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"SIND POLITISCHER RADIKALISMUS UND KULTURELLE POROSITÂT VEREINBAR?
KONNEN DEUTSCHE FREMDENFEINDLICH SEIN UND SO GERN DÔNER KEBAB ESSEN?
EINIGE REFLEXIONEN ÜBER EIN VON DER IDENTITATSFRAGE GEPRAGTES VOLK.
Dakha DEME, Maître de Conférences
Université Cheick Anta Diop - SENEGAL
o. Einleitung
versaumten es die franzosischen Herrscher nie mit
Die Tatsache, dass Deutsche sich systematisch, gem
dem starken ostlichen Nachbarstaat abzurechnen,
und regelmaBig des Fremdwortregisters bedienen,
sobald eine Gelegenheit sich anbot, oder es darum
ist ein allgemein bekanntes Faktum. Dieser Trend
ging, über das deutsch-franzosisch gezerrte und
grenzt beim naheren Hinsehen fast an Frenesie,
strapazierte historische Verhaltnis vor jungen
bedenke man, dass dies widererwahrten bei einem
Afrikanem zu sprechen. Zum Schluss sollte sich der
Volk beobachtet wird, das zweieinhalbe Weltkriege1
kleine mündige, so praparierte Afrikaner "selbst"
allein aus nationalistisch-imperialistischen Gründen
eine Meinung oder ein Bild des "Bosen" machen
angezettelt hatte.
konnen, indem er nun die einzige Wahrheit, die es
gab, einsehen konnte, d.h. wie Deutsche definitiv
ch mochte im folgenden unter Beweis stellen, dass
schlecht, bosartig, kriminell und rassistisch waren,
gerade angesichts dieser deutschen Geschichte und
vor allem Afrikanem gegenüber!
dessen was sie uns lehrt, es anders bei diesem Volk2
nicht hatte kommen konnen. Anders gesagt ist seine
Ais logische Schlussfolgerung des Ganzen sollte ein
"sprachliche
PorosiHit"
anderen
in der Weise manipulierter und konditionierter
Kommunikationsmedien gegenüber, so wie die
Afrikaner, sei er yom Nordlichen oder yom südlichen
Schnelligkeit und Einpriigsamkeit fremder kultureller
Teil des Kontinents, nach einer tiefen Atmung zu
Einflüsse in der deutschen ais historisch fundiert und
Zufriedenheit seines Franzosischen Kolonialherm
durchaus belegbar zu bezeichnen. Dies erfordert,
ausrufen: 4 " um Wie gut ich es hier habe, unter
dass zunachst mit einige n UrteileniVorurteilen
Liberté, Egalité und Fraternité zu leben, verglichen
systematisch aufgeraumt wird, wie beispielsweise
zu den Afrikanem in Südwest, Togo oder Kamerun!
der Mythos der zu verallgemeinemden atavistischen
,fremdenfeindlichen Gesinnung dieses Volkes3
Eine solche Einstellung wâre total verkehrt und

vollîg ungerecht, denn die Deutschen müssen kein
0.1. Zur sog. Ich-Bezogenheit des
solches Bild, das durch das verforrnende Prisma des
deutschen Volkes. Hassen Deutsche
Gegnerblickes übermitteltes wird, hinnehrnen. Ihre
Frernde?
Geschichte, so wie sie uns von den Alten erzahlt
wurde, hauptsachlich Romern, ist ein ziemlich
Gerade in Afrika südlich der Sahara, wo das
interessantes Belegstück dessen, was richtig ist, das
Bildungs- und Ausbildungssystem meistens von den
es noch verdient, naher unter die Lupe genommen
ehemaligen Kolonialmachten gepragt ist, von ihr
zu werden.
stark beeinflusst wurde und mithin vollkommen von
ihr abhing und übemommen wurde, ist nicht zu
erwarten, dass man in Schulbüchern zu einem
positiven Bild Deutschlands (und des deutschen
Feindes) kommt. Verglichen mit den Werken, die
nach dem Krieg in den amtlichen Programmen
zugelassen wurden, wardas Bild Deutschlands und
1 1939-1945, 1914-1918 und auch 1870, Krieg, der die Einheit des Reichs um
Bismarck vollzog.
der Deutschen, das in Afrika beispielsweise durch
2 De Gaulle verwendete oft den Begriff"Burgraves" filr Deutsche
die franzosische Herrschaft überrnittelt wurde,
'In derTat ist die Zahl der Deutschen, die sich offiziell zum Nazismus bekennt
l1ul3erst gering. Bei sog. KTyptonazis, (NPD, DVU, Reps etc.. )wird bundesweit
gerade angesichts seine kantigen, eckigen und
weniger ais 2 % der Wllhlerstimmen erreicht.
scharfen Konturen katastrophal. ln der Tat
'Ich geMre diese Generation an
Revue du CAMES - Nouvelle Série B, Vol. 007 N° 1-2006 (1er Semestre)
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Sciences sociales et humaines
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1. Tacitus der Romer und die Germanen
gekürt wurde?
Tacitus bereiste aufAnregung des romischen Kaisers
Ein zweites fast dramatisches Niveau wurde mit der
Gennania, das Land der Gennanen im Jabre 98 v.
Herrschaft Kaiser Wilhelm II erreicht, der ohne
Chr. Ais Abgesandter des Kaisers Roms soUte er
bewahrtes militarisches Profil, den groBten aller
diese neuen Gegenden erschlieJ3en und beim Kaiser
Fehler der Geschichte beging: den Ersten Weltkrieg,
Bericht erstatten.
den seine Generale fehlerhaft ais begrenzten schnell
gegen den franzosischen Erbfeind zu gewinnenden
Seine Eindrücke und Erfahrungen bei den Gennanen
Feldzug einstuften
hat er in seinem berühmten Werk ,.De origine et situ
Germanorum"
zusammengefasst. Er machte dabei
Dieser Trend zum expansionistischen Militarismus
eine erstaunliche Entdeckung: Diese sog. Barbaren
erreichte jedoch
1933 ein bisher noch nie da
hatten einen sehr ausgepragten Sinn fùr Gast- und
gewesenes Niveau mit der Machtübemahme Hitlers,
Fremdenfreundlichkeit entwickelt, dem Tacitus
wo die Goebbelspropaganda verkünden lieB, dass
groBen Respekt erwies und den er gleichsam
eine nie auf der Welt vorhandene Aufrüstung auf
bewunderte. Es waren zwar harte Volker aber
deutschem Boden entstanden sei, womit man sich
keinesfalls
Wilde,
die
gesellschaftliche
in der ganzen Welt Respekt verschaffen würde.
Geflogenheiten nicht verstehen konnten. Das
Aufgabe der Propaganda war es, systematisch am
germanische Volk wusste beispielsweise, dass
neuen Bild des kriegsliebenden, invasionssüchtigen
Fremden in der Fremde stets geholfen werden soUte.
und kampferischen Deutschen zu arbeiten und dieses
neue Bild ins "Bewusstsein" der deutschen und
Diese Tatsachen von denen Tacitus vor über 2000
auslandischen BevOlkerung einzuhammem. Diese
Jabren sprach, sind vielleicht an deutschen Schulen
Bilder gingen mit unvermeidlichen Klischees einher,
und Gymnasien nicht ausreichend in den geltenden
die aile daraufabzielten, die Moral der Starken bzw.
Programmen aufgenommen worden, wenn
des Starkeren zu rühmen.
überhaupt, so dass ein kulturell verzerrtes Bild des
Deutschen Volkes auf Dauer entstanden ist.
Da Deutsche allen anderen V olkern der Welt
überlegen waren, d.h. starker, dürften sie sich nun
Viel zu oft hat man die Dinge so sein lassen, dass
den entsprechenden Lebensraum mit dem Schwert
der Eindruck entstanden ist, dass es hier gar nichts
auf Kosten anderer minderwertiger,
Neues zu berichten gabe, denn so weit man auch
weil schwacherer Volker erkampfen1 •
zurückschauen mochte, war es nur eine Geschichte
von kriegerischen Auseinandersetzungen mit
Wie ist aber Militarismus, Annexionstrieb und
anderen benachbarten Volkern, punktiert mit kleinen
Arroganz dem "Anderen" gegenüber mit Offnung
unwichtigen
gar
nicht
langdauernden
und Toleranz vereinbar? Wie sind die Deutschen,
Friedensperioden, wo das "kriegerische Volk"
trotz anfàngliche schlechter Ausgangslage zu dem
regelrecht in Langeweile und Trinksucht verfie1.
Volk geworden, das so viel Sprachliches integriert
und eindeutscht?
2. Der deutsche Militarismus und dessen
Nicht nur anhand von Tacitus relevanten
faschistische Grundlagen
Informationen über sie selbst werden solche
Fragestellungen beantwortet werden konnen,
Die kriegerischlmilitarischen Werte erreichten einen
50ndem auch anhand der be50nderen Einstellung des
ersten Hohepunkt mit der preuBischen Monarchie,
Sohns des Soldatenkonigs Friedrich Wilhelm I.
die die gesamte wehrpflichtige Bevolkerung sowie
Frankreich und der franzosischen Kultur gegenüber.
den gesamtem Staatshaushalt in die Annee zwang,
50 dass der preuBische Konig Friedrich 1ungehemmt
3. Friedrich Wilhelm II und Schloss
den fùr heutige VerhaItnisse seltsamen Namen des
"Sanssouci"
"Soldatenkonigs" tragen konnte.
Dass Friedrich Wilhelm Il eingefleischt frankophil
Konnte es anders kommen, ais in der groJ3en Kaseme
war, ist bekannt. Dass er beispielsweise die feine
Deutschland der Konig auch zum groBten Soldaten
Potsdamer Gesellschaft regehl}aBig in seinem
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Revue du CAMES - Nouvelle Série B, Vol. 007 N° 1-2006 (1er Semestre)

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Sciences sociales et humaines
Hofsitz "Sanssouci" zu sich bitten lieB, wo er
ausklammerte.
unbekümmert und von den Problemen der Welt
abgeschirmt, dem Beispiel des franzosischen
"Sonnenkonigs" Ludwig XlV. nachaffend, in
Hier müsste man die Eigenart des Deutschen
PreuBen Etikette und Hofbrauche Frankreichs
unterstreichen
d.h.
seine
psychologische
verlegen lieB, gilt ais aligemein bekanntes Faktum.
Veranlagung betonen, die es begründet, dass ohne
Dass Friedrich Wilhelm II zudem auch überzeugt
Zogern auch der geistige Schritt zum Anderen
frankophon war, Voltaires Sprache perfekt meisterte
gewagt wird; hier nimmt dies die extreme Form einer
lÛld Wert darauf legte, dass beim Hof das
koniglichen Hinneigung zum Franzosischen an,
Franzosische Koinewert hatte, ist vielleicht weniger
wahrend es beim Volk andere Formen angenommen
bekannt. So lieB er sein eigenes Testament in dem
haben mag, wie beispielsweise das einfache
sein Vermachtnis an PreüBen und seine Nachfolger
Nachaffen der fremdem Art und Weise.
unwiderruflich transkribiert wurde, aufFranzosisch
niederschreiben. Diese wichtige Entscheidung des
"Sanssouci" Iiefert uns dennoch einige verblüifende,
Konigs PreuBens, die leider nicht ausreichend von
wenn auch sehene Informationen über die
der deutschen Geschichte und von Historikern
Einstellung des PreuBenkonigs Fremdsprachen,
einbezogen bzw. verarbeitet worden ist, gibt mir den
insbesondere dem Franzosischen gegenüber.
Anlass, den Vergleich zum Nachbarland Frankreich
ziehen zu konnen, das bekanntlich durch seinen
übergroBen Nationalitatssinn berühmt ist. Ich darf
hier, vielleicht nur ZUT Illustration, zu bedenken
geben, dass Franzosen mit Sicherheit noch heute mit
Kaiser Napoleon abrechnen würden, der, wie
vermutet werden darf, seinen Status des groBen
Nationalhelden schon langst eingebüBt haben WÜTde,
wenn er den Schritt Friedrich II. in die umgekehrte
Richtung gewagt hatte, und z.B. sein Testament etwa
aufDeutsch geschrieben hatte.
Konig Friedrich Wilhelm II hatte offenhar von seinem
Volk solches nicht zu befiirchten, der gerade deshalb
von
ihm
ais
hochkulti vierter,
fremdsprachenbeherrschender, weltoffener und
aufgeklarter Herrscher hochgepriesen wurde.
Ist es nicht erstaunlich, dass wiedererwarten
Deutsche solches hinzunehmen veranlagt waren,
ohne dass der Konig an den Pranger gestelit wurde?
Müsste hier sachlich und ganz nüchtern nicht davon
ausgegangen werden, dass es in Deutschland
bedeutende von weiten Schichten der Gesellschaft
getragenen Bewegungen ZUT "Verteidigung und
Illustration des Deutschen" nicht gab? Derartige
1 Die Tatsache, dass es hier und da in Deutschland von Teilen der BevOlkerung
initiierte sog. nach Rechts gerichtete "Wehrsportgruppen" gibt, die ein
Bewegungen dürften hier weitgehend unbekannt
NlIhrboden filr faschistisch-nationalistisches Gedankengut und Getue ist, ist
gewesen sein, nicht zuletzt, weil den Deutschen das
der Beleg dafilr, dass diese Propaganda in gewissen Teilen.der BevOlkerung gut
ankommt, bzw. gut angekommen ist. Tatsache istjedoch; dass heute noch weniger
notwendige "Zeug" dazu fehlte, namlich der
ais 3% der BundesbOrger sich zum Rechtsextremismus bekennt und entsprechend
Patriotismus2
an Wahlen teilnimmt. Immerhin waren es am 20. August 2004 ca. 4000 sog.
• Dazu kommt noch die Tatsache, dass
Neonazis (Tendenz steigend), die den 17. Jahrestag des Todes des
verglichen zu den Franzosen die Landsleute
Hitlerstellvertreters Rudolph Hess zelebrieren wollten. Die bayerische Regierung
Friedrichs sich langst damit abgefunden zu haben
lieB die Demonstration zu, schickte aber dennoch 1000 Bereitschaftspolizisten
nach Wunsiedel, wo der Nazi Hess bestattet liegt. Demokraten nehmen jedes
schienen, dass Letzterer in seiner Weise seine
Jahr diese Gelegenheit wahr, um gegen den Faschisrrtus utld ftlr den Verbot von
Freundschaft zum groBen Philosophen Voltaire so
Nazi-Kundgebungen in Deutschland zu demonstrieren.
2 Weil es kein nationales vereintes politisches Gebilde vor 1870 gab, sind
hegen konnte, dass er seine "Germanitat" vollig
so1che zentraIisierten Bewegungen in Deutschland verglichen zu Frankreich
wohlwollend und zustimmend teilweise vorerst
ausgeblieben.
Revue du CAMES - Nquvelle Série B, Vol. 007 N° Î-2006 (lor Semestre)
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3.1.
Warum
die
feblerbafte
Versionen sind mithin moglich.
Transkriptionsweise von "Sanssouci"?
Wie wir es gesehen hab en, scheinen beide
Wie festgestellt werden kann, wird "Sans,souci", so
Orthographierungen die Schriftwahl d$;:s Konigs zu
wie es auf dem Schlossfronten geschrieben steht,
verdeutlichen, die auf gut wissenschaffl~ch­
mit zwei Rechtschreibfehlem realisiert: "sans" und
fachmannischen Erwagungen zu beruhen sch~4Ien.
"soucis" werden zunachst von einer Komma
getrennt, das im Franzosischen zwischen PIiiposition
Allem Anschein nach môchte Friedrich WilhFIJll II
und Nomen nicht in Erscheinung treten darf. Femer
gewahrleistet haben, dass auch nach seinem Tode,
fehlt bei "soucis" das "s".
dass am Namen des Ortes, wo er neben seinen einst
sehr geliebten Hunden bestattet liegt, vor allen
Bei einer anderen gelaufigeren Orthographierung
Dingen in der Aussprache, sich phonetisch nichts
scheint es keinen Fortschritt zu geben, denn "sans"
mehr andert.
und "souci" werden zunachst zusammengeschrieben,
Dies ist ihm in einwandfreier und sachverstiindiger
so dass ein neues Kompositum entsteht, "Sanssouci";
Weise gelungen.
femer fehlt bei "soucis" auch hier das auslautendente
"s" . Der Einsatz eines solchen "s" in der
4. Der Bang der Deutschen zurn
Orthographie konnte aber jedoch, weil potenziell
phonetischkorrekten
yom Leser durch hyperkorrekten Einsatz, zu einer
falschen phonetischen Realisation aIs "scharfes s"
Wie kommt es nun, dass nach Konig Friedrich
führen, welche die Kommunikationsgrundlage
Wilhelm II seine heutigen Landsleute den gleichen
zerstOren würde. Man würde daher [su'sis](!)
Hang zu fremden Sprachen zeigen, und dass
horen' . Allem Anschein nach mochte Friedrich
Letztere in einwandfreier phonetischer Weise
Wilhelm dem vorbeugen. Die vorhandene
realisiert werden ? Warum sagen beispielsweise
orthographische Transkription des Lexeins konnte
Franzosen [dem1eR kris1eR] und [dis1runt] oder
mithin, meiner Meinung nach, aIs ein erster Versuch
[yrïkan] wahrend ihre Nachbarn jenseits des
zur Phonetisierung bzw. Allomorphisierung von
Rheins es fast perfekt zu [daiml? kraisl?] bzw.
"sanssouci" gewesen sein, denn es gab zu den Zeiten
[diskaunt] oder [h?r?kren] bringen konnen?
Friedrichs des Zweiten keine phonetische
Lautschrift. Die Schriftwahl des Konigs, die mehr
Hier sei zur Illustration ein kurzes Gesprach
eine phonetische Transkription ist, hat den Vorteil,
aufgezeichnet, das in der S-Bahn stattgefunden
die Aussprache zu bewahren, wennschon dabei die
hat' : Eine schon altere Frau und ein Herr haben
franzosische Orthographie zu kurz kommt bzw.
eine Diskussion:
aufgeopfert wird. Es hatte in der Tat dem Konig
sehr am Herzen gelegen, dass ein phonetisch
Die Frau: "Wissen Sie, wie ich diese Jugend von
korrektes Franzosisch am Hof gesprochen wurde,
heute nenne?
heiBt es, und nicht, wie vermutet werden darf, dass
Der Mann: "Nein"
ein orthographisch richtiges FranzOsisch geschrieben
Die Frau: "Dessertgeneration!Sie ist eine
wird, das keiner angesichts von intrinsischen an
Dessertgeneration!"
dieser
Sprache
verbundenen
Der Mann: ,;Wie bitte?"
Orthographierungsschwierigkeiten zu meistern
Die Frau: "Ja! Nachtischgeneration nenne ich
vermochte. Ohne diese "getroffene phonetische
sie, denn die grosse Arbeit haben WIR , alter~
MaBnahme" würden die Zeitgenossen des Konigs
Generation schon verrichtet!
aller Wahrscheinlichkeit nach, es zu einem
Der Mann: "Ach, sol Ja, freilich!
[za?zuzis](!)2 bringen, das Keiner zu verstehen
Dessertgeneration! Nicht schlecht!"
vermochte.
Ferner mochte mit dem eingeführten Komma
1 Eine solche Realisation kOnnte die KommunikatioDSgTUlldlage
einigernta8en gefthrden, weil es im Deutsehen ein sog. I\\ürzes und
Friedrich Wilhelm II wahrscheinlich sichergestellt
ungespanntes lui gibt, das artikulatorisch nicht sehr wejt entfemt vom kurzen .
haben, dass eine Pause in der Frontenversion von
gespannten/o/ steht. Anstellevon [su 'sis] konnte [so'5is] (Wurst!) in
Erscheinung treten.
"Sans, Souci" phonetisch formalisiert wird. Beide
2 Vergleiche die Aussprache des eingedeutschten Lexems <Saison> [zOzo?]
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Revue du CAMES - Nouvelle Série B, VoL 007N~ 1-2006 (1'" Semestre)

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Sciences sociales et humaines
Ein deutlich nicht zu übersehender Trend zum
Das Verhalten dieser Frau ist symptomatisch fiir
Englischen ist indes verstarkt beobachtbar, denn
eine typische Einstellung der Deutschen
vieles raIlt dem Englischen zum Opfer , auch wenn
Fremdsprachen gegenüber. Es spricht zunachst
es keine objektive Rechtfertigung dafiir gibt.3
dafiir, dass sie das franzosische Beispiel verwendet
und dann das deutsche. Dabei scheint mir das
5. RadikaJe Parteien im bundesweiten
entscheidende Faktum daran zu liegen, dass stets
Aufmarsch
versucht wird, die neue Eintragung mit seiner
Nonnaussprache ins Deutsche zu integrieren. Man
September 2004 wird mit Sicherheit
in die
mochte die Fremdsprache gar nicht "fremdsprachig"
Geschichte eingehen, ais der Herbst, wo es nach
verwenden, damit das positive Bild einer weltoffenen
Landtagswahlen rechtsradikalen Parteien gelungen
Person, ganz und gar nicht abgekapseit dem anderen
ist, in den Landtagen von SaarbTÜcken (Saarland),
gegenüber vennitteit wird.
Potsdam (Brandenburg) und Dresden (Sachsen)
ganz offizieII einzuziehen. Die demokratisch~n
Dieser Trend konnte indessen veraIIgemeinert
Parteien und die Beobachter sehen verblüfft zu, Wle
werden..
sich Parteien, deren programmiertes Ziel die
Man merke: Deutsche geben sich Mühe , viele
ZerstOrung der Demokratie ist, sich nach und nach
Fremdworter einzudeutschen, wobei letztere
in die Landesparlamente einarbeiten, wo sie von
meistens in einwandfreier phonetischer Fonn in
Landtagswahl zu Landtagswahl immer mehr an
Erscheinung treten. Diese FeststeIIung macht einen
Wichtigkeit gewinnen. Mit fast 13 Abgeordneten im
wesentlichen Unterschied zu benachbarten VOlkem
Dresdener Landtag ist die DVU gleich stark wie die
wie das Franzosische und das Englische, bei weichen
heruntergekommene SPD.
Fremdworter auch phonetisch "naturalisiert" d.h.
"franzosiert oder "englischiert" werden, so dass sie
Den Beobachtem nach konne sich dies durch die
meistens nicht mehr ais solche ausgemacht werden
,"':'4
• h
Tatsache erklaren, dass "der braune SumpJ
SiC
konnen:
in den etablierten bürgerlichen Parteien solange
DEUTSCH
FRANZOSISCH
versteckt haIt, wartend, dass es zu einer Krise
ENGLISCH
kommt, um sein wahres populistisch-rechtsradikales
<Berlin>
[b??I?], [b??I??]
[be:?'Ii:n]
Gesicht zu zeigen.5
Das Wahlerpotenzial sei groB, heiBt es, und es
Folgende Beispiele seien auch zur Illustration
handeit sich hierbei überwiegend umjunge Leute6 ,
genannt2 :
die radikal wahlen, weil sie das Vertrauen an den
Bin
total
HAPPY"
(Deutscher
nach
"
Staat verloren haben, der ihrer Meinung nach unfahig
Goldmedaillensieg)
ist, Arbeitsplatze bundesweit und insbesondere in
Ein unwiderstehliches FINISCH"
"
den ostlichen Gebieten zu sichem.
neue JOB CENTER"
Ein echtes ernstzunehmendes Unbehagen
"Kommen sie in die Sendung A PROPOS
"
schwebt mithin über ganz Deutschland, weil
Privatisierung"
sich programmatisch nichts am Naziprojekt
"ein Euro JOBS"
geandert hat: Nationalismus,
es macht SUMA SUMARUM"
"
Deutschzentriertheit, Antisemitismus .und
"Der Sieger ist TOP"
Rassismus werden noch groB geschrieben.
das Berliner Krankenhaus CHARITE"
"
Mit der Parole ,,!ch bin stolz Deutscher zu sein !"
"Diese Abteilung ist für KIDS und TEENS
mochte man die Differenz zum Anderen
bestimmt"
unterstreichen, dessen Kultur, Sprache, Art und
"HI! Kann ich helfen?"
Weise minderwertig eingestuft wird. Man mochte
Mit dieser AIRLINE reise ich nicht"
"
das Rad der Geschichte zUTÜckdrehen und die
Diese Fremdlexeme, die aus der deutschen Sprache
kriminellen Untaten des Weltkrieges rühmen.
nicht mehr weg zu denken sind, gehoren nun zum
Man ist Rassist· und bekennt sich offentlich zum
AIItag der Deutschen und sprechen für die
Rassismus. Deutschland will sich zentriert auf sich
Aufgeschlossenheit der Deutschen dem heute
selbst und vielleicht auf einem arischen Europa7 in
feststeIIbaren
deutlichen
Trend
zum
der Weit durchsetzen, und trotzdem genieBt man
Rechtsradikalismus zum trotz.
Revue du CAMES - Nouvelle Série B, Vol. 007 N° 1-2006 (lor Semestre)
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_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ Sciences sociales et humaines
weiterhin seinen "Big Mae", seinen "Doner" oder
"vietnamesischen fried Riee" in aller Ruhe!
Ein solches widersprüchliches in Gegensatzen
verwickeltes nationalistisches Projekt mochte dem
Anderen jedoch keinen Platz in Deutschland
einraumen.
Der Rechtsradikalismus vertritt dennoch eine groBe
Gefahr, die die europaische Konstruktion bedroht
und trotz aIle dem bedient man sich weiter am
Fremdsprachenregister!
80 hief3 die Parole der
verbotenen Nazi-Demonstration in Berlins <Keine
islamischen Center in Berlin!>, weil die
Demonstranten <...keine Moslems in Berlin haben
woIlen..>.(sic!)
Tod gesagte, leben mithin in der Tat langer!
6. Kleine ausgewihlte Bibliographie
.1. Ammon, (U.), 1991. Die internationale
Ste/lung der deutschen Sprache in der We/t,
Berlin,
N,ew York, De Gruyter.
2. Duden 6,AliSspracheworterbuch, 1990.
Mannheim
3. Flaeh, (D.). ,'Die Germania des Tacitus und in
ihrem literaturgeschichtlichen
Zusammenhang"
4. Freund, (M.), 1974. Deutsche Geschichte,
Bertelsmann Lexikon-Verlag, Berlin.
5. Martin, (R.), 1981.Tacitus, London,

6. Teil 1 Hg. Jankuhn und Timpe, 1989.
Gottingen.
unterschriebenen Manifest verlangen sie wie in Frankreich eine gewisse Quote
im Rundfunk zu haben.
4 Bundeskanzler Schroeder (SPD) im Monat September 2004 vor Journalisten
expressis vernis.
5 Siehe die ganze Diskussion über Hartz IV und die damit verbundenen sog.
1 Aufgezeichnet am 15.1uli 2004 in der S-Bahn BerlinIPotsdam
Montagsdemonstrationen.
2 folgende FremdwOrter sind von mir am Sonnabend, den 27. August 2004 aus
• Den Statistiken nach wahIen 20 bis 21 % derjungen Leute zwischen 18 und
dem Sender RBB (Radio Berlin Brandenburg) abgehOrt worden.
35 Jabren radikal rechts. Es handelt sich hierbei um politisch sehr motivierte
3 Beispielsweise hieS es bei einem <Jogger>, er mOge das <waIking (!»
nichl,
junge Leute, die das Vertrauen zum bestehenden Staat und zur Demokratie
es sei anstrengender ais <running (!». Oder aber <HWTicane Jeanne(September
verloren haben. Es ist damit zu rechnen, dass in Zukunft die rechtsradikaien
20(4) hat den Bundesstaat Florida gewüstet Aussprache des Moderators:
Parteien angesichts der Jugend ihrer Wahlerschaft zu einem besseren Resultat
HWTikane [dzi:n] obwohl der Taufuamepan] hei&, dem FranzOsischen ent1ehnt
kommen.
, der einem Deutschen bei der Realisation objektiv gesehen unproblematisch
sein soUte. Ferner versuchen die 'deutschen Sanger sich starker gegen ihre
7 Hier wird das Nazi-Projekt etwas konfus, denn Manche lehnen ltaiiener und
Slavenab
Unterreprasentation im Rundfunk zu protestieren. In einem von 500 von ihnen
8 in September 2004
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Revue du CAMES - Nouvelle Série B, Vol. 007 N° 1-2006 (1er Semestre)