsatz.
Es ist ferner unbestreitbar, daB die EntwickIungsIander
Westafrikas durch den Transfer der drei genannten Produk-
tionsfaktoren sichtbare Fortschritte erzielt haben. Nach
der sozialpsychologischen Erfolgshypothese ist deshalb die
Moglichkeit gegeben, daB der Modern-Sektor weiterhin aIs
1
EntwickIungspol angesehen und gefordert wird ),
zumal durch
die Ost-West-Konkurrenz die Kreditgewahrung der Industrie-
Iander primar nach machtpolitischen Kriterien erfolgt und
demzufolge auch erpressbar ist. Das anvisierte Ziel, die
Integration des Traditional-Sektors in den rnodernen Produk-
tionsprozeB, kann jedoch nicht dadurch erreicht werden.
Nach der diesem Modell zugrunde Iiegenden Auffassung ist
der organisierte Arbeitseinsatz der zweckmaBigere Weg. Die
Lage in der Sahelzone, die man geneigt ist aIs Ausnahmesi-
tuation zu betrachten,
zeigt es deutlich.
1.5. Die Sahelzone aIs Spezialphanomen
Mit 7 MiIIionen qkm ist die Sahara, die groBte Wüste der
2
Erde, etwa zu 9/10 unbewohnt ). Nach dem bekannten Sahara-
fors cher Robert Capot-Rey Iiegt ihre nordliche Grenze dort,
.wo die DatteIpaImen nicht mehr natürIich fruchten und die
3
südIiche an der GürteIIinie des Hads ) .
Die Art der Vegetation aIs MaB der Begrenzung der Sahara
ist in botanischer und landwirtschaftIicher Hinsicht zweck-
maBig, aber nicht unumstritten. Auch der mittlere Jahres-
niederschlag von 200 ~n wird aIs sinnvolle Grenzangabe an-
gesehen.
1) Zur Erfolgshypothese siehe: Homans, G.C., Grundfragen
soziologischer Theorie, Opladen 1972, S.
62.
2)
Zu diesen Angaben siehe: Hagedorn, H., Siedlungsgeogra-
phie des Sahara-Raumes, in: Afrika-Spektrum, Nr.
3,
1967, S.
48.
3) C~pot-Rey, R., Le Sahara'~~n~ais, Paris 1953, S.
19
bzw. S.
28.

-- 194 -
Ein weiteres wesentliches Charakteristikum der Saharawüste
ist ihre Kontinentalitat, definiert aIs die Entfernung von
1
Küstengebieten ).
1/3 der Sahara liegt 1000 bis 1500 km von
der Küste entfernt. Schiffers spricht auch im Hinblick auf
die GroBe von einer IIKontinent-Wüste ll ,
deren durchschnitt-
2
liche Nord-Süd·-Dist.anz etwa 1665 km betrâgt ). Diese Kon-
tinentalitat bedeutet eine relative Isolierung von den Kul-
turzentren an den WasserstraBen.
IIDas ganze Klima der Sahara. ist ganzj ahrig arid. Nieder-
3
schlage fallen nur episodisch 11 ). Hinzu komm·t ein hoher
VerdunstungsprozeB in diesem Gebiet. Ariditât und Verdun-
stung führen zu einem chronischen Wassermangel und damit
auch zu einer bedrohlichen Beschrankung der natürlichen
Lebensbedingungen des Menschen, auch in den Oasen der Sa-
hara.
Wahrend dieser Sachverhalt seit langem bekannt ist, hat die
seit Anfang der siebziger Jahre anhaltende Dürre in der Sa-
helzone die Fragwürdigkeit der Sahara und ihrer Randgebiete
aIs SiedlungsraQme erneut dokumentiert. Besonders zwei der
fünf Entente-Lander, namlich Niger und Obervolta,
sind von
der Dürrekatastrophe betroffen.
lm Hinblick auf beide Staa-
ten ist deshalb ein Subsektor konstruiert worden. Dieses
1) Dubief, J., Die Sahara, eine Klima-Wüste,
in: Schiffers,
H.
(Hrsg.), Die Sahara und ihre Randgebiete, Darstellung
eines NaturgroBraumes, Band l, Physiologie, München 1971,
S.
238;
im folgenden zitiert aIs Die Sahara und ihre
Randgebiete. Dieses Werk in drei Banden ist im Rahmen
einer überregionalen und interdisziplinaren Forschung
entstanden; es stellt z.zt. die umfassendste Untersuchung
über diesen Raum dar.
2)
Schiffers, H., AIIgemeines, in: Schiffers, H.
(Hrsg.),
Die Sahara und ihre Randgebiete, Bd. 1, ebendort, S.
21
3)
Stuckmann, G., Klimatische Grundlagen des untersuchten
Raumes,
in: Mensching, H., GieBner, K.,
Stuckmann, G.,
Sudan-Sahel-Sahara,
in der Reihe: Jahrbuch der Geogra-
phischen Gesellschaft zu Hannover, Jahrbuch für 1969,
Hannover 1970, S.
12.

.- 195 -
Teilmodell baut auf der Vorstellung auf, daB eine Trans-
plantation der Bewohner aus der Sahara und ihren Randge-
bieten in andere fruchtbare Wohnraume langfristig betrach-
tet zweckmaBiger ist als die Verteilung von Nahrungsmit-
teln zur Uberbrlickung der DUrreperioden.
1.5.1. NatUrliche Bedingungen der Sahelzone
lm Jahre 1900 hat der Botaniker Chevalier vorgeschlagen,
das sUdliche Randgebiet der Sahara als Sahelzone zu be-
zeichnen.
"On définira la zone sahélienne comme la zone
aux pluies encore insuffisantes pour permettre la culture
sans irrigation, mais assez r~guli~res pour entretenir,
même en dehors des lits d'oueds, une végétation de savanes
et de forêts parcs Il1 ). Die Ariditat, einer der GrundzUge
der Sahara, setzt sich also in der Sahelzone fort.
Sogar
2
im Nigertal bei Niamey betragt die Trockenzeit 8 Monate ) .
Je mehr man sich von Niamey in Richtung Agadès entfernt,
desto mehr nimmt die Verdunstung zu.
Bei Menschen betragt der Wasserverlust durch Transpiration
mindestens 10 Liter pro Tag in der Sahara; dieser Verlust
ist aufgrund des Wassermangels schwer auszugleichen. In
der Sahelzone ist der Mindestbedarf nicht wesentlich nied-
3
riger ).
In der Cite Irara, einer kleinen Ortschaft Alge-
riens, die eine vergleichbare Ariditat wie das Sahelgebiet
aufweist, betragt der Wasserverbrauch pro Tag im Durch-
schnitt 500 Liter pro Person. FUr die 600.Einwohner sind
das 300 000 Liter pro Tag. Hinzugerechnet sind taglich
200 000 Liter fUr die Klimaanlage und 5 Millionen Liter
4
fUr die Gartenbewasserung vor allem im sommer ) .
1) Capot-Rey, R., Le Sahara Fran~ais, a.a.O., S. 29.
2) Janke, B., Naturpotential und Landnutzung III Nigertal
bei Niarney/Rep. Niger, Hannover 1973, S.
50.
3) Schiffers, H., Die SeBhaften, in: Schiffers, H.
(Hrsg.),
Die Sahara und ihre Randgebiete, Bd.
2, Humangeographie,
MUnchen 1972, S.
86.
4)
Siche zu diesen Angaben:
2r, K., Die algerische Re-
gion,
in: Schiffers, H.
(Hrsg.), Die Sahara und ihre
Randgebiete, Bd. 2, Humangeographie, a.a.O., S. 137.

-
196 -
Dieser ungewahnliche Wasserverbrauch in der Sahara und ih-
rer Peripherie hat zur Schatzung der Wasservorrate in die-
sem Raum AnlaB gegeben.
In sieben strukturellen Becken wer-
den 15,3 Milliarden Liter Wasser geschatzt, davon 1,8 Mrd.
in Niger'). Die hohe Evaporation, die Raritât und Unregel-
maBigkeit der Niederschlage fUhren bereits dazu, daB diese
Vorrate ohne Ersatz abgebaut werden.
Ferner erhaht der gesteigerte Wasserverbrauch die bereits
bestehende Gefahr der Versalzung und Alkalisierung der Sa-
harai
Natriumsalze
(NaC1, Na So ), aber auch Soda
(Naeo )
2
4
3
werden seit jeher in der Sahara und ihrer Peripherie fest-
gestellt. Salz war einer der Hauptbodenschatze der Sahara
vor der Entdeckung des Erdals.
"Die Ursachen der Versalzung
sind in der Eigenart des ariden Klimas zu suchen"2) . Gela-
ste Stoffe aus dem Grundwasser, also auch Natrilli~salze,
steigen auf.
Dank der hohen Verdunstung und der niedrigen
Niederschlagsmenge setzt sich das Salz an der Erdoberflache
ab. Man weiB, daB Natriumsalze fUr Pflanzen toxisch sind.
Durch diesen natUrlichen ProzeB wird nicht nur die land-
wirtschaftliche Produktion mittels der Bewasserung er-
schwert,
sondern auch die Trinkwasserversorgung, da die
Brunnen bei steigendem Wasserverbrauch einen haheren Salz-
gehalt aufweisen.
Wegen des Stickstoffmangels bei einem Humusgehalt von we-
niger a I s '
% ist die natürliche Fruchtbarkeit der subtro-
3
pischen Baden und der gesamten Sahelzone·gering ). Die Bo-
denerosion ist hoch. und nimmt durch die Überweidung und
1) Schiffers, H., Das Wasser in der Sahara, in: Schiffers,
H.
(Hrsg.), Die Sahara und ihre Randgebiete,
Bd.
1,
Physiogeographie, a.a.O., S.
422.
2)
Ganssen,
R., Die Baden,
in:
Schiffe~s, H.
(Hrsg.), Die
Sahara und ihre Randgebiete, Bd.
1, ebendort, S.
401
f.
3)
Finck, A.,
Pflanzliche und tierische Produktion in den
Tropen und Subtropen: Fruchtbarkeit tropischer Baden,
in: V. Blanckenburg, P.
(Hrsg.), Handbuch der Landwirt-
schaft und Ernahrung in ~ ~ ~icklungslandern, Stuttgart
1971, S.
103 f.

-
197 -
Entforstung an Bedeutung zu. Geographen und Geophysiker
stimmen in der Beurteilung überein, daB die Einflüsse des
Menschen in bezug auf Fauna und Flora der Sahara aIs nega-
1
tiv zu bewerten sind ). Vj.eles spricht also dafür, daB der
Mensch selbst zurn natürlichen ProzeB der Wüstenbildung
durch die Verwüstung seines Lebensraurnes beitragt.
1.5.2. Die Sahelzone aIs Wirtschafts- und Lebensraurn
Wie mit Fourastié festgestellt wurde, bietet die " na türli-
che Natur " dem Menschen nur ein begrenztes und bescheidenes
Leben. Die Vollnomaden, die Seminomaden und die SeBhaften
der Sahara und ihrer Randgebiete führen mit ihrer, den na-
türlichen Bedingungen angepaBten Wirtschaftsweise in der
Tat nur ein bescheidenes Leben.
Hacke und Sichel sind die Hauptwerkzeuge. Angebaut werden
in der Sahelzone vor allem Hirse, Sorgho und Mais für den
Selbstverbrauch. Landwirtschaftliche Erzeugnisse, die aus-
geführt werden, sind Datteln (Niger), Erdnüsse und Baum-
wolle, die sowohl in Niger aIs auch in Obervolta in der
Subsahelzone angebaut werden.
Wegen des geringen Humusgehaltes und des Mangels an Stick-
stoff ist zur Erhohung der Produktivitat die Verwendung
von Düngemitteln notwendig. Ferner sind Bewasserungsanla-
gen unumganglich, um der natürlichen Ariàitat dieses Rau-
mes entgegenzuwirken. Die Gefahren der Sa~zbildung und der
Alkalisierung, durch das aride Klima begünstigt, müssen
mit Erfolg urngangen werden. Eine erhohte landwirtschaftli-
che Produktion in der Sahelzone ist - mit anderen Worten -
nur zu erreichen durch einen hoheren Einsatz von Produkti-
onsfaktoren aIs in anderen Gebieten.
Niger und Obervolta verfligen aber no ch über freie Sied-
lungsraurne, die natürlich fruchtbarer sind aIs die aride
1) Capot-Rey, R., Le Sahara ~ran~ais, a.a.O., S. 95 ff.

-
198 -
Sahelzone.
In dieser Hinsicht ist die Bek~~pfung der Oncho-
zerkose und die Transferierung der Bevolkerung in die
fruchtbaren FIuBtaler zweckmaBiger aIs die Bemühungen um
1
die Bewasserung der Sahelzone ).
Auch der Viezucht sind in den ariden Gebieten beider Lan-
der enge Grenzen gesetzt.
Innerhalb der Zonen mit 4 bis 7
humiden Monaten ist der Zustand der Vegetationsdecke ein
2
partieller Hemmungsfaktor der Bodenerosion ). Nun führt
die Ausweitung der Viehzucht in der Sahara und ihren Rand-
3
gebieten vor allem in der Trockenzeit zur überweidung ) und
damit auch zur erhohten Abtragung der Humusschicht.
lm Sa-
hel wird angenommen, daB der Grenzwert von 12 Rindern je
4
qkm noch nicht überschritten ist ).
Es handelt sich jedoch um einen Durchschnittswert, bei dem
man von einer gleichmaBigen Belastung des Weidegebietes
ausgeht, was keinesfalls der Realitat entspricht. Wegen
der Lange der Wanderwege -
Kameinomaden bis 1000 km,
Rin-
dernomaden bis 200 km, Seminomaden und SeBhafte mit nahen,
abgegrenzten Weidebezirken - werden die Weiden erst verIas-
5
sen, wenn die Futtermasse auf ein Minimum gesunken ist ).
Die Ausweitung der Viehzucht in der Sahelzone zur Anhebung
des Lebensstandards der Bevolkerung in diesem Raum schei-
tert also an den natürlichen Grenzen des ariden Klimas.
1)
In diesem Zusammenhang lauft bereits in Obervolta ein
von der Weltgesundheitsorganisation unterstütztes Lang-
zeitprogramm zur Gewinnung von 9 700 qm Bodenflache bis
1988.
2) Mensching, H., Beobachtungen und Untersuchungen zur Geo-
morphologie der Sudan- und Sahelzone (Obervolta und Ni-
ger) ,
in: Mensching, H., GieBner, K.,
Stuckmann, G.,
Sudan-Sahel-Sahara, a.a.O., S.
37; Hervorhebung nicht
im Original.
3)
Schiffers, H., Die Nomaàen,
in: Schiffers, H.
(Hrsg.),
Die Sahara und ihre Randgebiete, Bd.
2, Humangeographie,
a.a.O., S.
49.
4)
Siehe dazu: RéunïonTechnique sur les Problèmes du Noma-
disme dans la Région du Sahel en Afrique, Niamey, Sep.
1968,
S.
16.
5)
ZUr Lange der \\'ii'anderwege __,h;ne: Schiffers, IL, Die Noma-
den,
in: Schiffers, H.
(Hrsg.), Die Sahara und ihre Rand-
gebiete, Bd.
2, Humangeographie,
a.a.O., S.
50.

-
199 -
Die zukünftigen wirtschaftlichen Grundlagen der Sahara und
ihrer Randgebiete stellen ihre natürlichen Schatze und wahr-
scheinlich auch die zunehmenden Bedürfnisse der Dienstlei-
stungsgesellschaft nach Freizeitgestaltung dar.
Die Haupt-
bodenschatze der Sahara und ihrer Randgebiete sind Kohle,
Kobalt, Kupfer,
Zinn, Wolfram, Kolumbit, Eisen, Mangan,
1
Gold, Phosphate, Salz, Uran, Erdol und Erdgas ).
Die Uran- und K?pferlager in Niger, die Mangan- und Phos-
phatgruben Obervoltas las sen die Hoffnung entstehen, daS
die Sahelzone industrialisiert werden kann. Es besteht aus-
serdem die begründete Aussicht, die Solarenergie dieses
Gebietes nutzbar zu machen. Vielleicht gelingt es auch,
dank des Uberflusses an Finanzmitteln, die Wasserversor-
gung durch Meeresentsalzung und durch Transport des gewon-
nenen Wassers über mehr aIs 1000 ~n zu sichern. Diese Stra-
tegie wird bereits in Kuweit erprobt, allerdings oh ne Er-
folg. Wegen des Wassermangels für die industrielle Ferti-
gung und der Enge des Inlandsmarktes muS das Land 70 % der
2
Staatsreserven im Ausland investieren ). Die Ausbeutung
der natürlichen Ressourcen der Sahara und ihrer Randgebie-
te impliziert also nicht, daB mehr Menschenn in diesem
Raum leben werden.
Auch der moderne Wüstentourismus vermag nicht allen Noma-
den und SeBhaften der Sahelzone eine sicher Existenzgrund-
lage zu bieten.
Der Transfer der Menschen aus dieser Region erscheint uns
aufgrund der dargelegten Zusammenhange aIs der okonornische
Ausweg sowohl für den Menschen aIs auch fUr die Natur. Eine
Regeneration der noch regenerierbaren Gebiete des Sahels
1) Furon, H., Geologie und Bodenschatze, in: Schiffers, H.
(Hrsg.), Die Sahara und ihre Randgebiete, Bd.
1, S.
144.
2)
Siehe dazu : Rachid, C., Et dans trente ans, quoi? in:
Afrique-Asie, Nr.
95, Nov.
1975, S.
17 ff.

-
200 _.
ware zu erwarten. Mehr noch r die betroffenen Staaten kan-
nen dazu übergehen, wie es bereits in einigen Siedlungs-
zentren der Sahelzone geschieht, nicht nur durch Verzicht
auf Weidegebiete,
sondern auch durch Aufforstung den na-
türlichen ProzeB der Wüsenbildung zu verlangsamen, viel~
1
leicht sogar zu stoppen ).
1.5.3. Die Umsiedlung der Wüsten- und Sahelzonenbevolke-
rung
Dieses Teilmodell, das nur für Niger und Obervolta konstru-
iert ist, wird aIs Sahelzone bezeichnet. Wir gehen davon
aus, daB nicht aIle Personen aus dem Wüstengebiet abgezo-
gen werden kannen; damit tragen wir dem Ulnstand Rechnung,
daB trotz intensiver Versuche, aus den Nomaden SeBhafte zu
machen, die Transhumanz nicht eingedfunrnt werden konnte.
Wie aus Fig. II,13 hervorgeht, stellt DSZB die durchschnitt-
liche Sahelzonenbevolkerung dar. Für die Republik Niger
rechnen wir mit einer Durchschnittszahl von 270 000 Perso-
nen.
1) Aus verschiedenen Informationsquellen geht hervor, daB
die Aufforstung der Sahelstaaten aIs dringend notwendig
angesehen wird. Abgesehen von einigen Gemeinden geschieht
auf Landesebene nichts. Siehe dazu: Souleymane, J.,
Bouza,
in: Sahel, Nr. 080 vom 3. Juli 1974, S.
1; "On
a longtemps parlé du repeuplement du betail dans notre
pays: dans l'état actuel des choses,
le repeuplement de
la nature doit prendre le pas sur celui du bétail"; S.
6.

-
201 -
Fig. II,13: Die Sahelzone
DSZB
DLM
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bNI
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/
t .
Durch-
~:~~~~:s/ /fl0~~;::::)nenbe,ôlk/,
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1
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betroffenen
?AMP
LM
\\ .
. ST~L'M
Personen
,~-------
J
Stepzeit
' - . . /
L/l1
Es besteht keine Übereinstimmung darüber, wie viele Hen-
schen im Sahel leben. Auch die 1968 von der Internationa-
len Arbeitsorganisation in Niamey veranstaltete Tagung'
über die Probleme des Nomadismus konnte in dieser Hinsicht
kein gesichertes Ergebenis erzielen. Man ist nach wie vor
auf Schâtzungen angewiesen. Die angeführte Zahl von DSZB
wurde uns in Niamey genannt und hat in diesem Rahmen nur
einen heuristischen Werti es solI transparent gemacht wer-
den, in welchem AusmaBe die Sahelzonenhilfe die gesamten
" produktiven" Investitionen schmâlern und damit die Entwick-
lung retardieren bzw. die Arbeitslosenquote anschwellen
lâBt.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, daB nicht jeder aus
der Sahara bzw.
ihren Randgebieten ausgesiedelt werden moch-
te. Die Resultante der Faktoren, die die übersiedlung ermog-
lichen, wie Hungersnot, Wasserversorgung durch Brunnenbau,

-
202 -
1
Sanitarstationen, psychologische Beeinflussung ), fassen
wir unter der Bezeichnung Übersiedlungsmultiplikator - UEM
-
zusammen. Die Bezeichnung ist insofern irreführend, aIs
UEM nicht den Prozentsatz derjenigen darstellt, die über-
siedelt worden sind, sondern derjenigen, die erst spater
in andere Gebiete transferiert werden kannen.
UEM ist eine Rampenfunktion: ,
G59.
A
UEM.K=DUEM-~~P(RSTU,RANU)
C
DUEM=1
(Durchschnittlicher Koeffizient des tlber-
siedlungsmultiplikators
C
RSTU=.002
C
RANU=1970
GemaB unseren Informationen, die dieser Konstruktion zu-
grunde liegen, konnten 1970 nur knapp 10 % der Bevolkerung
aus der Sahelzone ausgesiedelt werden
(1-0,002=0,098,
G59.)2). Bis zum Jahre 2010 solI sich diese Relation urnkeh-
ren, d.h. daB dann Dur noch etwa 8 % der ursprlinglichen Be-
valkerung in der Sahelzone Nigers leben. Man kann in diesem
Zusammenhang über den zukünftigen tatsachlichen Effekt ge-
teilter Meinung sein, da sich die Daten über das Sahelge-
biet nicht eindeutig interpretieren lassen.
Die Konzeption dieses Gleichungstyps solI die Vorstellung
konkretisieren, die wir uns aufgrund der erhaltenen Infor-
mationen über die Entwicklung der Sahelzone machen. Mit Hil-
fe des Multiplikators UEM und der Konstanten DSZB, also der
durchschnittlichen Sahelzonen-Bevalkerung, kannen wir die
Zahl der noch zu übersiedelnden Sahelzonen-Bevalkerung -
1) Siehe dazu: Beuchelt, E., Psycholog'ische Problematik
eines kulturgeographischen Raumes,
in: Schiffers, H.
(Hrsg.), Die Sahara und ihre Randgebiete, Bd.
2, Human-
geographie, a.a.O., S.
463,ff.
2)
Die Annahme ist nicht willkürlich,
sie beruht auf Anga-
ben, die uns yom sta tiSl
',cm JI.mt der Republik Niger
gemacht worden sind. Han sprach von 8 oder 9 %.

-
203 -
ZSB - ermitteln:
GGO.
A
SZB.K=UEM.K*DSZB
C
DSZB=270E6
Nur ein Teil dieser Bev6lkerung ist unterstützungsbedürf-
tig bzw. erhalt tatsaehlich Hilfe von der Regierung. Wir
bezeiehnen diesen Anteil mit ABP, Anteil der betroffenen
Personen. ABP ist wie UEM ebenfalls eine Rampenfunktion.
Zur Bestimmung der Sahelzonenhilfe -
SZH - wird ein sog.
Lebensminimum - LM -
festgelegt.
LM ist der Geldbetrag in
DM, der jedem der betroffenen Individuen ein MindestmaB
an Lebensunterhalt gewahrt. Der durehsehnittliehe Wert des
Lebensminimums - DLM - betrMgt von 1970 bis 1990 DM 180,--
pro Jahr, etwa 18 000 Fefa. Es wird also angenommen, daB
die Regierung pro Person und pro Jahr 18 000 Franes efa
aufbringen muB, um den Hungertod der Betroffenen in der
Sahelzone zu verhindern. Ab 1990, der Stepzeit STZLM, müs-
sen pro Kopf DM 200,-- aufgebracht werdeni die Stephëhe,
STHLM, betragt DM 20,-_1).
G61.
A
SZH.K=SZB.K*ABP.K*LM.K
Mit dieser Gleiehung bestimmen wir die Summe der Hilfelei-
stungen an die Sahelzonen-Bevëlkerung. Dieser Betrag wird
von den gesamten Neuinvestitionen - GNI -
abgezogen um EGNI,
die effektiven Neuinvestitionen zu ermitteln.
G62.
A
EGNI.K=GNI.K-SZH.K
1) Weder in Niamey noeh in Ouagadougou (Obervolta)
konnte
mir mitgeteilt werden, wieviel die Sahelzonenhilfe pro
Kopf der Betroffenen kostet. Die 18"000 Fefa pro Jahr
sind tatsaehlieh nur für das physisehe Existensminimum
gedaeht. Die Annahme eines hüheren Wertes des LM führt
zu einer nur rüeklaufigen Wirtsehaftsentwieklung. Die-
ser Saehverhalt wird spater genauer dargestellt.

-
204 -
GemaS der Modellkonzeption wird die Sahelzonenhilfe nicht
als "produktive"
Investition angesehen, da die Bev6lkerung
Mittel à fond perdu erhalt, die nicht zur Verbesserung der
natUrlichen Verhaltnisse im Sahel beitragen. Da wir ferner
die Arbeitslosigkeit untersuchen, muS die Sahelzonenhilfe
- SZH - von den gesamten Investitionen abgezogen werden,
weil sie praktisch keine Arbeitsplatze schafft.
Mit dieser überlegung sell gezeigt werden, daB derjenige
Teil der Ausgaben fUr die Sahelzonenbev6lkerung, der mit
dem Transfer der betroffenen Personen verbunden ist, den
Staatshaushalt belastet, die H6he der gesarnten Investitio-
nen reduziert und nicht zur Senkung der Arbeitslosenquote
beitragt. Mit der Sahelzonenhilfe werden also die wirt-
schaftlichen Probleme der Sahelstaaten eher verscharft als
ge16st. Wegen der natUrlichen Gegebenheiten, die wir kurz
dargestellt haben,
schrieb Capot-Rey schon vor mehr als 20
Jahren:
"Il n'y a pas de r~gion au Sahara od la culture as-
sure â celui qui en fait son occupation exclusive un niveau
de vie décent. L'inefficacité des procédés d'irrigation et
l'épuisement des terres limitent à la fois la surface cul-
tivable et le rendement des cultures"1).
Aufgrund der hohen Ariditat der Sahelzone -
150 bis 300 wm
Niederschlag pro Jahr - gilt die Aussage Capot-Reys auch
fUr dieses Gebiet. Die wirtschaftlich zweckmaBige Konse-
quenz ist der Transfer der Bev6lkerung aus diesem Raurn.
Diese Konsequenz einsichtig zu machen war 'der Ausgangspunkt
2
des vorgestellten Teilmodells ). Die eigentliche übersied-
1) Capot-Rey, R., Le Sahara Fran~ais, a.a.O., S. 366.
2)
UrsprUnglich war beabsichtigt, ein detailliertes Teil-
modell fUr eine Politik der Übersiedlung zu konstruie-
ren. Es hat sich bei den Basislaufen herausgestellt,
daB die dargestellte reduzierte Form fUr unsere Problem-
stellung voll ausreicht. Eih Submodell fUr die ganze Re-
gion erfordert genaue sta~istische Daten, die noch nicht
vorliegen.

-
205 -
1
1ung, sofern die Bevo1kerung sich dazu überzeugen 1aBt )
und wenn sie im Rahmen der afrikanischen Traditiona1ord-
nung erfo1gt, unterscheidet sich in nichts von der Grün-
dung neuer Dorfgemeinschaften, die ohne Zutun der Regie-
rung in Westafrika entstehen. Die Finanzhi1fe kann sich
auf ein Minimum beschrankeni
sie dient im Norma1fa11 deX'
2
UberbrUokung einer Ernteperiode
). Dagegen muE die augen-
i
b1ick1iche Sahelzonenhi1fe zur UberbrUckung der DUrrepe-
riode a1s eine auf Dauer gerichtete Desinvestition angese-
hen werden: Der ProzeB der WüstenbiJ.dung wird gefërdert
und damit dem Menschen zu periodischen Hungersnëten ver-
ho1fen.
1)
"A11gemein bekannt ist die Abneigung der Vo11nomaden
gegen jeg1iche Art der Reg1ementierung"i
dazu: Schiffers,
H., Die Nornaden,
in Schiffers, H.
(Hrsg.), Die Sahara
und ihre Randgebiete, Bd.
2, Humangeographie, a.a.O.,
S.
53.
2) Das Experiment der Ujamaa-Dërfer zeigt, daB die traditi-
one11e afrikanische Gese11schaft auch heute noch auf die-
se Weise in neue Lebensraume vordringt. Siehe dazu:
Künschner, F., Ujamaa-Dërfer in Tansania: das Beispie1
Ma1i1i,
in: Afrika Spectrurn, Nr.
1, 1973, S. 88 ff.

-
206 -
Teil I I I
Modellexperimente,
Modellvaliditat und
Erkenntnisgewinnung

-
207 -
1. Logische und empirische Probleme der Modellgültigkeit
IIDie Gültigkeit und die Brauchbarkeit eines dynamischen
Modells sollte nicht vor dem Hintergrund einer imagin~ren
Perfektion beurteilt werden,
sondern immer nur im Vergleich
mit den geistigen und deskriptiven Modellen, die wir sonst
benutzen würden Il1 ). Diese Auffassung Forresters kann nur
aIs erster Schritt verstanden werden zum wissenschaftli-
chen Ziel der Modellkonstruktion: der Theoriebildung.
Es ist zweckmaBig, bei der Beurteilung der Modellvalidit~t
zwei Prüfebenen voneinander explizit zu unterscheiden: die
2
logische Ebene und die empirische Ebene ). Ferner halten
wir es für unerl~Blich, darauf hinzuweisen, daB die Begrif-
fe Gül tigkei t
und Brauchbarkei t
in diesem Zusammenhang kei--
ne Synonyma sind;
sie haben unterschiedliche Vorstellungs-
inhalte.
Ein Modell ist logisch gültig,
logisch wahr, wenn es dem
formallogischen Algorithmus genügt bzw.
seinen Grundregeln
nicht widerspricht. Dieser Satz ist heute unumstritten ~nd
gilt für aIle Wissenschaften; wir wollen deshalb nicht n~­
her darauf eingehen;
folgende Bemerkungen sollen jedoch
Erw~hnung finden:
Eine der logischen Adaquatheitsbedingungen besagt, daB ein
Explanandum -
ein zu erkl~rendes Ph~nomen -
eine logische
3
Folge des Explanans sein muE ). Für die Konstruktion von
1) Forrester, J.W., Grunds~tze einer Systemtheorie, a.a.O.,
S.
77; die Hervorhebung steht nicht im Original.
2)
Diese Einteilung ist bei Forrester nicht explizit zu
finden;
beide Ebenen gehen ineinander über, was wahr-
scheinlich damit zusammenhangt, daB. der Autor " va li-
dity" und " s ignificance" oft gleichsetzt:
IIThe validity
(or significance)
of a model should be
judged by its suitability for a particular purpose", in:
Industrial Dynamics,
a.a.O., S.
115.
3)
Zu den Adaquatheitsbedin0'1ngen siehe: Hempel, C.G., As-
pects of scientific expl
ion, New York, London 1965,
S.
247 f.

-
208 _.
Modellen bedeutet dies z.B., daB die Auswahl der Systeme-
lemente so zu erfolgen hat,
daB das Modellverhalten durch
die Interaktion der Elemente erklart werden kann. Ein Ent-
wicklungslandermodell, das auslandische Investitionen un-
berlicksichtigt laBt und dennoch eine Erklârung flir den mas-
siven Gewinntransfer aus der Dritten Welt liefern wlirde,
ware in diesem Punkt logisch ungültig.
Beim Studium der Literatur liber das Validitatsproblem
stellt sich heraus,
daB "metaphysische", d.h.
nichtempiri-
sche Fragen mit empirischen Problemen verwechselt bzw.
gleichgesetzt werden.
Dm dies kurz zu demonstrieren, be-
trachten wir die zwei wichtigsten Spektren der Modellglil-
tigkeit: die Modellstruktur und das Modellverhalten. Wie
aus der Systemtheorie bekannt ist, kann Struktur als das
Netz der Beziehungen zwischen Systemelementen definiert
werden.
Ein volkswirtschaftliches Modell enthalt eine Flil-
le von Beziehungen, die auf ihre logische Gliltigkeit liber-
prlift werden mliBten.
Unser Wissen um die sozio-ëkonomi-
schen Zusammenhange ist noch sa llickenhaft, daB wider-
sprlichliche Verknlipfungen zwischen Systemelementen nicht
von vornherein ausgeschlossen sind. Logische Verknüpfungen
kënnen auBerdem unterlassen werden
wenn uns deren Rlick-
1
kopplungseffekte nicht bekannt sind.
"We can never prove
that any model is an exact representation of
'reality,,,1).
Logisch falsche Verknlipfungen von Systemelementen kënnen
zu "unsinnigem" Modellverhalten führen.Zür Identifikation
derartiger Fehler wird bei der Modellvalidierung der sog.
Plausibilitatstest durchgeflihrt.
Plausibilitat und Implau-
sibilitat hangen aber von den VorsteZZungen ab,
die wir
uns von der Entwicklung der Dinge machen. Forrester selbst
sagt, daB soziale Phanomene sich "kontra-intuitiv" verhal-
ten, was bedeutet, daB wir uns letzten Endes nicht auf den
1) Forrester, J.W., Princi p 1 ~s of Systems, a.a.O., S.
3-4.

.- 209 -
Plausibilitütstest verlassen dUrfen.
"The first test of a
model is to dernand that its behavior not be obviously im-
plausible,·1). Woher wissen wir, ob ein Modell gUltig ist,
mit der Realitüt UbereinstirruTIt? Die Frage nach der Modell-
validitat ist nur empirisch entscheidbar. Ein Stadtplan ist
aIs Modell empirisch gUltig, wenn die in ihrn enthaltenen
Angaben an den gezeigten Stellen in der "Realitat Stadt" .
vorzufinden sind. Erst wenn wir die Frage nach der Identi-
tüt zwischen Reprüsentation (Modell)
und Realitat aIs ernpi-
rische Frage stellen, konnen wir eine Antwort darauf geben.
Das empirische Validitütsproblem von Modellen ist also
identisch mit den Problemen der faktischen Wahrheit bzw~
Falschheit theoretischer Konstruktionen.
Demzufolge mUs-
sen die Systemelemente,
ihre funktionalen VerknUpfungen
und die Ergebnisse des Modellverhaltens empirisch prUfbar
sein. Realmodelle, die dieser Anforderung genügen,
sind
nicht empirisch valide, gUltig,
sondern noch nicht falsi-
fiziert.
Wir halten es fUr zweckmüBig, daB Modellbauer
ihre Sprache an diejenige der Epistemologie angleichen,
zumindest was Implementierung und Validierung von Model-
len anbelangt. In beiden Füllen steht der Erkenntnisfort-
schritt im Vordergrund: die Suche nach Konformitüt und
Duplizitüt zwischen Modell und Realitat ist ein epistemo-
logisches Problem.
In diesem Zusarnrnenhang halten wir den Hinweis fUr bedeut-
sam, das
Modellbauen
aIs Instrument zur Entdeckung von
UberprUfbaren Theorien aufzufasseni dies hütte den doppel-
ten Vorzug, erstens den unfruchtbaren Boden des Modellpla-
tonismus zu verlassen und zweitens ein Instrumentariurn für
theoretisch fundierte Prognosen zu liefern. Erst die Modell-
experimente haben es Forrester ermoglicht, die Hypothese
1) Forrester, J.W., Industrial Dynarnics, a.a.O., S.
119.

-
210 -
aufzustellen, daB soziale Systeme sich "counter-intuitive"
1
verhalten ) •
Rechenbare Modelle haben gegenüber sog. verbalen Modellen
den unbestreitbaren Vorteil der mathematischen Prazision;
dort, wo Rückkopplungsschleifen die Komplexitat der Zusam-
menhange veranschaulichen, wird auBerdem wesentlich dazu
beigetragen, die sozio-ëkonomischen Probleme transparenter
zu machen. Das Rechnen macht es also mëglich, kontra-intu-
itive Entwicklungen aufzuzeigen. Dennoch glaube ich, daB
Modellbauer sich nicht (mehr) mit dem Hinweis auf derar-
tige Vorteile begnügen dürfen. Es geht ja nicht darum, Com-
puter-Modelle gegen Mental-Modelle zu verteidigeni unser
Anliegen müBte es vielmehr sein, den Erkenntnisfortschritt
zu fërdern:
"A model is a statement of a
'law behavior,,,2).
Die Suche nach diesen Verhaltensgesetzen müBte uns nunmehr
interessieren.
Die Brauchbarkeit eines Modells ergibt sich aus seiner Va-
liditat: Dadurch, daB die Angaben eines Stadtplanes an den
gezeigten Stellen in der Realitat vorzufinden sind, ist der
Stadtplan brauchbar. Hier muB man jedoch zwischen dem 50-
zial-Modell aIs MeBinstrument - Frage der Realitat -
und
den MeBergebnissen unterscheiden. Ein Modell kann ungültig
sein,
z.B.
logische Vlidersprüche enthalten und dennoch
"richtige" MeBergebnisse liefern. Sowohl wahre aIs auch
falsche Schlüsse kënnen uns aus einem widerspruchsvollen
System deduziert werden.
Ferner steht heute auBer Zweifel, daB mit einem komplexen
Modell praktisch jede gewünschte Entwicklung generiert wer-
den kann.
Deshalb erscheinen Verhaltensvorhersagen, die auf
1) Forrester, J.W., Counter-intuitive Behavior of Social
Systems,
in: Technology Review, Vol.
73,
1971, S.
53-68.
2) Forrester, J.W.,
Industrial Dynamics, a.a.O., S.
123.

-
211 -
komplexe und aggregierte Modelle ztirUckgehen, ~uBerst pro-
blematisch hinsichtlich ihrer Zuverlassigkeit.
Sicher k6nnen wir Modelle im Sinne des lnstrumentalismus
1
einsetzen ). Die Menschen konnten sich immer Naturgesetze
und sozia16konomische GesetzmaBigkeiten nutzbar machen,
ehe sie wissenschaftstheoretisch erkl~rbar waren. Bei aus-
reichender Homomorphie kann ein Modell das Verhalten eines
realen Ph~nomens duplizieren und seine Entwicklung vorher-
sagen, die Modellgrenzen bleiben so undurchlassig wie man
2
sie annimmt ). Solange die Modellergebnisse nicht an der
Realit~t scheitern, bleibt das Modell aZs Instrument gUl-
tig.
Dieser instrumentalistische Charakter des Modells begrün-
det und beschr~nkt zugleich seine Flexibilitat im Einsatz.
Modelle sind, wie Spezialmaschinen, nur fUr bestimmte Zwek-
ke konstruiert.
lm Gegensatz zu Theorien ist ihre Anwendung
nur sinnvoll bezogen auf ein vorgegebenes ZieZ.
Bew~hrtef
noch nicht widerlegte Theorien weisen eine gr6Bere Flexibi-
lit~t auf, die es uns m6g1ich macht, die Gestaltung und
Kontrolle unserer komplexen sozio-ëkonomischen Welt siche-
rer in den Griff zu bekoœ~en.
Die dargestellten Grundprobleme der Modellvaliditat sind
zugleich aIs kritische Stellungnahme zu der vorliegenden
Modellkonstruktion zu verstehen. Wir empfinden es aIs un-
befriedigend, mit dem Modell nur zur Transparenz einiger
Grundprobleme der Entente-Lander beizutragen. Die Modell-
1)
Siehe dazu: Friedman, M., Essays in Positive Economies,
Chicago, London 1953, S.
14 ff.
2) Nach den methodologischen Grundlagen des System-Dynamics-
Ansatzes muB ein Modell gegen seine aIs I1 neu tral l1 anzu-
sehende Umwelt abgegrenzt werden; das heiBt, aIle Ele-
mente, die fUr das Modellverhalten relevant sind, dUrfen
nicht in der Umwelt des Modells liegen, sondern müssen
im Modell enthalten seir:

-
212 -
ergebnisse sind keine exakten Vorhersagen, weil sie auf
keiner Realtheorie basieren. Wenn behauptet wird, daB im
Jahre 2010 die Bevëlkerungszahl Dahomeys
(Benin)
auf 6,3
Millionen ansteigen wird,
so stellt diese Aussage keine
exakte Prognose dari es handelt sich um einen statisti-
schen Annaherungswert. Es gibt zur Zeit keine Bevëlke-
rungstheorie, die derartige Punktvorhersagen erlauben
kënnte.
Es ist liberhaupt ein Wagnis, ein Modell flir einen "ruhe-
losen Kontinent", wie Italiaander Afrika mit Ironie be-
zeichnet,
zu entwerfen. AIs mit dieser Modellkonstruktion
begonnen wurde, wollte ich auch in Dahomey nach statisti-
schen Unterlagen suchen. DamaIs wuBte niemand, daB das
Land vor dem ModellabschluB seinen Namen andern und eine
neue Staatsform annehmen wlirde. Dahomey heiBt heute Volks-
republik Benin; dadurch haben sich zumindest formaI \\virt-
schafts- und Gesellschaftsverfassung grundlegend geandert.
Wesentliche Annahmen des Modells mlissen geandert, die Sy-
stemgrenzen neu festgelegt werden. Auch die " neu trale" Um-
welt hat neue Formen angenommen: nicht mehr die westlichen,
sondern die kommunistischen Lander sind nun die engen Ver-
blindeten der neuen Republik.
Zur Erhebung der Primardaten flir die Modellkonstruktion
wurde ein Fragebogen ausgearbeitet und liber die akkredi-
tierten Botschaften in Bonn an die einzelDen Entente-Lan-
der weitergeleitet. Sechs Wochen spater habe ich die En-
tente-Lander bereist, um in direktem Gesprach mit dem Fach-
personal der Entwicklungsplanung die Fragen zu erganzen.
Die statistischen Informationen, die ~ch erhalten konnte,
sind teilweise geschatzte Daten und reichen nicht einmal
aus, um elementare Gleichungen des Modells mit Anfangswer-
1
ten zu versehen ). Aus diesem 'Grunde muBte eine Reihe von
1)
lm Anhang ist der "ausgefüllte" Fragebogen aus Niger
aIs Beispiel wiedergegeben.

-
213 -
Anfangsdaten, die vor allem für die Level-Gleichungen no-
tig sind, auf heuristischem Wege festgelegt werden. Eine
empirische Validierung dieser Daten bleibt problema-cisch.
Wozu dann dieses Modell?
Aufgrund unserer antizipatorischen Fâhigkeiten sind wir
dazu angehalten, uns Zukuhftsvorstellungen zu machen.
Die
Frage ist aZso nicht ob~ Bonqern weZche ModeZZkonstrukti-
onen aZs GrundZagen für unsere Entscheidungen dienen soZ-
Zen.
Wir stellen hier mogliche Zukunftsbilder über die Ent-
wic~lung
1
in Afrika vor,
"ein GevJebe von Vermu tungen" also ).
"Dlese Einsicht mahnt zur intellektuellen Bescheidenhei t" 2) .
Nach unserer Auffassung bedeutet dies aber nicht, daB Mo-
dellergebnisse gegen die Widerlegung immun sind bzw. dazu
gemacht werden sollen. Auch wenn die Rechenergebnisse aIs
statistische Annâherungswerte gelten müssen, stellen sie
Behauptungen über die Realitât dar und müssen ais solche
auch an der Realitât scheitern k6nnen. Aufgrund der Unsi-
cherheiten, die mit den statistischen Grundlagen des Mo-
dells verbunden sind, muB bei der Gültigkeit der Rechener-
gebnisse mit einer Abweichung von ± 10 % gerechnet werden.
Danach kann beispielsweise die Bevolkerung Dahomeys
(Benins)
im Jahre 2010 nicht mehr aIs 6,93 Millionen und nicht we-
niger aIs 5,67 Millionen betragenj dies gilt auch für die
anderen Ergebnisse unter Berücksichtigung der gemachten An-
nahmen.
Wir wollen diese Betrachtungen über die Modellvaliditat
nicht abschlieBen ohne zu wiederholen, daB unsere Vorgehens-
weise bei der Modellkonstruktion mehr ist aIs nur instru-
mentalistisch. Wir stützen uns auf die allgemeine Behaup-
1} Popper, K.R., Logik der Forschung:
"Unser Wissen ist
ein kritisches Raten; ein Netz von Hypothesen;
ein Ge-
webe von Vermutungen"~ Hervorhebung im Original, Vor-
wort zur Dritten Deutschen Auflage, a.a.O., S. xxv.
2)
Popper, K.R., Logik der P-rschung,
ebenda.

-
214 -
tung,
daB im EntwicklungsprozeB Humaninvestitionen, Sach-
und Kapitalinvestitionen vorgelagert sind. Wenn die Enten-
.te-Lander eine die arbeitsfahige Bevolkerung integrierende
Entwicklung vollziehen wollen, dann müssen sie zunachst
ihr Menschenpotential aIs ihr Investitionspotential be-
trachten und entsprechend einsetzen. Das Modellverhalten
scheint diese Hypothese nicht zu widerlegen.
2. Verhaltensdynamik des Modells
2.1. Basislaufe
Ablauftechnisch folgt auf die Validierungstests die Dar-
stellung der Verhaltensdynamik des Modells. Diese Darstel-
lung umfaBt zwei Phasen: die Basislaufe und die Modellexpe-
rimente
(Szenarien) 1). Es gilt nun,
in diesem letzten Kapi-
tel der Untersuchung, die Verhaltensdynamik des Modells zu
analysieren und gegebenenfalls auch zu interpretieren.
Basislaufe, auch Standardlaufe genannt, reprasentieren die
"normale" Entwicklung, die sich aus den Interaktionen der
Systemelemente, d.h.
ohne zusatzliche Modifikation von aus-
sen, ergibt. Die Verhaltensdynamik wird also generiert aZ-
Zein durch die systemimmanenten Veranderungen.
Es ist in
diesem Zusammenhang nicht zutreffend, von einer Trendextra-
polation zu sprechen, wie es gelegentlich geschieht. Bei
einem Standardlauf geht man nicht davon aus, daB ein beob-
achtetes Verhalten sich fortsetzen wird.
pie Komplexitat
sozialer Systeme und die oft festgestellte kontraintuitive
Entwicklung solcher Gebilde las sen bei System-Dynamics-Mo-
dellen diesen epistemologischen Glauben bei Trendextrapola-
polationen nicht zu.
1) Die angegebene Abfolge ist kein sequenzieller ProzeB
in dem Sirme, daB die einmal abgeschlossene Phase nicht
mehr wiederkehrt. Modellexperimente konnen dazu führen,
daB neue Validierungstests durchgeführt werden.

-
215 -
Die Evolution der Arbeitslosenquote spielt in unserer Un-
tersuchung eine entscheidende Rolle.
Die Ergebnisse der
Standardlaufe aller Entente-Lander, die Elfenbeinküste ein-
geschlossen,
lassen, wenn nichts anderes geschieht,
eine
Zunahme der Arbeitslosenquote erwarten. Tabelle 8 zeigt,
stellvertretend für aIle Lander der Entente, die
Entwick-
lung in Togo. Von 1970 bis zum Jahre 2000 steigt die Ar-
beitslosenquote kontinuierlich. Ab 2010 -
2005 noch nicht
-
sinkt die Quote leicht auf 54,7% ab. Der leichte Rück-
gang hangt mit der erhehten Investitionsquote
(IQ)
zusam-
men.
In den übrigen Landern verlauft die Entwicklung ahll-
lich. Niger verzeichnet die hechste Arbeitslosenquote im
Jahre 2010:
62,7 %i die Elfenbeinküste die niedrigste:
53,8 %.
Tabelle 8: Die Entwicklung der Arbeitslosenquote
(ALQ in %),
der Investitionsquote
(IQ in %)
und des Brutto-
sozialproduktes pro Kopf
(PKEB in DM)
in Togo
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2010
ALQ
43
48
51,49
52,67
53,9
54,57
55
54,7
IQ
16,8
17,12
17,3
17,54
17,9
18,57
19,80
23
PKEB
360
389,6
458
437
621
743
770
828
Plastischer .und informativer aIs die Tabelle 8 ist die
1
Fig.
l, 7a ). Die Anzahl der 13eschaftigten .im Traditional-
Sektor nimmt standig ab
(Kurve I). Dieser Verlauf ent-
spricht der allgemeinen Tendenz , auf die Fourastié nach-
1) Die Fig.
I,7a ist eine Reproduktion der Cornpuper-Gra-
phik Fig.
I,7b, die im Anhang steht. Bei der Program-
mierung werden die graphisch darzustellenden Parameter
auf einer speziellen Steuerkarte kenntlich gemachti
hier stehen: A für die arbeitsuchenden
Personen
(ASP),
Q für die Arbeitslosenquoté
(ALQ)
usw.
Um die Fig.
I,7a in diesor GreEe zu erhalten, wurde das
ursprüngliche Format aufl':".l Fotokopiergerat RANK XEROX
7000 auf Stufe 5 verkleinert und das verkleinerte Bild
no ch einmal auf derselben St~fe verkleinert.

_. 216 -
drücklich hingewiesen hat~ die quotenmaBige Verschiebung
der Beschaftigten vorn prunaren zum sekundaren und von die-
1
sem ZUJ,l1 tertUiren Sektor ).
In den Entwicklungslandern
Westafrikas handelt es sich jedoch um keinen "normalen"
Ablauf des Freisetzungsprozesses. Dem Rückgang der Be-
schaftigten im Traditional-Sektor steht eine Zunahme der
Arbeitslosen im Modern-Sektor
(Kurve A)
gegenüber.
Fig. 1,7a: Die Evolution der Beschaftigungssituation
ALQ = Arbeitslosenquote (Q)
ASP = Arbeit.suchende Personen (A)
EPM = Erwerbspersonen im MS (E)
1PT = Erwerbspersonen im TS (1)
ALQ
ASP
EPM
1PT
1
1
1980
1990
2000
2010
Zeit
1)
Fourastié, J., Die groBe Hoffnung des Zwanzigsten Jahr-
hunderts,
3. Auflage, KaIn 1954, siehe auch dort die
graphische Darstellung auf S.
135 bzw.
S.
136.

-
217 -
Bekanntlieh füh~t Fourasti& diese verânderung der Besehâf-
tigungsstruktur auf den technischen Fortsehritt zurüek.
Die Kapitalintensitât repr~sentiert im Modell den teehni-
sehen Fortsehritt. Wie die Modellsimulation zeigt r hat die
Kapitaiausstattung pro Arbeitsplatz, der technische Fort-
sehritt, einen entscheidenden EinfluB auf die Entwicklung
der Besehâftigungssituation in den Entente-Lândern. Die
These Fourasti~s bestâtigt sieh. Die Auswirkungen des
Fortschritts sind in der Dritten Weit anders aIs in den
Industrielandern.
Die Mechanisierung war und ist in den IndustrieIândern ein
endogener Vorgang. Die Innovation bzw. die Ubernahme einer
auslandisehen Technik erfoigt in der Regel durch Inlander,
um inIândische Probleme
zu Iësen. Der teehnische Diffusi-
onsprozeB in den Entente-Landern, ebenso wie in anderen
Staaten der Dritten WeIt,
ist das Werk der Industrielander.
Mit dem Teehnologietransfer werden Probleme des Auslandes
in das Inland transferiert und geIëst. Die Entwieklung wird
durch exogene Steuerung vollzogeni
sie ist, wie wir sagten,
anorganiseh. Das Entwiekiungsland ist nicht mit der impor-
tierten Teehnik zusammengewaehsen.
Die Kapitalintensitat waehst in den Entente-Lândern zu
sehnell. Sie wirkt arbeitssparender aIs dem Entwieklungs-
stand naeh angebracht ware. Wie aus Fig.
I,7a hervorgeht,
nimmt die Zahi der Erwerbspersonen im Mode,rn-Sektor expo-
nentiell zu (Kurve E), aber ihre Zuwaehsrate ist noeh zu
niedrig.
Sie reieht nieht aus, um das Potentiai der Ar-
beitslosen - vor ailem aus dem Traditionai-Sektor -
in
den ProduktionsprozeB einzugliedern. Dafür ist die Kapi-
taiausstattung pro Arbeitsplatz zu hoch, die Arbeitspro-
duktivitat zu niedrig. Wie wir sehen werden, kann die Ka-
pitalintensitât nieht unter ein bestimmtes Niveau sinken,
ohne daB gieiehzeitig die Produktivitât abnimmt.

-
218 -
In drei der Entente-L~nder: Benin, ElfenbeinkUste, Togo,
wird die Weiterentwicklung jedoch nicht am Kapitalmangel
scheitern. Wie Tabelle 9 zeigt,
steigt die Investitions-
1
quote in den drei Landern standig an ). In der Elfenbein-
küste und in Togo garantieren Rohstoffvorkollunen den ste-
ten ZufluB auslandischer Investitionsmittel. In der Volks-
republik Benin stellen ebenfalls die Rohstofflager, Ei-
senerz, Erdël, die bkonomische Basis des Zuflusses an Aus-
2
landskapital dar ).
Tabelle 9: Die Entwicklung der Investitionsquote
(IQ)
in
den Entente-Landern
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2010
Benin
16,09
15,85
15,74
15,94
16,15
16,52
17,28
19,31
Elfenb. 18,01
18,37
18,89
19,56
20,54
21,97
23,71
28,17
küste
Niger
16,06
16,07
16,06
15,39
14,77
14,35
14,26
14,93
Ober-
16,20
16,03
15,21
15,05
15,06
15,59
16,50
19,84
volta
Togo
16,80
17,12
17,29
17,52
17,92
18,57
19,80
23,06
FUr aIle Lander, auBer der ElfenbeinkUste,
ist der Anteil
der Investitionen im Traditional-Sektor entscheidend fUr
die Entwicklung des Bruttosozialproduktes und damit auch
1) Die "Militarrevolutionen" -
"révolutions militaires" -,
die sich in Dahomey (Benin)
seit Anfang der sechziger
Jahre haufen, haben zu einem gewissen Rückgang der In-
vestitionsquote gefUhrt.
Dieser RUckgang wird sich min-
destens bis 1980 fortsetzen.
2) Diese in das Modell Dahomeys eingebaute Vorstellung
grUndet auf den Erfahrungen, die Guinea und neuerdings
auch die Republik Kongo gemacht haben.
1958 hat sich
Guinea aus der damaIs von General de Gaulle konzipier-
ten Communiaute losgelëst und sich starker an den Ost-
block gebunden. Wegen des Rohstoffreichtums des Landes
(Bauxit)
flieBt Fremdkapital sowohl vom West- aIs auch
vom Ostblock nach Guinea. Ahnlich ist die Situation in
Kongo.

-
219 0-
der Investitionsquote. Auf der Graphik Fig. I,Ba reprasen-
tieren: G die gesamten Investitionen,
Z die Investitions-
quote und N die laufenden Investitionen im Traditional-Sek-
tor in Togo. Das Einkonunensniveau entscheidet über die Hë-
he der Investitionen im Traàitional-Sektor. Im Modell hangt
die Einkommensentwicklung von der Beschaftigungssituation
ab. Geht die Zahl der Beschaftigten des TS zurück, verlang-
samt sich die Investitionstatigkeit entsprechend
(Kurve N) ,
obwohl die gesamten Investitionen (G)
und die Investitions-
quote
(Z)
zunehmen.
Fig. I,Ba: Sektorale Investition und Entwicklung
GNI
Investitionen
IQ
im TS
(NIT)
NIT
G
Gesamt-
investitionen
(GNI)
Investitionsquote
(IQ)
- - ! - - - - t - - - - - - r - - - - , - - · - - - - r l- . - . Zei t
1980
1990
2000
2010
In dieser Entwicklung sehen wir eine Widerlegung der These,
daB mit zunehmenden Investitionen im Modern-Sektor der Tra-
ditional-Sektor automatisch mitentwickelt wird.
Investiti-
onsquote und gesamte Investi~jonen kënnen zunehmen, ohne

-
220 -
daB die Investitionen im TS mitwachsen. Der kontinuierli-
che auslandische KapitalzufluB ist keine Garantie für die
Entwicklung des Traditional-Sektors.
Der Kapitalmangel kann jedoch verheerende Wirkungen auslô-
sen, wie die Situation in Niger und in Obervolta zeigt. In
beiden Landern muB man damit rechnen, daB die Investitions-
1
quote kontinuierlich sinkt ) ~ Beide Lander verfügen auch
über bedeutende Rohstofflager: Uranium, Kupfer, Mangan,
Phosphat, die zur Zeit nur teilweise abgebaut werden. Das
Modell ist aber so konzipiert, daBdie zu erwartende sp~­
tere Zunahme des Rohstoffabbaus zur Geltung kommt: Der Mul-
tiplikator der Arbeitsproduktivitat im MS - ~~PM - verlauft
überproportional. Nur unter dieser Annahme ist eine Wirt-
schaftsentwicklung zu erwarten, die den Bewohnern beider
Staaten gerade noch das Existenzminimum sichert. Wenn aber
die internationale Solidaritat nachlassen sollte, dann muB
mit einer katastrophalen Entwicklung in beiden Landern ge-
rechnet werden.
Die abnehmende Investitionsquote bewirkt im TS einen grôs-
seren Investitionsrückgang aIs im MS. Wegen der niedrigen
Arbeitsproduktivitat im Traditional-Sektor, bleibt der Mo-
dern-Sektor nach wie vor der Trager der wirtschaftlichen
Entwicklung. Das laufende Wachstum des Bruttoinlandsprodukts
wird auf diesen Sektor zurlickgeführt. Wie aus Tabelle 10
hervorgeht, sinkt in keinem Land der Entente das Sozialpro-
dukt absolut ab. Eine Vernachlassigung des Traditional-Sek-
tors führt also nicht -
auch nicht bis zum Ende der Simula-
tionsperiode- zu einer Abnahme des Sozialproduktes. Da das
moderne Unternehmen auBerdem dem Entwicklungsland
ein bes-
seres Bild der Selbstdarstellung bietet, sind aIle fünf En-
1) Vgl. dazu Tabelle 9. Die günstigere Entwicklung der In-
vestitionsquote in Obervolta ist darauf zurückzuÏühren,
daB die investitionsschm~'~rndeWirkung der Dürre nicht
berücksichtigt wird.

-
221
-
Tabelle 10: Die Evolution des BIP im Standardlauf
(i.Mrd. DM)
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2010
Benin
0,62
0,83
1,07
1,32
1 ,61
2,00
2,35
2,86
Elfen-
3,94
4,84
6,44
8,90
12,25
14,25
16,36
22,21
beink.
Niger
0,99
1,01
1,06
1,35
1,76
2,32
3,13
5,08
Ober-
0,80
0,81
0,96
1,20
1,50
1,90
2,40
3,44
volta
Togo
0,73
0,86
1,12
1,48
1,92
2,58
3,00
4,10
tente-Lander geneigt, dem Modern-Sektor den Vorzug zu ge-
ben 1 ) •
Mit der Lockerung der Investitionstatigkeit im Traditional-
Sektor sind jedoch sowohl mittel- aIs auch langfristig un-
erwünschte Folgen verbunden:
die Arbeitslosenquote nimmt
erheblich zu; das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf nimmt in
vier der fünf Lander zei tweilig ab. Vergleicht man Fig.
I, 9a
mi t Fig. I, 8a, so stell t man fest, daB eine Paralleli tat zwi-
schen den Kurven K und N besteht: die Investi tionen im Tradi tio-
nal-Sektor konnen nicht langfristig sinken, ohne daB das
Pro-Kopf-Einkommen abnimmt. Umgekehrt nehmen bei Zunahme
der Investitionen sowohl im MS aIs auch im TS das Brutto-
inlandsprodukt (Kurve P)
und das Bruttoinlandsprodukt pro
Kopf ebenfalls zu.
1)
Die Situation hat sich gewandelt,
insofern aIs der MS
zwar weiterhin bevorzugt wird,
aber gleichzeitig die
Fërderung des TS seit Anfang der siebziger Jahre auch
von den Entwicklungslandern. Westafrikas aIs unumgang-
lich angesehen wird.

-
222 -
Fig.
I,9a: Die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes
und der Bevolkerung
B
BIP
PKEB
Bruttoinlands-
produkt pro
Kopf
(PKEB)
Bevôlkerung
(B)
Bruttoinlands-
produkt (BIP)
1
1
. . .
Zeit
1980
1990
2000
2010
Dm diese Konstellation besser zu begreifen, wollen wir
einen Blick auf Tabelle 11, die Entwicklung der Bevolke-
rung von 1970 bis zum Jahre 2010 werfen.
Tabelle 11: Die Bevolkerungsentwicklung in Millionen (ab-
gerundete Zahlen)
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2010
Benin
2,70
2,90
3,23
3,60
4,03
4,50
5,04
6,30
Elfen-
5,10
5,43
6,00
6,65
7,40
8,25
9,20
11,40
beink.
Niger
4,02
4,33
4,80
5,30
5,90
6,60
7,35
9,11
Ober-
5,20
5,52
6,09
6,76
7,53
8,40
9,50
11 ,60
volta
Togo
2,00
2,15
2,40
2,70
3,00
3,40
3,80
4,80

-
223 -
In allen Entente-Landern wachst die Bevolkerung exponen-
1
tieI1 ). Wie Tabelle 11
zeigt, wird sich die Einwohner-
zahl von 1970 bis 2010 in jedem der fünf Lander mehr aIs
verdoppelt haben.
Die Entwicklung des MS reicht deshalb
nicht aus,
lin die Vernachlassigung des TS
auszugleichen.
In der Elfenbeinküste,
in Niger und in Obervolta ist die
Einwohnerzahl im Jahre 2010 annahernd gleich:
11,4,
9,11
und 11,6 Millionen
(Tabelle 11). Die Unterschiede im Brut-
toinlandsprodukt sind aber erheblich, vor allem zwischen
der Elfenbeinküste und den beiden anderen Staaten:
22,5
und 3,44 Milliarden Deutsche Mark
(Tabelle 10). Das Brut-
toinlandsprodukt pro Rapf wird also in Niger und Obervolta
auBerst niedrig sein,
ein Umstand, auf den wir bereits hin-
gewiesen haben. Wie wir im nachsten Abschnitt der Untersu-
chung sehen werden,
zeigen die Szenarien, daB zumindest
für diese beiden Lander in jedem Fall eine beunruhigende
Entwicklungssituatian zu erwarten ist.
2.2. Darstellung und Deutung der Grundszenarien des Modells
Eine Reihe von Szenarien wurde
getestet, um die gUnsti.g-
ste Konstellatian herauszukristallisieren. Wir stellen drei
dieser Szenarien vor:
erstens die Strategie verstarkten Ka-
pitaleinsatzes oder das Szenario des Naturerben,
zweitens
die Revolutionsstrategie und drittens das Szenario des or-
ganisierten Arbeitseinsatzes.
2.2.1. Die Strategie verstarkter Kapitalinvestitionen oder
das Szenaria der natürlichen Erbschaft
Das Fundament der Entwicklungsphilosophie westafrikanischer
Lander ist der Glaube an die Entwicklung durch forcierten
Kapitaleinsatz.
Unsere Haupthypothese des Entwicklungsge-
setzes und die in den Entente-Landern vorliegenden Anfangs-
bedingungen sprechen gegen diese Einstellung.
Die Wirt-
1)
Vergleiche dazu Fig.
l,ga, Kurve B~

-
224 -
schaftsgeschichte lehrt auBerdem, daB okonomisch zweckmas-
sige, d.h.
entwicklungsfordernde Investitionen sich erst
aus den gewachsenen Strukturen ergeben; sie lassen sich
nicht "forcieren".
Zur Konkretisierung dieser ?'usammenhange wurde das Szena-
rio des natürZichen Erben durchgeführt. Gemeint ist eine
auBerordentliche Zunahme des Kapitalpotentials eines Ent-
wicklungslandes durch die ErschlieBung von Rohstoffquellen.
Die Verknappung und Verteuerung bestehender Rohstoffe kann
1
ebenfalls zu einer ungewahnlichen Liquiditat führen ).
Diese Situation haben wir an anderer Stelle mit der Erb-
schaft natürlicher Personen verglichen.
Das Erbeigentum
versetzt in die Lage, dasKonsum- und/oder Investitions-
volumen über das "normale" f\\1aB hinaus ausdehnen zu kannen.
Wir wollen herausfinden,
inwieweit das, was für den Einzel-
nen gilt, auch für ganze Lander Geltung besitzt.
Das Szenario der natürlichen Erbschaft wurde in Togo und
in Obervolta getestet. Der intensive Rohstoffabbau bewirkt
eine graBere Integration des jeweiligen Entwicklungslandes
in die Weltwirtschaft: die AuBenhandelsbeziehungen nehmen
zu, d.h. der Kooperationsmultiplikator erhaht sich. Er be-
tragt im Jahre 2010 1,5, was eine Verdreifachung des ur-
sprünglichen Wertes bedeutet; es wird im Land mehr inve-
stiert.
Die Strategie entspricht der Auffassung der EntvlÏcklungs-
lander, daB ihre Entwicklung umso schneller voranschrei-·
tet,
je mehr sie für die Weltwirtschaft produzieren. Nie
das Szenario der Naturerbschaft zeigt, ist die Vorstellung
tautologisch
richtig aber real irrig.
Die erhahte
Liquiditat durch intensivierten Rohstoffabbau beseitigt
die strukturellen Ungleichgewichte nicht, die zwischen TS
und MS und zwischen EntwickJ ~r~s- und Industrielandsrn be-
stehen.
1)
Wir sehen hier von Rohstoffkartellen ab.

-
225 -
In Togo führt das Szenario zu negativen Erscheinungen: Die
Arbeitslosigkeit nimmt nieht nennenswert ab.
lm Jahre 2010
betragt sie etwa 50 % statt 54,68 % iIn Basislauf. Langfri-
stig sinkt das Bruttoinlandsprodukt ab und damit aueh das
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf.
Dieses Ergebnis erseheint uns zunaehst überrasehend. \\~ir
haben deshalb dieselbe Strategie in der Elfenbeinküste ge-
testeti
das Resultat ist ahnlieh. Wir bedienen uns einer
Analogie, um das Modellverhalten besser zu begreifen. Wir
k6nnen die Situation mit einem Glas ganz vaZZ Wasser ver-
gleiehen:
je mehr man hineingieBt, desto mehr flieBt über,
mehr wird nieht aufgenommeni die unmittelbare Umgebung wird
m6glieherweise beschadigt. Die Niehtreagibilitat des Sy-
stems führt sehlieBlieh zum Rüekgangi dafür ein modernes
Beispiel: Das einst so reiehe Land Uruguay mit seiner ho-
hen Investitionsquote ist heute arme
Entwieklungspolitiseh zweekmaBige Investitionen müssen
sieh offenbar im Rahmen der gewaehsenen Strukturen bewegen,
sonst ste lIen sie nur eine volkswirtsehaftliehe Vergeudung
dar. Die La.nder Togo, Elfenbeinküste und Benin (Dahomey)
ben6tigen keine auBergew6hnliehen Kapitalzuflüsse, um den
wirtsehaftliehen ProzeB im Gang zu halten und das Arbeits-
problem zu 16sen.
Anders ist jedoeh die Situation in Niger und in Obervolta.
In Obervolta haben wir nieht nur den Kooperationsmultipli-
kator,
sondern aueh den Multiplikator der Arbeitsprodukti-
vitat im TS überproportional erh6ht.
In diesen beiden Lan-
dern ist die Arbeitsproduktivitat im TS auBerst niedrig.
Es ist plausibel anzunehmen, daB sie mit fortsehreitender
Entwieklung dieser Lander aueh zunehmen wird.
Wie aus Fig.
I,10a hervorgeht,'nirrrnt das Bruttoinlandspro-
dukt pro Kopf in jedem Fallc ~:1.ll1aehst ab. Erst ab 1976

.- 226 -
nimmt es wieder zu.
lm Basislauf betrug die Arbeitslosen-
quote 65,14 % im Jahre 2010.
Wie Tabelle 12 zeigt,
führt die Strategie des Naturerbes
zu einem Rückgang der A.rbeitsJosenquote um 8 %. Der Unter-
schied ist also nicht wesentlich. Das Bruttoinlandsprodukt
erhoht sich dagegen von DM 3,44 Milliarden im Basislauf
auf etwa 4,34 Milliarden im Jahre 2010.
Fig.
l,10a: Auswirkungen der Naturerbschaft in Obervolta
B 1 )
PKEB
P u. S
1980
1990
2000
2010
zeit
1) B
Bev61kerung
PKEB
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf
P
Bruttoinlandsprodukt
S
= Sozialprodukt

-
227 -
Tabelle 12: Kapitaleinsatz und wirtschaftliche Entwicklung
in Obervolta
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2010
ALQ1)
45,52
47,77
50,50
54,08
55,53
57,58
58,80
57,00
EQ
10,08
14,80
15,00
15,17
19,23
19,85
20,80
26,45
IQ
16,20
16,12
15,33
15,62
16,00
17,15
19,30
25,70
PKEB
152,32
145,60
166,77
192,00
222,00
255,00
294,00
369,00
1) ALQ
Arbeitslosenquote
EQ
Einschulungsquote
IQ
Investitionsquote
PKEB
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf
Bei Unterversorgung mit Kapital, wie es in Niger und Ober-
volta der Fall ist, vermag der verstarkte Kapitaleinsatz
das Bruttoinlandsprodukt und das Pro-Kopf-Einkommen deut-
lich anzuheben. Unrealistisch bleibt jedoch die Vorstel-
lung, daB dadurch das A.rbei tslosenproblem gelost werden
konnte.
2.2.2.
Die Revolutionsstrategie
Der sozialistische WirtschaftsprozeB übt einen groJ3en EinfluB
auf die Entwicklungslander Afrikas aus,
auch wenn sie sich
scheuen, die Ideologie des Marxismus-Leninismus aIs ihr
wirtschaftliches Ordnungsprinzip zu übernehmen. Guinea,
Kongo, Tansania, AIger.i.en und neuerdings auch Benin, Mozam-
bique und Angola, die sich ausdrücklich aIs "revolutionare
sozialistische" Lander betrachten,
lehnen aIle den Klassen-
kampf,
ein Grundelement des Marxismus, ab. Charakteristisch
für aIle ist jedoch die Entschlossenheit des Staates, die
Wirtschaftsentwicklung zu planen und zentral zu steuern.
Welche Auswirkungen sind zu erwarten, wenn der marxistisch-
leninistische Unterbau aIs Globalkonzept fehlt? Um diese
Frage zu beantworten, wurdc
l je Revolutionsstrat.egie in

-
228 -
der Elfenbeinküste und in Benin (Dahomey)
getestet.
In der Elfenbeinküste wird davon ausgegangen, daB der
Staat ab 1980 seine Kontrolle über die gesamte Wirtschaft
ausdehnt. Es gibt keinen privaten Sektor mehr.
Fig. 1,11: Die Revolutionsstrategie
28E3
/ - -
-
-- - - -
20E3
16E3
_
8E3
_
- - - - i - - - - _ - - - - ' - - - - - - - < - l-----<.,----.,fI5I-5iIP- Zei t
1980
1990
2000
2010
1) NKIM = Normalkapitalintensitât im MS
Die Kapitalintensitat wird "eingefroren", sie nimmt sowohl
im MS aIs auch im TS nicht mehr zu, da sie dem Entwicklungs-
stand nicht adaquat ist. Auf eine moderne auslandische Tech-
nologie wird verzichtet bzw.
sie wird nur im begrenzten
Umfang aufgenommen; der Arbeitseinsatz hingegen wird star-·
ker gefordert. Fig. 1,11 konkretisiert diese Vorstellung.
In der Elfenbeinküste nimmt, wie das Szenario zeigt, das
Bruttoinlandsprodukt zu.
lm Jahre 2010 betragt es DM 27
Milliarden statt 22 Milliarden im Basislauf. Die Arbeits-
losigkeit sinkt um mehr als 50 %; sie betragt im Jahre
2010 etwa 26 % statt rund 54 % im Basislauf. Die Investi-
tionsquote nimmt ebenfalls zu.
In Dahomey (Benin) wirkt die Revolutionsstrategie anders.
Das Bruttoinlandsprodukt nimmt ab, das Pro-Kopf-Einkon~en
auch. Die Arbeitslosenquotc :'-ht nur geringfügig zurück;

-
229 -
sie reduziert si ch von 59 % im Basislauf auf 53 % im Jah-
re 2010.
In beiden Landern ist die Arbeitsproduktivitat
gesunken.
Die "Revolution" vermag offenbar die wirtschaftliche Ent-
wicklung nicht in die gewünschte Richtung zu lenken, wenn
bestimmte Anfangsbedingungen, wie die der Elfenbeinküste,
noch nicht erfüllt sind. Obwohl wir von einer vereinfach-
ten Situation ausgehen, konnen wir aufgrund der Ergebnisse
die Hypothese aufstellen, daB ein Land umso weniger geeignet
ist,
durch "Revolution" eine rasche Veranderung der wirt-
schaftlichen Situation zu erreichen,
je armer und unter-
entwickelter es ist.
Albanien und Bulgarien sind hierfür
Beispiele aus dem Osten Europas.
2.2.3.
Das Szenario des organisierten Arbeitseinsatzes
Die ersten "Werkzeuge l!,
deren sich der Mensch bedient,
um
die Um-Welt zu erfahren und sich zu eigen zu machen,
sind
nicht die ersten vorgefundenen Stocke oder Steine.
Der Ur-
mensch muBte zunachst seine Sinnesorgane,
seine Hande,
sei-
nen Geist benutzen,
bis er die einfachste Sorte dessen,
was
wir heute Werkzeuge nennen,
"herstellen" konnte.
Den ersten
Stock oder Stein hat er mindestens aufheben müssen . . . mit
dem Primarwerkzeug: Hand. Was blieb~ von der vom Menschen
geschaffenen Welt übrig,
ohne unser vorzüglichstes Mehr-
zweckwerkzeug:
den menschlichen Verstand? Wir sind also,
so meine ich,
in diesem Sinne Urmenschen geblieben.
In Entwicklungslandern ist dieser Primarzustand am deutlich-
sten zu beobachten. Hier müssen die Menschen mehr als an-
derswo auf der Welt in erster Linie von den Sinnesorganen,
von den Handen,
vorn Verstand Gebrauch machen.
Es gibt kei-
nen zweckmaBigeren Weg zu den Zielen,
die sie sich setzen.
Der Erwerb von "Sekundartechniken" anderer ist nicht mog-
lich ohne das
"Primarwel'1<zc''': die eigene Arbeit.

-
230 -
Das Szenario des organisiertsn Arbeitseinsatzes baut auf
diesen Uberlegungen auf, die sich schwer in Zahlen fassen
lassen. Bei der Durchführung des Szenarios sind wir davon
ausgegangen, daB die Arbeit in den Frühphasen des Entwick-
lungsprozesses Vorrang vor dem Kapital haben müsse, wenn
es darum geht, die Menschen in den ProzeB miteinzubezie-
hen. Die Arbeit soZZ nicht das KapitaZ ersetzen
sondern
3
Vorrang vor dem KapitaZ haben.
Die Kapitalausstattung pro
Arbeitsplatz muB deshalb so niedrig wie m5g1ich gehalten
werden. Der niedrigste Anfangsbetrag muB reichen, mu das
Existenzminimum zu sichern.
Das Szenario wurde in vier Ablaufen in Togo getestet. Er-
stens: NKÎM, die Normalkapitalintensitat im Modern-Sektor,
steigt langsamer an aIs im Basi.slauf. Sie betragt im Jahre
2010 DM 16 000,-- statt DM 24 000,--. Der Anstieg verlauft
in beiden Fallen linear. Da die Si.tuation im TS unverandert
bleibt, bedeutet die Konstellation eine gewisse Vernachlas-
sigung des Modern-Sektors. Wie die Simulationsergebnisse
zeigen, erweist sich diese Spielart des Szenarios als'un-
zweckmaBig. Das Bruttoinlandsprodukt betragt im Jahre 2010
knapp DM 3 Mrd. statt DM 4 Mrd.
(Basislauf); die Arbeitslo-
sigkeit sinkt nur von 54,7 % auf 39,6 % ab
(2010). Die Pro-
duktivitat nimmt ab. Eine Reduzierung der Kapitalintensitat
im MS, d.h. eine Vernachlassigun9 dieses Sektors ohne gleich-
zeitige Erhohung der Arbeitsproduktivitat im TS,
ist der
wirtschaftlichen Entwicklung abtraglich.
Zweitens: Sowohl im Modern-Sektor aIs auch im Traditional-
Sektor betragt die Kapitalausstattung pro Arbeitsplatz im
Jahre 2010 nur das Zweifache des Jahres 1970. NKIM steigt
also linear von DM 8 000,-- auf DM 16 000,--, NKIT von DE
5 000,--
auf DM 10 000,-- an. Beide Sektoren sind nun rnehr
aufeinander abgestimmt. Wie im ersten Fall ist der Arbei~s­
einsatz nicht so organisier r
naB die Arbeitsproduktivitat

-
231
-
zunimmti
im Gegenteil,
sie sinkt.
Das Paradigma, das wir bei dieser Konstruktion aIs Modell
nehmen,
ist der Ujamaa-Organisationstyp: die bürokratiseh-
zentralistisehe Organisationsweise hemmt den Zuwachs der
Arbeitsproduktivitat. Das Ergebnis ist fast identiseh mit
dem vorherigen Resultat: Bruttoinlandsprodukt und Pro-Kopf-
Einkommen sinken, trotz erhahter Investitionsquote. Die
Anpassung der Kapitalintensitat an den Entwieklungsstand
genügt allein noeh nieht, um eine günstige Wirtschaftsent-
wieklung auszulasen.
Drittens:
Die Kapitalintensitat im MS niromt wie im Basis-
lauf unverandert zu.
Im TS betragt sie das doppelte und
waehst linear von DM 5 000,-- auf DM 10 000,-- wie im
zweiten Fall. Der Multiplikator der Arbeitsproduktivitat
im Traditional-Sektor, MAPT, nimmt zu und damit aueh die
durehsehnittliehe Arbeitsproduktivitat: den einzelnen Ar-
beitsgruppen wird gezeigt, wie sie mehr leisten kannen.
Der Staat übernimmt eine Beratungsfunk"tioni es wird nieht
kollektiviert.
Sind die se Anfangsbedingungen realisiert, dann ergibt sieh
daraus eine günstige Entwieklung des Bruttoinlandsproduk-
tes. Es waehst von DM 4 Mrd.
auf DM 6,4 Mrd.
im Jahre 2010.
Dieses günstige Wachstum des Bruttoinlandsproduktes hangt
nieht allein mit der Zunahme der Arbeitsproduktivitat zu-
sammen,
sondern muf3 auf die "ungehinderte" Weiterenb'1iek-
lung des Modern-Sektors zurüekgeflihrt werden.
In allen
fünf Entente-Landern hat sich gezeigt, daf3 die Drosselung
der Entwieklung des Modern-Sektors zu einer Abnahme des
Bruttoinlandsproduktes führt.
Nieht in dem "Retour d Za terre" allein, wie es in der
Volksrepublik Benin propagiert wird,
liegt die Lasung des
Entwieklungsproblems. Tradjal-Sektor und Modern-Sektor

-
232 -
mUssen gleichzeitig entwickelt werden. Soll aber die Ar-
beitslosenquote spürbar gesenkt werden, ist eine langs~~e­
re Steigerung der Kapitalausstattung pro Arbeitsplatz au ch
im MS notwendig. Denn trotz der deutlichen Zunahme des
Bruttoinlandsproduktes ist die Arbeitslosenquote nicht we-
sentlich gesunken.
lm Jahre 2010 betragt sie noch 43,9 %
statt 53,7 % Lm Basislauf.
Vieptens:
Die Anfangsbedingungen der dritten Spielart des
Szenarios werden bei dieser vierten Strategie beibehalten.
AuBer diesen Bedingungen wachst die Kapitalintensitat im
MS linear von DM8000,--
(1970)
auf DM 16 000,--
(2010).
Sie erfahrt nur eine Verdoppelung statt einer Verdreifa-
chung wie im Basislauf.
Nur bei dieser Kombination konnte eine ausgewogeneEntwlck-
lung erzielt werden. Nie aus Tabelle 13 hervorgeht, betragt
das Bruttoinlandsprodukt im Jahre 2010 DM 4,23 Milliarden
gegenüber 4 Milliarden im Basislauf. Der Unterschied ist
nicht wesentlich, aber man stellt fest, daB das Bruttoin-
landsprodukt nicht zu sinken braucht, wenn MS und TS zweck-
maBig aufeinander abgestimmt sind. Die Arbeitsproduktivitat
geht jedoch leicht zurück. Die Entwicklung der Arbeitslosen-
quote ist die günstigste, die wir erzielen konnten: knapp
33 % statt etwa 54 % im Basislauf.
Dieses Ergebnis bedeutet aber auch, daB das Arbeitslosen-
problem in den nachsten 35 Jahren nicht màrktwirtschaft-
lich okonomisch zu los en sein wird. Das Problem kann al-
lerdings durch Zwang gelost werden,
indem alle, auch die-
jenigen, die nicht arbeiten wollen, aufgrund staatlicher
Anordnung in den WirtschaftsprozeB einbezogen werden. Wir
bezweifeln jedoch die Effizienz dieser Vorgehensweise. Es
hat sich immer wieder gezeigt, daB dort, wo Menschen zur
Arbeit gezwungen werden, die Produktivitat im besten Fall
stagniert. In der Regel ist
;j~ rücklaufig.

-
233 -
Tabelle 13: Die Auswirkungen des organisierten Arbeitsein-
satzes
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2010
1
BIP/DM ) 0,735
0,94
1,27
1,66
2,14
2,74
3,30
4,23
LMrd.
PKEB
360
425
518
587
692
788
845
854
ALQ
43,00
46,90
48,70
48,39
47,32
45,50
42,60
32,90
EQ
40,00
60,50
67,00
78,90
79,60
80,85
89,00
75,00
IQ
16,80
16,97
17,34
17 ,93
19,12
20,65
23,00
30,45
1)
BIP
Bruttoinlandsprodukt (DM in Milliarden)
PKEB
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in DM
ALQ
=
Arbeitslosenquote in %
EQ
Einschulungsquote in %
IQ
Investitionsquote in %
Ein anderes Ziel, welches sich die Entente-Lânder setzen,
wird ebenfalls bis zum Jahre 2010 nicht in Erfüllung ge--
hen: die 100 %ige Einschulungsquote zu erreichen. AuBer
in der Elfenbeinküste,
in dem das Ziel realisiert sein
wird,
liegt die Quote in allen vier anderen Staaten unter
75 % im Basislauf. Die niedrigsten Quoten, nâmlich 30 %
bzw.
40 %, finden wir in Obervolta und in Niger. Gegenwar-
tig liegt die Einschulungsguote in beiden Lândern unter
15 %. Wie aus Tabelle 13 hervorgeht, wird die hëchste Ein-
schulungsguote in Togo 75 % gegenüber 72 % im Basislauf
betragen.
Obwohl der organisierte Arbeitseinsatz die angesprochenen
Probleme nicht optimal lëst, muB er als günstigste Strate-
gie der künftigen Entwicklungspolitik angesehen werden.
Nur durch Arbeit k8nnen wir die Welt ~er~ndern. Die Arbeit
ist kein Fluch, sondern ein Auftrag. Von wem? Wenn wir die
Frage nicht religiës-mythologisch beantworten wollen, haben
wir auch die Mëglichkeit, den Auftrag als eine von uns ge-

-
234 -
1
setzte Ideologie aufzufassen ). Wir kannen also der Ge-
schichte, wenn wir glauben, daB sie keinen von uns unab-
h~ngigen Sinn hat, unsere Zwecke auferlegen,
ihr einen
2
Sinn verleihen ): Die Arbeit w~re demnach der ProzeB der
Hominisierung der Welt 3)
Il Edor" 4) ,
die"Arabeit", das "Robota"
ist in unseren Vor:-
5
stellungen mit Anstrengung und Mühe verbunden ).
In der
Regel scheuen wir die Arbeit. Wir brauchen also eine star-
ke Motivation,
einen psychischen Antrieb,
um mehr leisten
zu müssen.
Dieser Antrieb braucht offenbar ein ideologisches Funda-
ment.
In der Marktwirtschaft kornmt es auf den Geist des
Kapitalismus ais Massenerscheinung an.
Die Wirtschaft konn-
te sich erst entfalten,
ais die " prakapitalistische Ethik
der Arbeitsweise":
II nur
so viel, wie man zum Leben braucht",
6
durch das "Summum bonum" ersetzt wurde ). Die Arbeit, ge-
nauer gesagt,
ihr Ergebnis, der Reichtum, wurde ais Zeichen
der Erlosung deklariert und ais solches empfunden und ak-
zeptiert. Also "Verpflichtung des einzelnen gegenüber dem
ais Selbstzweck vorgesetzten Interesse an der VergroBerung
seines Kapitals,,7).
"Erwerb von Geld und immer mehr Geld,
unter strenger Vermeidung alles unbefangenen GenieBens,,8) .
1)
Zur Ideologie vgl.
Lemberg, E., Ideologie und Gesell-
schaft, Stuttgart, Berlin 1971, vor allem Kap.
IV
(S.
149 ff.),
Kap. V (S.
177 ff.)
und Kap.
IX (S.
290 ff.).
2)
Popper, K.,
Die offene Gesellschaft und ihre Feinde,
Band II, Falsche Propheten,
3. Aufl., Bern 1973, S.
344.
3) Weber, W., Ethik der Arbeit, in: Gaugler, E., Handwor-
terbuch des Personalwesens, Stuttgart 1975, S.
826 ff.,
hier S.
831.
4) Arbeit in EWE
(Südtogo).
5)
Kerber, W., Arbeit,
in:
Gaugler, E., Handworterbuch des
Personalwesens, Stuttgart, Berlin 1975, S.
51
ff.,
hier
S.
57.
6) Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des
Kapitalisrnus, a.a.O.,
S.
42 bzw.
S.
44.
7)
Ebendort, S.
33.
8)
Ebendort, S.
35.

-- 235 -
"Und diese Askese war nicht. mehr ein opus supererogationis,
sondern eine Leistung, die jedem zugemutet wurde
der sei-
3
ner Seligkeit gewiB sein wollte,,1). Wer wollte denn schon
verdammt sein?
Ich habe den Eindruck, daB jede Ideologie umso mehr in der
Realitat bewirkt,
je UberflUssiger sie wird. Wenn sie also
nicht mehr aIs Ideologie empfunden, sondern zur Lebensge-
wohnheit wird, wenn sie selbstverstandlich erscheint. Der
marktwirtschaftliche Geist kommt den Menschen, die mit ihm
konfrontiert werden,
in der Regel "normal" vor; umso mehr
kann er auch bewirken.
In der Tat gibt es zur Zeit keine andere Ideologie, die,
was die Anhaufung von materiellen GUtern anbetrifft, effek-
tiver ist aIs der "Geist des Kapitalismus". Nach der hi-
storizistischen Ideologie der kommunistisch-sozlalisti-
schen Lander steuern wir auf eine klassenlose Gesellschaft
zu. Jedenfalls sollen wir eine solche errichten, das Pri-
vateigentum, das Zeichen der Erlosung, aufheben, um die
2
"vollstandige Emanzipation" des Menschen zu erreichen ).
Dabei geht es auch um die Heranbildung eines neuen Men-
sChentyps3) .
Wir beschranken uns auf diese Hinweise mit dem vollen Be-
wuBtsein allerdings, daB der Marxismus-Leninismus sich
nicht mit ein paar Satzen wiedergeben laBt. Unsere Inten-
tion ist jedoch nicht Verunglimpfung durch Simplifizie-
rung. Es ist unbestreitbar, daB der Marxismus fUr die po-
litische Mobilisierung der Massen eine zweckmaBige Ideo-
1) Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des
Kapitalismus,
a.a.O., S.
163, Hervorhebung steht nicht
im Original.
2) Archangelski, L.M., Kategorien der marxistischen Ethik,
Berlin 1965, S.
39. Siehe dort auch die FuBnote 17, die
sich auf
Marxsche Schriften bezieht. Vergleiche auch
S.
47. Die Hervorhebung j'"
von Archangelski selbst.
3) Ebendort, S.
48.

-
236 -
logie ist. Die Frage ist jedoch, ob diese Eigenschaft
nicht jedem totalitaren System eigen ist.
Wir weigern uns jedenfalls zu glauben,
daB es nur zwei
Grundideologien der sozio-okonomischen Gestaltung mensch-
licher Gesellschaften gibt. Wir erkennen jedoch die Ar-
beit, die Leistung aIs Instrument, nicht aber aIs Ziel,
1
Leistung
um der Leistung willen,
an ).
Die Arbeit ist
nur ein MitteL zu dem wahrscheinlich artspezifischen ZieL,
das wir aLle verfolgen.
1) Tuchel, K., Wissenschaftliche Erkenntnisse und techni-
sche Fortschritte in metaokonomischen Wertordnungen,
in: Verein Deutscher Ingenieure
(Hrsg.), Wirtschaft-
liche und gesellschaftliche Auswirkungen des techni-
schen Fortschritts, Düsseldorf 1971., S.
121 ff.,
hier
S.
134.

-
237 -
IV
CREDO, anstelle einer Zusammenfassung
Immer wenn Menschen handeln bzw.
sich verhalten, geschieht
dies, urn jenes Wohlbefinden zu erlangen, das wir gemeinhin
Zufriedenheit oder Glück nennen.
Schon Platon schwebte die
Errichtung eines glücklichen Staates vor. Kants bekanntes
Prinzip hierzu lautet: "Fërdere das Glück der anderen ... ".
Die Utilitaristen fordern"das grëBte Glück der grëBten
Zahl". Nach Karl Popper sind das gefahrliche Formeln und
1
Forderungen ) .
Unser Ansatz grenzt also an Leerformeln, die seit der frü-
hen Menschheitsgeschichte Thema unaufhërlicher Auseinander-
setzungen sind. Unser Ziel ist es auch, deshalb einen Weg
aus der Subjektivitat im Sinne der Methodologie zu finden.
Wir kënnen die Aussage in der Form eines universellen Es-
gibt-nicht-Satzes formulieren,
urn ihre überprüfbarkeit
sichtbarer zu machen: Es gibt keinen Menschen,
dessen ober-
2
stes Ziel nicht zufriedenes Wohlbefinden ware ). Diesem
Ziel ordnet jeder sein Verhalten unter. Es kann empirisch
ermittelt werden, welche Ziele ein Mensch verfolgt. Ob die-
se Ziele einem Oberziel Glück und zufriedenheit untergeord-
net sind,
laBt sich auBerdem feststellen.
Problem bei dieser Hypothese ist jedoch, daB wir zwar aIle
empfinden
was Glück und Zufriedenheit sind, daB unsere Vor-
3
stellungsinhalte darüber aber weit auseinandergehen. Dieser
Sachverhalt ist wahrscheinlich der Grund, warum die empiri-
Bche Wissenschaft sich nicht
(mehr) mit dem Thema Glück be-
1)
Popper, K., Die offene Gesellschaft und ihre Feinde,
Band l, Der Zauber Platons,
2. Aufl., Bern 1970. Vgl.
das Kapitel 9, S.
213 ff.
2)
Zufriedenheit ist in dieser Abhandlung nicht gleichzu-
setzen mit II s ich zufrieden geben", "sich mit dem er-
reichten zufrieden geben". Der Begriff wird hier aIs
Synonym
ftir Wohlgeftihl v~rstanden.

-
238 -
faBt.
Ist das berechtigt? Darf die empirische Wissenschaft
vor Phanomenen, die sie beschreiben kann, und die fil:!' uns
aZZe so bedeutsam sind, resignieren?1)
Wenn wir das Streben nach Glück und Zufriedenheit aIs aZZ-
gemeines VerhaZtensgesetz auffassen, kannen wir individu-
elle Ziele unter Verwendung des nomologischen Erklarungs-
schemas besser begreifen. Das nomologisch deduktive Erklti-
rungsmodell enthalt drei Komponenten: das Gesetz, die
An-
tecedenzbedingung,
auch Anfangsbedingung genannt, und das
Explanandum. Gesetz und Anfangsbedingungen bilden zusarnrnen
das Explanans.
(1)
Gesetz
nomologisch
Explanans
deduktives
(2) Antecedenzbeàingungen
Erklarungs-
(3) Explanandum
modell
Zufriedenes Wohlbefinden kannen wir nicht immer durch Be-
obachtung feststellen.
Durch Befragung kannen wir aber er-
fahren,
ob jemand glücklich ist. Forschungstechnisch soll
aber der nachste Schritt nicht darin bestehen zu fragen,
was Glück ist. Es solI vielmehr erklart werden, warum ein
Individuum, eine Gruppe durch ein besti~ntes Handeln und
Verhalten nach Glück und Zufriedenheit strebt. Warum ist
für dieses Individuum dieses Handeln und Verhalten das Me-
dium zum glücklichen Wohlbefinden? Das Ziel des Ansatzes
ist, objektiv herauszufinden, unter wélchen Bedingungen
menschliches Glücksempfinden maglich is~.
Nach dem deduktiven Erklarungsschema ist es nicht zulassig,
das Explanandum unmittelbar, d.h. ohne Einbeziehung der An-
tecedenzbedingungen, aus dem Gesetz abzuleiten. Eine Warum-
frage kann also nicht durch einen direkten Bezug auf das
Gesetz erklart werden. Ein Mensch ist nicht gestorben (Ex-
planandum), weil aIle Menscheri sterblich sind
(Gesetz),
sondern weil er beispielsw8'
durch Glatteis die Kontrolle
1)
Popper, K., Die Logik der Forschung, a.a.O., S.
33.

-- 239 -
über sein Fahrzeug verloren und einen Unfall verursacht
hat (Anfangsbedingungen).
Direkte Erklârungen empfinden wir aIs unbefriedigend.
Sie
kommen uns trivial, nichtssagend vor, weiZ bzw.
wenn uns
das den ErkZarungen zugrunde Ziegende Gesetz bereits be-
kannt und seZbstverstandZich ist. Es kommt deshalb in sol-
I
chen Fallen darauf an, die besonderen Umstânde
(Anfangs-
bedingungen)
anzugeben.
Das Streben nach Glück und Zufrieàenheit ist ein artspezi-
fisches Verhalten, ein allgemeines Gesetz also. Wir postu-
lieren, da2 das GZück des EinzeZnen abhangig ist Von sei-
nem VerhaZtnis zu seinen Bezugsgruppen: Lebens- und Lei-
stungsgruppen im Sinne Max Webers. AusmaB und Richtung des
Glücks hângen ausschlieBlich von der Art der Beziehungen
zwischen dem Individuum und seinen Gruppen ab. Menschen,
deren Beziehungen zu ihren Bezugsgruppen bzw. -personen
gestart oder zuzureichend sind, fühlen sich unglücklich
und unzufrieden, unabhangig davon
was sie sind
besitzen
3
3
oder tun.
Es ist ein Irrglaube, anzunehmen, daB die Menschheit je im-
stande sein wird,
"Wohlstand für alle ll
zu schaffen. Mate-
rieller Reichtum ist nicht für aIle erreichbar, wohl aber,
so glaube ich, der Zustand der Zufriedenheit, das
ZieZ 3
das wir aIle anstreben.
Was wir suchen,
ist weder Reichtum noch Armut. Oft genug
ist Reichtum für ein scheinbar armes Leben aufgegeben wor-
den. Das Eremitenleben und die klasterlichen Gemeinschaf-
ten sind hierfür bekannte Beispiele. Was Manche und Wüsten-
prediger, aber auch humanistische Idealisten suchen, ist
nicht das Leben in der Armut. Arme trâumen in der Regel
vom Reichtum, weil sie sich davon ein weniger mühevolles
Leben erhoffen. Wir wissen jeAenfalls heute, daB man so-

-
240 -
wohl im Reich-turn aIs auch in der Armut unglücklich leben
kann. Glück und Zufriedenheit aber sind sowohl für Reiche
aIs auch für Arme erreichbar.
Zufriedenes Wohlbefinden, so glaube ich, hangt von der Art
der zwischenmenschlichen Beziehungen ab. Ist diese Hypothe-
se haltbar, dann stellt sLch eine zentraZe Frage an die em-
pirische Wissenschaft, für die Glück und Glücksempfinden
kein Thema (mehr)
zu sein scheinen:
"vae müssen die inter-
personeZZen Beziehungen geartet sein
damit der Mensch zu-
3
frieden
Zeben kann?"
Ich halte es nicht für unsere Pflicht, die anderen glück-
lich zu machen, gewissermaBen den Himmel auf Erden zu schaf-
fen.
Dieses Unternehmen ist stets gescheitert:
" . . .
der
Versuch
den HimmeZ auf Erden einzurichten
produziert stets
3
3
die H8lle"1). Wir kannen aber die Bedingungen empirisch un-
tersuchen, unter denen rnenschliches Glücksernpfinden maglich
ist.
Ich glaube nicht, daB es genügt,
sich auf die negative 50-
zialtechnik zu beschranken: Bekampfung bzw. Vermeidung von
Unglück.
Sicher ist es verhaltnismaBig leicht, Unglück vor
allem aIs soziales Übel festzustellen, denn "die, die lei-
den, kannen aus eigener Erfahrung urteilen, und die anderen
kannen kaurn sagen, daB sie gerne mit jenen tauschen wLir-
den,,2). Diese Technik kannen wir immer anwenden. Es ware
dennoch auBerordentlich nützlich, wenn wir die objektiven
Bedingungen ermitteln kannten, un ter clenen subjektives,
zu-
friedenes Wohlbefinden mëglich ist.
1) Popper, K., Die offene Gesellschaft und ihre Feinde,
Band II r Falsche Propheten, a.a.O., S. 292, Hervorhe-
bung nicht im Original.
2) Popper, K., Die offene Gesellschaft und ihre Feinde,
Band l, Der Zauber Platons, a.a.O., S.
216.

-
241
-
Die Problemstellung ist in dieser Form TV'liehtig. Naeh allen
statistisehen Ermittlungen und Sehatzungen leben mindestens
50 % der Mensehheit am Rande des Existenzminimums: mehr aIs
2 Milliarden! Ieh teile die Sorgen derjenigen, die sieh
fragen, wie die Hungernden gesattigt werden konnen. Wir
müssen jedoeh über diese Sorgen hinaus denken. Es wird nam-
lieh nieht genügen, "Brot für die Welt" bereitzustellen,
solange der materielle ReiehtQ~ an ers ter Stelle des Wert-
systems unserer Epoehe steht.
Konnen wir Reichtum für aZZe versprechen und gZaubwürdig
machen?

-
242 -
V
Anhang

-
243 -
1. Definition der verwendeten Abkürzungen in den Dynamo-
gleichungen
1.1. Bevolkerungssektor
AD1
Alterungsdauer der 5jahrigen
AD2
Alterungsdauer der 14jahrigen
ARS
Alterungsrate der 5jahrigen
AR14
Alterungsrate der 14jahrigen
B
Gesamtbevolkerung
BAE
Bevolkerung ab 1S Jahre
BS
Bevolkerung der O-Sjahrigen
B14
Bevolkerung der 6-14jahrigen
DSTR
Durchschnittliche Sterberate
GR
Geburtenrate
KDSTR
Konstante durchschnittliche Sterberate
KGR
Konstante Geburtenrate
KSTRS
Konstante Sterberate der O-Sjahrigen
KSTR14
Konstante Sterberate der 6-14jahrigen
STRS
Sterberate der Sjahrigen
STR14
Sterberate der 6-14jahrigen
1.2. Bildungssektor
ABP1
Absolventen aus dem ersten BildungsprozeB
ABP2
Absolventen aus dem zweiten BildungsprozeB
ABP3
Absdlventen aus dem dritten BildungsprozeB
AEA
Anteil der ausgeschiedenen Absolventen aus dem
dritten BildungsprozeB
ASIBA
Anteil der staatlichen Investitionen für die
Bildungsanfanger
ASP
Arbeitsuchende Personen
AWB1
Anteil der weiterzubildenden Personen aus dem
ersten BildungsprozeB
AW2
Anteil der weiterzubildenden Personen aus dem
zweiten Bildungsprc.

-' 244 -
BA
Bildungsanfanger
DBZ
Durchschnittliche Bevolkerungszahl
BD1
Erste Bildungsdauer
BD2
Zweite Bildungsdauer
BD3
Dritte Bildungsdauer
BP1
Erster BildungsprozeB
BP2
Zweiter BildungsprozeB
BP3
Dritter BilàungsprozeB
BPP
Bildungsjahre pro Person
DAER
Durchschnittlicher Anteil der ausgeschiedenen
Absolventen aus dem dritten BildungsprozeB
DAW
Durchschnittlicher Anteil der Staatsausgaben
zur Einschulung der Bildungsanfanger
DAW2
Durchschnittlicher Anteil der weiterzubildenden
Personen aus dem zweiten BildungsprozeB
DIPS
Durchschnittliche Investitionen pro Schüler
DMPB
Durchschnittlicher Multiplikator des privaten
Beitrages zur Schulung der Bildungsanfanger
EQ
Einschulungsquote
IBA
Investitionen für Bildungsanfanger
IPS
Investitionen pro Schüler
KVR
Konstante Verminderungsrate der Berufsfahigen in
Mannjahre
MJA
Berufsfahige in Mannjahre
MPBA
Multiplikator des privaten Beitrages zur Schulung
der Bildungsanfanger
PA14
Anteil der 14jahrigen, die ohne Ausbildung in den
ArbeitsprozeB eingegliedert werden
PBJ
Produktive Bildungsjahre
RANP
Rampenanfang bei MPBA
RANS
Rampenanfang bei IPS
RSTP
Rampensteigerung bei MPBA
RSTS
Rampensteigerung bei IPS
RWB1
Rate der weiterzubildenden Personen aus dem ersten
BildungsprozeB

- 245 -
RWB2
Rate der weiterzubildenden Personen aus dem zwei-
ten BildungsprozeB
SIBA
Staatliche Investitionen fUr Bildungsanfanger
STHAW2
Stephohe bet AW2
STHAEA
Stephohe bei AEA
STZAEA
Stepzeit bei AEA
STZAW2
Stepzeit bet AW2
VR
Verminderungsrate in Mannjahre
ZBJA
Zuwachs der Bildungsjahre
ZASP
Zuwachsrate der arbeitssuchenden Personen
1.3. Traditional-Sektor
ABST
Abschreibungssatz im Traditional-Sektor
ABT
Abschreibung im Traditional-Sektor
AFKI
Anpassungsfaktor der Kapitalintensitat
AR3
Ausscheidungskoeffizient bei RAT
ARIT
AngepaBte Kapitalintensitat im Traditional-Sektor
ANIT
Anteil der Neuinvestitionen im Traditional-Sektor
BERT
Bruttoeinstellungsrate im Traditional-Sektor
DKIT
Durchschnittltche Kapitalintensitat im Traditional-
Sektor
FAT
Freigesetzte Mitarbeiter im Traditional-Sektor
IPT
Integrierte Erwerbspersonen im Traditional-Sektor
KBT
Kapitalbestand im Traditional-Sektor
MAPT
Multiplikator der Arbeitsproduktivitat im Tradi-
tional-Sektor
NAPT
Normalarbeitsproduktivitat im Traditional-Sektor
NIT
Neuinvestitionen im Traditional-Sektor
OEDS
Organisierter EinfluB des Staates auf die Hohe der
Kapitalintensitat
PKEB
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf
PNET
Potentielle Neueinstellungen im Traditional-Sektor
PROT
Produktivitat im Trad~tional-Sektor
RAT
Rate der ausscheidc
"
Personen aus dem Tradi tio-
nal-Sektor

-
246 -
RIP
Rate der Erwerbspersonen im Traditional-Sektor
1.4. Modern-Sektor
ABIPI
Anteil des Bruttoinlandsproduktes für Investitions-
zwecke
ABM
Abschreibung im Modern-Sektor
ABSM
Abschreibungssatz im Modern-Sektor
AK1
Ausscheidungskoeffizient bei RAP
AK2
Ausscheidungskoeffizient bei RAM
AKIM
AngepaBte Kapitalintensitât
ALQ
Arbeitslosenquote
ASP
Arbeitsuchende Personen
BERM
Bruttoeinstellungsrate im Modern-Sektor
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BPP
Durchschnittliche Bildungsjahre pro Person
BSP
Bruttosozialprodukt
BZPO
Erwerbspersonen zu Beginn der Simulation
DABIP
Durchschnittlicher Anteil des Bruttoinlandsproduk-
tes für Investitionszwecke zu Beginn der Simulation
DALQ
Durchschnittliche Arbeitslosenquote
DKIM
Durchschnittliche Kapitalintensitât im Modern-Sektor
DPNIA
Durchschnittliche private Neuinvestitionen aus dem
Ausland zu Beginn der Simulation
DSB
Durchschnittlicher Solidaritâtsbeitrag
EPM
Erwerbspersonen im Modern-Sektor
FAM
Freigesetzte Mitarbeiter im Modern-Sektor
GF
Grad des Fremdbezuges, Koeffizient der Konsumausga-
ben für nicht selbst produzierte Güter
GNI
Gesamte Neuinvestitionen
IDSV
Durchschnittlicher Staatsverschuldungskoeffizient
im Ausland
IG
Integrationsgrad aIs Zuwachs der Erwerbspersonen
bezogen auf die Zahl dieser Personen zu Beginn der
Simulation
IQ
Investitionsquote

-
247 -
ISB
Internationaler Solidaritatsbeitrag
KBM
Kapitalbestand im Modern-Sektor
KOM
Kooperationsmultiplikator
MAM
Multiplikator der Aufnahmefahigkeit des Marktes
MAPM
Multiplikator der Arbeitsproduktivitat im Modern-
Sektor
NAPM
Normalarbeitsproduktivitat im Modern-Sektor
NAVS
Jahrliche neue Auslandsverschuldung des Staates
NIM
Neuinvestitionen im Modern-Sektor
NKIM
Normalkapitalintensitat im Modern-Sektor
PNEM
Potentielle Neueinstellung im Modern-Sektor
PNIA
Private Neuinvestitionen aus dem Ausland
PROM
Produktivitat im Modern-Sektor
RAM
Rate der ausscheidenden Personen aus dem Modern-
Sektor
RAP
Rate der ausscheidenden Personen aus der Menge
der arbeitsuchenden Personen
REP
Rate der Erwerbspersonen im Modern-Sektor
TZG
Zins-, Gewinn- und Gehalttransferleistungen an das
Ausland
1.5. Die Sahelzone
ABP
Anteil der betroffenen Personen der Sahel zone
ABPA
Durchschnittlicher Anteil der betroffenen Personen
der Sahelzone
DUEM
Durchschnittlicher Koeffizient des Ubersiedlungs-
multiplikators
DSZB
Durchschnittliche Sahelzonen Bev6lkerung
EGNI
Effektive gesamte Neuinvestitionen
LM
Lebensminimum in Geldeinheiten
RANU
Rampenanfang bei UEM
RSTU
Rampensteigerung bei UEM
SHZ
Sahelzonenhilfe
STHLM
Stephëhe bei LM
STZLM
Stepzeit bei LM
UEM
Ubersiedlungsmultiplikator

-
248 -
2. WACHSTUMSMODELL ENTENTE
FUNDAMENTALGLE ICHUNGEN
2.1.
FORTRAN-UNTERPROGRA~1
1
P. Fil l
F Li!i CT; f]::
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E ': D

-
249 .-
2.2. TOGO ALS PARADIGMA
~~ 0 T E
~iI\\CHSTU1:SI10Df·LL F.iHENTE
2
1 :
3
DIE
SIr ~ il l /\\ T l (J li S P RCI G;( !\\ t1~ 1E
4
Î
:
F U~i D,\\ :'1 E :J T ;, l .~ t~ L [ lei i U ~! Gr tl.
T 0 Got, l. S D[ l SPI E L
5
6
DYr;/d:O-'·,OT/\\T ION
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258
4. Computer-Plots
Fig.I,7b:Die Evolution der Beschaftigungssituation
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~
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A=ASP=Abeitsuchende Personen
E=EPM=Erwerbspersonen im MS
I=IPT=Erwerbspersonen im TS
Q=ALQ=Arbeitslosenquote
X=DKIM=Durchschnittl. Kapitalintensitat

259
Fig.I,8b:Sektorale Investition und Entwicklung
....
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G=GNI=Gesamte rJeuinvestitionen
M=NIM=Neuinvestitionen im MS
N=NITNNeuinvestitionen im TS
W=EQ=Einschulungsquote
Z=IQ=Investitionsquote

260
Fig.I,9b:Die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts
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,
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....
o
~ ..'")
B=Bevëlkerung
K=PKEB=Bruttoinlandsprodukt pro Kopf
P=BIP=Bruttoinlandsprodukt
S=BSP=Bruttosozialprodukt

-
261·-
5. Fragebogen zur Ermittlung statistischer Daten in den
1
Entente-Landern )
Mannheim, Mai 1974
Données statistiques pour la modélisation de l'évolution
économique et sociale des Pays de l'Entente de 1970 à
2010.
N.B. Les questions dont les abréviations sont accompagnées
d'un x ne nécessitent pas de réponses.
Nous nous contentons aussi de réponses approximatives
(esti-
mées)
et même imaginées pour les questions dont les Direc-
tions de la Statistique ne disposent d'aucune donnée exacte.
l
SECTEUR DE LA POPULATION ET DE L'EDUCATION
ABA
Taux de scolarisation: 1970: 10,8; 1971: 10,7;
1972: 11,1;
1973 . . .
1
ABP1
Nombre de sorties du cours primaire en 1970:
67 411
AD1, AD2 x
Durée de l'evolution des tranches d'âge:
....
ARS x
'
Nombre annuel des ages de 5 ans:
....
AR14 x
'
Nombre annuel des ages de 14 ans:
AWB
Taux moyen des élèves poursuivant leur for-
mation professionelle;
cet établissement
peut être aussi du type africain:
1)
Die Fragebogen wurden den zustandigen Behorden, dem Sta-
tistischen Amt bzw. dem Plan-Ministerium zugeschickt.
Ich bin selbst spater in die Entente-Lander gereist, um
im Gesprach die gewünschten bzw.
zusatzliche Informatio-
nen zu erhalten. Die Gesprache waren zwar lehrreich,
brachten jedoch keine weiteren quantitativen Erkenntnis-
se. Der hier reproduzierte Text ist der "ausgefüllte"
Fragebogen aus Niger. Es handelt sich um den Urtext ohne
Berücksichtigung einiger spater erfolgter Parameterumbe-
nennungen.
Die Punkte
C. . . )
bringen zum Ausdruck, daB
die Behorden zu der FrW
. _-,ine Angabe gemacht haben.

-
262 -
B
Population totale en 1970:
4 024 000;
1971 : 4 132 000;
1972: 4 243 000;
1973: 4 357 000; 1 )
BA
Nombre des débutants du cours primaire en
1970: 20 466
BAE
Population âgée de plus de 14 ans; total:
2 355 000
(1972)
et %:
55,5
1
B5 0-4 ans )
Population âgée de 5 ans; total
(1972):
709 000; et %:
16,7
B14
Population âgée de plus de 14 ans;
total:
2 3 55 000 (1 9 7 2 ) et %:
5 5 , 5
BD1, BD2 x
Durée de la formation:
BP
Politique d'éducation: Taux moyen de scola-
risation envisagé pour l'an 2000
(2010):
...
BP1
Nombre de sorties du cours prima.ire en 1970:
67 411
BP2
Nombre de sorties après 4 ans de formation
professionnelle ou de Lycée (Collège, C.C.)
en 1970: ...
DSTR
Nombre de décès en 1970: ...
GR
Nombre de naissances en 1970:
KAR1, KAR2 x
Chiffre constant de l'évolution d'âge:
KDSTR
Taux moyen de mortalité:
26 à 27 %
KGR
T
d
·
50 a' l:. 5 %2)
aux moyen
e nalssance:
J
KSTR5
Taux moyen de mortalité des âgés de 5 ans:
KSTR14
Taux moyen de mortalité des âgés de 14 ans:
1) Estimation;
taux:
2,69; Anmerkungen des Statistischen
Amtes in Niamey.
2) Ces taux ont été calculés à partir de l'enquête démo-
graphique de 1960 au Niger. Anmerkung des Statisti-
schen Amtes in Niamey.

-
263 -
KVR
Taux moyen de mortalité de la population
active:
••.
HJA
Nombre d'années de formation en 1970
(= nom-
bre d'années de formation individuelle *
nombre de la population active;
i l s'agit
d'une moyenne):
.•.
RWB
Du nombre des sorties du cours primaire en
1970, quel est le taux de ceux qui conti-
nuent leur formation (Lycée, Collège, C. C. ,
formation professionnelle) :
STRS
Nombre de décès des âgés de S ans en 1970:
STR14
Nombre de décès des âgés de 14 ans en 1970:
VR
Nombre de décès de la population active
(1970):
. . .
ZAPS
Nombre des nouvelles demandes d'emploi
(de-
mande d'emploi pour la première fois dans
la vie):
1970:
2 718;
1971:
2 677;1)
1972:
1973:
ZBJA
Nombre d'années totales de formation pour
l'année 1970 (= nombre d'élèves * nombre
d'années de formation àe chaque élève):
. . .
II SECTEUR MODERNE, SECTEUR TRP.DITIONNEL
ABIPI
Part du P.I.B.
investie
(valeur relative en
%):
1970 . . . ;
1971
. . . ;
1972 . . . ;
1973 .•• ;
Comment est son évolution graphique
(linéai-
re?):
.•.
ABM x
Amortissement dans le secteur moderne:
1)
Demanàes d'emploi re~ues au cours de l'année mais en
1970 le chiffre 2718 ne comprend pas les monoeuvres.
Anmerkung des Statistisc
Amtes in Niamey.

-
264 -
ABSM
Taux moyen d'amortissement dans le secteur
moderne:
. . .
AB ST
Taux moyen d'amortissement dans le secteur
traditionnel:
ABT x
Amortissement dans le secteur traditionnel:
AFA x
Part relative de travail gratuit d'aide au
développement:
AKAT
Part relative de la consommation dans le
secteur traditionnel
(% par rapport à la
conson~ation totale) :
1970 ••• ; 1971
•••
·..
f
1972 ••. ; 1973
·
,
Son évolution graphique
(linéaire?):
. . .
AKIM x
Intensité technique adaptée dans le secteur
moderne:
AKIT x
Intensité technique adaptée dans le secteur
traditionnel:
ANIT
Part relative des investissements effectués
dans le secteur traditionnel
(% par rapport
à la formation brute de capital fixe):
1 970 ..• ;
1 971
••• ;
1 972
••. ;
1 973 ••. ;
Comment évo1ue-t-e11e
(porportione11ement?):
ASP
Population en quête de travail:
1 970 .•• ;
1 971
••• ;
1972 . . . ;
1973 · .. ·,
ATF
Part relative transférée du revenu net de fac-
teurs en provenance du monde
(% par rapport
au P. 1. B. ) :
1 970 .•. ;
1 971
..• ,
1 972
.•• ;
1 973
••. ;
1
B
Population en 1970:
4 024 000 estimation )
BERM
Engagements
(bruts: sans tenir compte des
licenciements)
dans le secteur moderne:
... .
1970 .•• ;
1971
, 1972 ... ; 1973 · .. ·,
1)
Anmerkung des Statistischen Amtes in Niamey.

-
265 -
BERT
Engagements
(bruts)
dans le secteur tradi-
tionnel:
1970 .•. ~
1971
••• ~ 1972 ••• ~ 1973 ••• ~
BIP
(PIB)
Produit intérieur brut:
97 808 (millions de
1
F CFA) en 1969 )
1970 ••• ~ 1971
•.. ~ 1 972 ••• ~ 1973 ••. 1
BPP
Nombre d'années de formation par tête d'em-
ployé en 1970 '(= nombre d'années totales de
formation des deux secteurs divisées par le
nombre d'employés dans les deux secteurs):
DAVS
Dette totale de l'état due au reste du monde:
1970 .•• ~
1971
.•. ~
1972
~ 1973 ••. ~
Ira-t-elle en croissant?:
.
Quelle est son évolution graphique?
(Liné-
aire?):
. . .
DKAT
Consommation dans le secteur traditionnel:
1 970 ... ~ 1971 •.. ~
1 972 ... ~
1973 •.• ~
DRIM x
Intensité moyenne du capital dans le secteur
moderne en 1970:
DRIT x
Intensite moyenne du capital dans le secteur
traditionnel en 1970:
DPNIA
Moyenne des nouveaux investissements privés
directs
(Investissements qui entrent pour la
première fois dans le pays); moyenne en 1970:
EOA x
Effets du travail organisé:'
EPM
Employés
(population active)
dans le secteur
moderne:
1970 .•. ~
1971
... ~ 1972 ... , 1973 ••• 1
FAM
Licenciements dans le secteur moderne:
1970 ..• ~
1971
••• i 1 972 •.• ~ 1973 ..• i
FAT
Licenciements dans le secteur traditionnel:
1970 .•. ~ 1971
... ~
1972 ..• i 1973 ••• 1
1) Anmerkung des Statistisc..211 Amtes in Niamey.

-
266 -
FFE
Etudes prospectives. Y a-t-il déjà d'études
prospectives sur l'ensemble de l'évolution
du pays? ...
Couverture temporelle:
19 •.•
à
GH
No~bre de ménages africains
a.
t o t a l :
...
b. par tranches de revenus: ...
GNI
Total des nouveaux investissements bruts:



.
1970
••• i
1971
1
1972
••• i
1973

• •
1
GPKE
Produit social brut moyen des dix dernières
années par tête d'habitant:
. . .
IPT
Employés
(population active)
dans le secteur
traditionnel:
1970 •.• :
1971
••• :
1972 ••• i
1973



1
KA
Total des dépenses de consommation
1 970 ••• :
1 971
••• i
1 9'72 ••• i
1 973
·.. ,
KAT
Total des depenses de consommation dans le
secteur traditionnel:
.
1970
••• i
1971
••• i
1972 •.• :
1973 • •• 1
KBM
Capital accumulé du secteur moderne:
1 970 ••• i
1 971
••• :
1 972
••• i
1 973
.•• i
KBT
Capital accumulé dans le secteur traditionnel:
1970 ••• i
1971
••• i
1972 ••• i
1973 ••• i
KOM
Multiplicateur de la coopération. La coopera-
tion entre les pays de l'entente ira-t-elle
en croissant?:
Quel est son degré actuel en % du commerce
extérieut:
Quel sera son degré en 2000?:
. . .
KQ
Part relative de la sonsommation (% du produit
social brut)
.
1 970 ••• :
1 971
••• :
1 972 ••• i
1 973

• •
1
HAPM x
Multiplicateur de la productivité du travail
dans le secteur moderne:
MAPT x
Multiplicatcl~
la productivité dans le
secteur traditionnel:

-
267 -
MAVS x
Multiplicateur des dettes de l'etat:
NAPM
Productivité moyenne du travail dans le sec-
teur moderne en 1970:
..•
NAPT
Productivité moyenne du travail dans le sec-
teur traditionnel en 1970:
.•.
NIM
Nouveaux investissements bruts dans le sec-
teur moderne:
1970 ... ; 1971
. . . ; 1972 ... ; 1973 · .. ·,
NIT
Nouveaux investissements bruts dans le sec-
teur traditionnel:
1970 ••• i
1971
•.• i
1972 o •• ,
1973 • •• ·f
PRE
Revenu National brut par tête d'habitant:
1970 ... ; 1971
... ; 1972 ... , 1973 • •• ·f
PNIA
Total des nouveaux investissements privés
directs
(investissements faisant leur pre-
mière entrée dans le pays):
1970
.... i
1971
... i
1972 ... i
1973
. . . i
Quelle est leur évolution graphique (liné-
.
?)
alre.
:
...
PROM
Productivité du travail dans le secteur mo-
derne. Va-t-elle doubler ou tripler en l'an
2000?:
Montant actuel:
PROT
Productivité du travail dans le secteur tra-
ditionnel. Va-t-elle doubler ou tripler en
l'an 2000?:
...
Montant actuel
(1970):
RAM
Taux moyen des décès + invalidités + pensions
dans le secteur moderne:
...
RAP
Taux moyen des décès + invalidités parmi les
chômeurs:
RAT
Taux moyen des décès + invalidités + pensions
dans le secteur traditionnel:
...

-
268 -
REP
Placements annuels
(engagements)
dans le
secteur moderne:



.
1 970 ••. ;
1 971
••• ;
1 972 ••• ; 1973
1
RIP
Placements annuels dans le secteur tradition-
nel:
1 970 ••. i
1 971
••. i
1 972 •.. 1
1 973 ••. i
TZG
Revenus payés aux facteurs en provenance du
reste du monde et effectivement transférés
en:
1970 ... , 1971 ••• i 1972 .•. i 1973 ... ,
VAKIM
Intensité moyenne du capital des nouveaux
engagements dans le secteur moderne:
VAKIT
Intensité moyenne du capital des engagements
dans le secteur traditionnel:
ZASP x
Nouvelles damandes d'emploi

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